5. Pflicht zur Prüfung der Verbraucherbewertungen?
a. Echtheit von Verbraucherbewertungen
b. Gefälschte Verbraucherbewertungen
Literatur: Alexander, Christian, Transparenz in der Plattformwirtschaft. Die Regelungsansätze in der P2B-VO und des UWG, GRUR 2023, 14
Zu Irreführung mit Kundenbewertungen siehe hier.
§ 5b Abs. 3 UWG
§ 5b Abs. 3 UWG
Macht ein Unternehmer Bewertungen zugänglich, die Verbraucher im Hinblick auf Waren oder Dienstleistungen vorgenommen haben, so gelten als wesentlich Informationen darüber, ob und wie der Unternehmer sicherstellt, dass die veröffentlichten Bewertungen von solchen Verbrauchern stammen, die die Waren oder Dienstleistungen tatsächlich genutzt oder erworben haben.
§ 5b Abs. 3 UWG geht zurück auf Art. 3 Nr. 4 c) der Richtlinie (EU) Nr. 2019/2161 (Omnibus-Richtlinie), mit der ein neuer Art. 7 Abs. 6 in die UGP-Richtlinie eingeführt wurde. Die Umsetzung in § 5b Abs. 3 UWG ist richlinienidentisch.
In Erwägungsgrund 47 der Richtlinie (EU) 2019/2161, mit der die entsprechende Vorgabe in die Art. 7 Abs. 6 der UGP-Richtlinie eingefügt wurde, heißt es dazu:
"Verbraucher stützen sich bei ihren Kaufentscheidungen zunehmend auf Bewertungen und Empfehlungen von Verbrauchern. Wenn Gewerbetreibende Verbraucherbewertungen von Produkten zugänglich machen, sollten sie deshalb Verbraucher darüber informieren, ob Prozesse oder Verfahren angewandt werden, um sicherzustellen, dass die veröffentlichten Bewertungen tatsächlich von Verbrauchern verfasst wurden, die die Produkte tatsächlich verwendet oder erworben haben. Wenn solche Prozesse oder Verfahren angewandt werden, sollten Gewerbetreibende Informationen darüber bereitstellen, wie die entsprechenden Prüfungen ablaufen, und den Verbrauchern eindeutige Informationen darüber zur Verfügung stellen, wie mit Bewertungen umgegangen wird, etwa ob alle Bewertungen — positive wie negative — veröffentlicht werden oder ob diese Bewertungen im Wege eines Vertragsverhältnisses mit einem Gewerbetreibenden gesponsert oder beeinflusst wurden. Zudem sollte es deshalb als unlautere Geschäftspraktik zur Irreführung der Verbraucher angesehen werden, wenn behauptet wird, dass Bewertungen eines Produkts von Verbrauchern stammen, die das Produkt tatsächlich verwendet oder erworben haben, ohne dass zumutbare und angemessene Schritte unternommen wurden, um sicherzustellen, dass die Bewertungen wirklich von solchen Verbrauchern stammen. Solche Schritte wären etwa technische Mittel zur Überprüfung der Glaubwürdigkeit einer Person, die eine Bewertung veröffentlicht, beispielsweise indem die Informationen zur Überprüfung, ob ein Verbraucher das Produkt tatsächlich verwendet oder erworben hat, angefordert wird."
Anwendungsbereich
§ 5b Abs. 3 UWG setzt die UGP-Richtlinie um und gilt dementsprechend nur im B2C-Verhältnis. Gesetz und Richtlinie setzen deshalb dem Wortlaut nach die Zugänglichmachung von Bewertungen von Verbrauchern gegenüber Verbrauchern voraus. Sie gelten nicht allgemein bei allen Kundenbewertungen z.B. auch gewerblicher Abnehmer.
§ 5b Abs. 3 UWG findet ebenfalls keine Anwendung, wenn der Unternehmer auf Verbraucherbewertungen Bezug nimmt, die von einem Dritten auf einer unternehmensfremden Website veröffentlicht werden.
Verbraucherbewertungen
Verbraucherbewertungen sind alle Arten von Kommentaren eines Verbrauchers zu Waren oder Dienstleistungen, die vom Unternehmer angeboten werden. Auf den Umfang oder Inhalt kommt es nicht an. Es kann auch lediglich um ein Emoji oder eine Anzahl von Punkten auf einer Punkteskala handeln.
Der Verbraucher muss die bewerteten Waren oder Dienstleistungen nicht vom Unternehmer erworben oder bezogen haben.
Verbraucherbewertungen sind auch solche, die lediglich den Eindruck machen, als stammten sie von einem Verbraucher (Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen § 5b, Rn. 24; wohl auch Peifer GRUR 2021, 1453, 1476).
Zugänglichmachen
Zugänglichmachen heißt, dass einem Verbraucher mindestens eine Bewertung einer Ware oder Dienstleistung des werbenden Unternehmens bekannt gemacht wird. Wie der Unternehmer die Bewertung bekannt macht, ist für § 5b Abs. 3 UWG unerheblich. Es ist auch nicht von Belang, ob nur ausgewählte oder alle Verbraucherbewertungen zugänglich gemacht werden.
Pflicht zur Prüfung der Verbraucherbewertungen?
§ 5b Abs. 3 UWG verpflichtet den Unternehmer, den Verbraucher darüber zu informieren, ob und wie er sicherstellt, dass die veröffentlichten Bewertungen von Verbrauchern stammen, die die Waren oder Dienstleistungen tatsächlich genutzt oder erworben haben. Aus dieser Informationspflicht ergibt sich nicht, dass der Unternehmer verpflichtet wäre, die Echtheit von Verbraucherbewertungen zu prüfen. Wenn er nicht versucht, die Echtheit sicherstellzustellen, ist er allerdings verpflichtet, über diesen Umstand zu informieren. Außerdem ist es irreführend, mit Verbraucherbewertungen zu werben, die sich nicht auf den Unternehmer und/oder die angebotenen Waren oder Dienstleistungen beziehen.
Wesentliche Information
Mit der Veröffentlichung von Verbraucherbewertungen behauptet der Unternehmer konkludent, dass sie von Verbrauchern stammen, die die angebotenen Waren oder Dienstleistungen tatsächlich genutzt oder erworben haben. Ist dies nicht der Fall, ist die Werbung mit den Verbraucherbewertungen irreführend und verstößt gegen § 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG.
Ob die Verbraucherbewertungen sich auf das Unternehmen oder auf das allgemeine Waren- oder Dienstleistungsangebot des Unternehmers beziehen oder auf bestimmte Waren- oder Dienstleistungsgruppen oder auf ganz konkrete Waren oder Dienstleistungen, entscheidet der Unternehmer im Rahmen der Gestaltung seines Angebots. Ist der Bezugspunkt fehlerhaft, liegt wiederum ein Verstoß gegen § 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG vor.
§ 5b Abs. 3 UWG betrifft diese Fälle potentiell irreführender geschäftlicher Angaben nicht. Er fordert vom Unternehmer nur, dass er den Verbraucher darüber informiert, ob und wie er sicherstellt, dass die Bewertungen von Verbrauchern stammen, welche die Ware oder Dienstleistung tatsächlich erworben oder genutzt haben. Darüber zu informieren, stellt eine wesentliche Information im Sinne des § 5a Abs. 1 UWG dar.
Ob der Sicherstellung
§ 5b Abs. 3 UWG verpflichtet den Unternehmer nicht sicherzustellen, dass sich Verbraucherbewertungen auf die von ihm angebotenen Waren oder Dienstleistungen beziehen (Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen § 5b, Rn. 26). Wenn er eine Prüfung unterlässt, muss er aber darauf hinweisen (Peifer GRUR 2021, 1453, 1456). Außerdem läuft er Gefahr, dass Verbraucherbewertungen sich nicht auf von ihm angebotenen Waren oder Dienstleistungen beziehen. Das wäre dann irreführend.
Wie der Sicherstellung
Wenn der Unternehmer Maßnahmen ergreift, mit denen er sicherstellen will, dass sich Verbraucherbewertungen auf die ihm angebotene Waren oder Dienstleistungen beziehen, muss er über diese Maßnahmen informieren. Ob die Maßnahmen ausreichend sind, um einen Missbrauch der Werbung mit den Verbraucherbewertungen auszuräumen, ist nicht entscheidend (Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen § 5b, Rn. 27 verlangt 'angemessene und zumutbare Maßnahmen'). § 5b Abs. 3 UWG verlangt eine Information. Aus der Vorschrift kann keine Prüfpflicht abgeleitet werden, erst recht keine Prüfpflicht, die jeden Missbrauch mit Verbraucherbewertungen ausschließt.
Allerdings muss die Information über das Prüfverfahren ausreichend konkret sein, um einen Durchschnittsverbraucher die Beurteilung zu ermöglichen, ob er den Verbraucherbewertungen trauen kann oder nicht. Über den Inhalt gibt Erwägungsgrund 47 Aufschluss, der vorstehend zitiert wurde. Danach soll der Unternehmer darüber informieren, wie seine Prüfungen ablaufen, wie er sicherstellt, dass Prüfungen tatsächlich von Verbrauchern stammen, ob er alle Bewertungen — positive wie negative — veröffentlicht oder ob Bewertungen gesponsert oder sonst wie beeinflusst werden.
Black List
In Erwägungsgrund 49 der Richtlinie (EU) 2019/2161 heißt es:
"Gewerbetreibenden sollte auch untersagt sein, gefälschte Bewertungen und Empfehlungen von Verbrauchern, etwa „likes“ in sozialen Medien, abzugeben oder in ihrem Auftrag durch andere abgeben zu lassen, um Werbung für ihre Produkte zu machen, sowie Bewertungen und Empfehlungen von Verbrauchern zu manipulieren, indem etwa nur positive Bewertungen veröffentlicht, negative hingegen gelöscht werden. Eine derartige Praktik könnte auch durch Extrapolation von Empfehlungen erfolgen, wenn die positive Interaktion eines Nutzers mit einem bestimmten Online-Inhalt mit einem anderen, jedoch im Zusammenhang damit stehenden Inhalt verknüpft oder auf diesen übertragen wird, was den Anschein erweckt, der Nutzer befürworte auch den im Zusammenhang damit stehenden Inhalt."
Echtheit von Verbraucherbewertungen
Nach Nr. 23b des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG ist die "Irreführung über die Echtheit von Verbraucherbewertungen" unter allen Umständen unzulässig. Konkret heißt es dort:
Folgende geschäftliche Handlungen sind gegenüber Verbrauchern stets unzulässig:
23b Irreführung über die Echtheit von Verbraucherbewertungen
die Behauptung, dass Bewertungen einer Ware oder Dienstleistung von solchen Verbrauchern stammen, die diese Ware oder Dienstleistung tatsächlich erworben oder genutzt haben, ohne dass angemessene und verhältnismäßige Maßnahmen zur Überprüfung ergriffen wurden, ob die Bewertungen tatsächlich von solchen Verbrauchern stammen
Die Behauptung muss ausdrücklich erfolgen. Eine konkludente Behauptung reicht wegen des engen Anwendungsbereichs der per se-Verbote der Black List nicht aus (Peifer GRUR 2021, 1453, 1456).
Gefälschte Verbraucherbewertungen
Nach Nr. 23c des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG sind "gefälschte Verbraucherbewertungen" unter allen Umständen unzulässig. Konkret heißt es dort:
Folgende geschäftliche Handlungen sind gegenüber Verbrauchern stets unzulässig:
23c. gefälschte Verbraucherbewertungen
die Übermittlung oder Beauftragung gefälschter Bewertungen oder Empfehlungen von Verbrauchern sowie die falsche Darstellung von Bewertungen oder Empfehlungen von Verbrauchern in sozialen Medien zu Zwecken der Verkaufsförderung
OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.1.2024, 20 U 91/23, Tz. 37
Der Beklagte hat mit den streitbefangenen Bewertungen auf Facebook in sozialen Medien geworben und sie damit an Verbraucher gerichtet sowie diesen zugänglich gemacht. Darin liegt eine Übermittlung im Sinne des Nr. 23c des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG. In welcher Form und in welchem Medium die Übermittlung erfolgt, ist belanglos (vgl. Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 42. Auflage, Anh. zu § 3 Rn., 23c.3).
OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.1.2024, 20 U 91/23, Tz. 37
Die Übermittlung der Fake-Bewertungen erfolgte auch zu Zwecken der Verkaufsförderung. Insoweit ist nicht entscheidungserheblich, dass die Dienstleistungsangebote des Beklagten bzw. seiner Rechtsanwaltskanzlei nicht über die Facebook-Seite angeboten werden, auf denen die Fake-Bewertungen Verbrauchern zugänglich gemacht worden waren. Die „räumliche Trennung“ ändert nichts daran, dass die abgegebenen und mit Willen des Beklagten der Öffentlichkeit zugänglich gemachten Bewertungen eine für den Verbraucher wichtige Informationsquelle darstellen und geeignet sind, dessen Entscheidung über die Inanspruchnahme von Rechtsdienstleistungen des Beklagten bzw. dessen Rechtsanwaltskanzlei zu beeinflussen und damit den Absatz des Beklagten zu fördern.