"Fertigarzneimittel sind Arzneimittel, die im Voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden oder andere zur Abgabe an Verbraucher bestimmte Arzneimittel, bei deren Zubereitung in sonstiger Weise ein industrielles Verfahren zur Anwendung kommt oder die, ausgenommen in Apotheken, gewerblich hergestellt werden. Fertigarzneimittel sind nicht Zwischenprodukte, die für eine weitere Verarbeitung durch einen Hersteller bestimmt sind."
Die Alternative zum Fertigarzneimittel ist das Rezepturarzneimittel.
OLG Köln, Urt. v. 22.2.2017, 6 U 101/16, II,2,b
§ 4 Abs. 1 S. 1 AMG unterscheidet zwischen drei Alternativen. Danach liegt ein Fertigarzneimittel vor, wenn ein Arzneimittel im Voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in Verkehr gebracht wird oder andere zur Abgabe an den Verbraucher bestimmte Arzneimittel, bei deren Zubereitung in sonstiger Weise ein industrielles Verfahren zur Anwendung kommt oder die, ausgenommen in Apotheken, gewerblich hergestellt werden.
"im voraus hergestellt"
OLG Hamburg, Urt. v. 17.12.2009 – 3 U 48/02 - Atemtest
Der Begriff des „Herstellens“ ist in § 4 Abs. 14 AMG definiert. Danach ist „Herstellen“ das Gewinnen, das Anfertigen, das Zubereiten, das Be- und Verarbeiten, das Umfüllen einschließlich Abfüllen, das Abpacken und das Kennzeichnen. Das Abfüllen, Abpacken und das Kennzeichnen sind mithin Bestandteil des Herstellungsvorgangs. Dabei ist aber zu beachten, dass in dieser Definition nicht von der zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung die Rede ist. Das bedeutet also, dass jedes Abpacken – also auch das in Großgebinden – unter die Herstellungsdefinition fällt. Die Herstellung eines Großgebindes ohne Zuordnung zu einem bestimmten Patienten ist damit dem Wortlaut nach „im voraus hergestellt“.
OLG Köln, Urt. v. 22.2.2017, 6 U 101/16, II,2,b
Die Annahme, dass es sich bei dem Spray um ein Fertigarzneimittel handelt, setzt voraus, dass die Herstellung „im Voraus“ erfolgt. Wann eine Herstellung im Voraus vorliegt, lässt sich der Norm nicht entnehmen. Dies spricht entsprechend dem Wortlaut der Norm dafür, dass eine Herstellung in einer Apotheke dann nicht unter die Norm fällt, wenn es erst hergestellt wird, nachdem die Bestellung erfolgt ist. Gegen dieses Verständnis des Begriffs „im Voraus“ spricht aber der Sinn und Zweck der Vorschrift. Denn die Zulassungsvorschrift des § 21 AMG soll die Arzneimittelsicherheit durch eine materielle präventive Kontrolle des Arzneimittelverkehrs verbessern. Daher kommt es auf die Frage der Lagerhaltung nicht an. Vielmehr sollen im Einzelfall und auf besondere Bestellung hergestellte Arzneimittel aus der Definition des Fertigarzneimittels ausgeschlossen werden (vgl. Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Stand Feb. 2016, § 4 AMG Rn. 3a).
Auch die Systematik des Gesetzes spricht für diese Auslegung. Denn ausdrücklich ausgenommen von der Zulassungspflicht werden gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG Defektur- und Rezepturarzneimittel. Einer solchen Ausnahme bedürfte es nicht, wenn allein das zeitlich nach einer Bestellung erfolgte Herstellen bereits dazu führte, dass ein Arzneimittel nicht als Fertigarzneimittel angesehen würde. Vor diesem Hintergrund erfolgt die Bestimmung der Frage, ob ein Fertigarzneimittels vorliegt, in Abgrenzung zum Defektur- oder Rezepturarzneimittel. Diese sind von der Zulassungspflicht ausgenommen, weil sie - nach ärztlicher Anordnung - für einen einzelnen Patienten hergestellt werden.
Für diese Auslegung spricht auch, dass § 3a S. 1 HWG die Umsetzung von Art. 87 der Richtlinie 2001/83/EG darstellt, nach der Mitgliedsstaaten Öffentlichkeitswerbung untersagen für Arzneimittel, für dessen Inverkehrbringen keine Genehmigung vorliegt. Das europäische Recht kennt die Abgrenzung zwischen Arzneimittel und Fertigarzneimittel nicht. Insbesondere wird eine solche in der Richtlinie 2001/83/EG nicht vorgenommen. Dennoch wiederspricht die im AMG vorhandene Differenzierung nicht der Richtlinie 2001/83/EG. Denn in dieser wird in Art. 1 Nr. 2 der Arzneimittelbegriff und in Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 der Anwendungsbereich der Richtlinie geregelt, aus dem sich der Fertigarzneimittelbegriff des deutschen Rechts herleiten lässt (vgl. Winnands in/Müller/Hofmann a. a. O., § 21 Rn. 12; Kloesel/Cyran a. a. O., § 21 Rn. 3 f.).
OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.8.2018, 15 U 21/18, Tz. 46 ff
Die Worte „im Voraus“ i.S.v. § 4 Abs. 1 AMG beziehen sich auf die Zeit vor einer konkreten ärztlichen Verordnung und dienen der Abgrenzung der Fertigarzneimittel von den Rezepturarzneimitteln (vgl. § 7 ApBetrO) und allen sonstigen Arzneimitteln, die im Einzelfall auf besondere Anforderung hergestellt werden . Rezepturarzneimittel sind nach der Legaldefinition des § 1 a Abs. 8 ApBetrO Arzneimittel, die in der Apotheke im Einzelfall auf Grund einer Verschreibung oder auf sonstige Anforderung einer einzelnen Person und gerade nicht schon im Voraus hergestellt werden. Die wesentlichen Unterschiede der Fertigarzneimittel zu den Rezepturarzneimitteln bestehen mithin in Folgendem:
Bei Rezepturarzneimitteln beginnt die Herstellung erst dann, wenn eine ärztliche Anweisung (Rezept) zur Herstellung dieses konkreten Arzneimittels vorliegt.
Rezepturarzneimittel werden nicht für eine abstrakte, sondern für eine konkrete Anwendung hergestellt (OLG München, PharmR 2010, 476). Die Zusammensetzung, Stärke und Darreichungsform der verwendeten arzneilichen Stoffe und Stoffzusammensetzungen werden vom Arzt individuell bestimmt und verantwortet. Die Ausstellung des Rezepts muss vor der Zubereitung erfolgen (EuGH, PharmR 2015, 436).
Verbraucher
OLG Hamburg, Urt. v. 26.5.2011, 3 U 165/10, II.3.c.cc
„Verbraucher“ sind in dieser Bestimmung neben den Patienten selbst insbesondere auch Einrichtungen der Gesundheits- und Krankenfürsorge wie das Klinikpersonal, das die Arzneimittel anwendet (vgl. Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, A 1.0, § 4, Anmerkung 4c).
Zwischenprodukte
OLG Hamburg, Urt. v. 26.5.2011, 3 U 165/10, II.3.d
Zwischenprodukte sind lediglich teilweise bearbeitete Arzneimittel, die noch weitere Produktionsstufen durchlaufen müssen, bevor sie zur (dann durch die Zulassungsbehörden zu prüfenden) Bulkware werden, die bereits an den Verbraucher abgegeben werden könnte (vgl. Kloesel/Cyran, a.a.O., § 4 AMG, A 1.0, Anmerkung 10a).
Die Alternative zum Fertigarzneimittel ist das Rezepturarzneimittel.