Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 

§ 1 Abs. 1 PAngV: Gesamtpreisangabe

1. Gesetzestext

2. Richtlinienkonformität

a. Preisangaben für Waren (Erzeugnisse)

b. Preisangaben für Dienstleistungen

3. Tatbestandsvoraussetzungen

a. Verbraucher

b. Waren oder Leistungen

c. Anbieten oder werben

gewerbs- oder geschäftsmäßig oder regelmäßig in sonstiger Weise

d. Gesamtpreise

e. Verkaufs- oder Leistungseinheit und Gütebezeichnung

Gesetzestext

§ 1 Abs. 1 PAngV

Wer Verbrauchern gemäß § 13 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gewerbs- oder geschäftsmäßig oder wer ihnen regelmäßig in sonstiger Weise Waren oder Leistungen anbietet oder als Anbieter von Waren oder Leistungen gegenüber Verbrauchern unter Angabe von Preisen wirbt, hat die Preise anzugeben, die einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile zu zahlen sind (Gesamtpreise). Soweit es der allgemeinen Verkehrsauffassung entspricht, sind auch die Verkaufs- oder Leistungseinheit und die Gütebezeichnung anzugeben, auf die sich die Preise beziehen. Auf die Bereitschaft, über den angegebenen Preis zu verhandeln, kann hingewiesen werden, soweit es der allgemeinen Verkehrsauffassung entspricht und Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen.

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Richtlinienkonformität

Literatur: Köhler, “Haircut” bei der Preisangabenverordnung am 12. 06. 2013, WRP 2013, 723

Bei der Prüfung der Richtlinienkonformität des § 1 Abs. 1 PAngV muss zwischen Preisangaben für Waren einerseits und für Leistungen andererseits unterschieden werden.

Die Richtlinie 98/6/EG über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse (Preisangabenrichtlinie) bezieht sich nur auf Preisangaben für Erzeugnisse, nicht für Dienstleistungen.

BGH, Urt v. 10.11.2016, I ZR 29/15, Tz. 10 - Hörgeräteausstellung

Soweit die Vorschrift die Unternehmer zur Angabe der Endpreise einschließlich der Umsatzsteuer beim Warenhandel verpflichtet, hat sie ihre Grundlage in Art. 1 und 2 Buchst. a, Art. 3 und 4 Abs. 1 der Richtlinie 98/6/EG über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse.

Ebenso OLG Hamburg, Urt. v. 24.1.2019 , 3 U 130/18, II.2.a.bb; OLG Bamberg, Urt. v. 3.3.2021, 3 U 21/20

Daneben sind unter den jeweils in der jeweiligen Richtlinie genannten Voraussetzungen noch Art. 5 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr, Art. 7 Abs. 4 Nr. 3 der Richtlinie (EG) 2005/29 über unlautere Geschäftspraktiken  sowie die Art. 5 und 6 der Richtlinie 2011/83/EU über die Rechte der Verbraucher (vgl. OLG Hamburg, Urt. v. 24.1.2019 , 3 U 130/18, II.2.a.bb). Zum Verhältnis der Preisangabenrichtlinie zur UGP-Richtlinie:

BGH, Urt v. 10.11.2016, I ZR 29/15, Tz. 11 - Hörgeräteausstellung

Die Richtlinie 98/6/EG regelt im Zusammenhang mit der Angabe des Verkaufspreises von Erzeugnissen in Verkaufsangeboten besondere Aspekte im Sinne von Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG und geht damit den entsprechenden Vorschriften in der Richtlinie 2005/29/EG vor (EuGH, GRUR 2016, 945 Rn. 42 bis 45 - Citroën/ZLW). Die Bestimmung des § 1 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 PAngV hat danach ihre (alleinige) unionsrechtliche Grundlage in der Richtlinie 98/6/EG.

Preisangaben für Dienstleistungen sind in Art. 22 der Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt geregelt. Darüber hinaus gibt es noch Bestimmungen zu Preisen in weitere Richtlinien, die sich auf bestimmte Dienstleistungen beziehen, wie Art 23 I VO (EG) 1008/2008 über Luftverkehrsdienste; Art 36 ff, 46 ff Zahlungsdiensterichtlinie 2007/64/EG oder Art 3 und 4 der Richtlinie 2002/65/EG (Fernabsatzfinanzdienstleistungsrichtlinie). Für Dienstleistungen gilt darüber hinaus auch wiederum Art. 7 Abs. 4 Nr. 3 der Richtlinie (EG) 2005/29 über unlautere Geschäftspraktiken (vgl. OLG Hamburg, Urt. v. 24.1.2019 , 3 U 130/18, II.2.a.bb).

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Preisangaben für Waren (Erzeugnisse)

Preisangaben-Richtlinie

Art. 1

Diese Richtlinie regelt die Angabe des Verkaufspreises und des Preises je Maßeinheit bei Erzeugnissen, die Verbrauchern von Händlern angeboten werden; dadurch soll für eine bessere Unterrichtung der Verbraucher gesorgt und ein Preisvergleich erleichtert werden.

Artikel 2

Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

a) "Verkaufspreis" den Endpreis für eine Produkteinheit oder eine bestimmte Erzeugnismenge, der die Mehrwertsteuer und alle sonstigen Steuern einschließt;

d) "Händler" jede natürliche oder juristische Person, die unter ihre kommerzielle oder berufliche Tätigkeit fallende Erzeugnisse verkauft oder zum Verkauf anbietet;

e) "Verbraucher" jede natürliche Person, die ein Erzeugnis für Zwecke kauft, die nicht im Zusammenhang mit ihrer kommerziellen oder beruflichen Tätigkeit stehen.

Artikel 3

(1) Bei den in Artikel 1 bezeichneten Erzeugnissen sind der Verkaufspreis und der Preis je Maßeinheit anzugeben, wobei für die Angabe des Preises je Maßeinheit die Bestimmungen von Artikel 5 gelten. ...

(4) Bei jeglicher Werbung, bei der der Verkaufspreis der Erzeugnisse gemäß Artikel 1 genannt wird, ist vorbehaltlich des Artikels 5 auch der Preis je Maßeinheit anzugeben.

Ob § 1 Abs. 1 PAngV im Hinblick auf Preisangaben für Waren (Erzeugnisse) richtlinienkonform ist, is derzeit Gegenstand juristischer Diskussion. Die Vorschrift darf jedenfalls wegen § 3 Abs. 5 der UGP-Richtlinie (näheres dazu hier) keine strengeren Vorgaben für Preisangaben machen, als sie von der Richtlinie vorgesehen werden, auch wenn Art. 10 Preisangaben-Richtlinie den Mitgliedstaaten ursprünglich eigentlich strengere nationale Regelungen erlaubte. § 1 Abs. 1 PAngV muss möglichst richtlinienkonform ausgelegt werden.

Im Einzelnen:

  • Die Begriffe Gesamtpreis (vormals Endpreis) in § 1 Abs. 1 S. 1 PAngV und Verkaufspreis in Art. 3 PAngR  sind identisch zu verstehen
  • Die Begriffe Verbraucher in § 1 Abs. 1 S. 1 PAngV und Verbraucher in Art. 3 PAngRL sind identisch zu verstehen
  • Normadressat ("Wer ... anbietet") ist der Händler im Sinne der Definition des Art. 2 lit. d) PAngRL, die auch den Hersteller einschließt. Aus den Tatbestandsmerkmalen "gewerbs- oder geschäftsmäßig oder regelmäßig in sonstiger Weise" ergibt sich zum Händler iSd Art. 2 lit. d) keine Einschränkung oder Erweiterung des Anwendungsbereichs der Norm.
  • "Waren anbieten" in § 1 Abs. 1 S. 1 PAngV und "Erzeugnisse anbieten" in Art. 1 PAngRL sind identisch

Schwieriger ist der Abgleich der Wendung "Wer ... als Anbieter von Waren ... unter Angabe von Preisen wirbt" in § 1 Abs. 1 S. 1 PAngV. Das Pendant in der Preisangaben-Richtlinie ist Art. 3 Abs. 4, der aber nur anordnet, dass der Händler, der in der Werbung einen Gesamtpreis (= Verkaufspreis) nennt, auch den Preis je Maßeinheit (= Grundpreis gem. § 2 PAngV) anzugeben hat. Die deutsche Interpretation ging bei der Werbung mit der Angabe von Preisen bislang davon aus, dass der Gesamtpreis auch genannt werden muss, wenn in der Werbung nur irgendein Teilpreis erwähnt wurde. Diese Vorgabe lässt sich der Richtlinie aber nicht entnehmen (Köhler WRP 2013, 723, 725 f).

Eine gewisse Hilfe ist Art. 7 Abs. 4 lit. c) in Verbindung mit Art. 2 lit. c) und lit. i der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (= § 5 Abs. 3 UWG). Im Falle der Aufforderung zum Kauf muss der Preis einschließlich aller Steuern und Abgaben oder in den Fäl­len, in denen der Preis aufgrund der Beschaffenheit des Produkts vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden kann, die Art der Preisberechnung sowie gegebenenfalls alle zusätzlichen Fracht-, Liefer- oder Zustellkosten oder in den Fällen, in denen diese Kosten vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden können, die Tatsache, dass solche zusätzliche Kosten anfallen können, angegeben werden (dazu siehe hier). Eine Aufforderung zum Kauf liegt vor, wenn in der kommerziellen Kommunikation die Merkmale des Produkts und der Preis in einer Weise angegeben werden, die ... den Verbraucher ... in die Lage versetzt, einen Kauf zu tätigen. Daraus folgt: Wer den Preis der Ware nennt, muss den Gesamtpreis nennen.

Das heißt aber andererseits wieder nicht, dass der Gesamtpreis bei jeder Werbung mit einem Teilpreis genannt werden muss. Handelt es sich erkennbar um einen Teilpreis und liegt keine Aufforderung zum Kauf vor, besteht europarechtlich keine Pflicht zur Angabe des Gesamtpreises.

Der BGH hat die Frage, ob auch Werben mit Preisen ein Anbieten im Sinne der PreisangabenRL ist, mittlerweile dem EUGH vorgelegt: BGH, Beschl. v. 18.9.2014, I ZR 201/12 - Preis zuzüglich Überführung

§ 1 Abs. 1 S. 2 und S. 3 PAngV finden keine unmittelbare Entsprechung im europäischen Recht (Köhler WRP 2013, 723, 726). Ein Verstoß gegen diese Bestimmungen ist wohl nur noch unzulässig, wenn darin gleichzeitig eine Irreführung gem. Art. 6 Abs. 1 lit. d) der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken liegt (= Eignung zur Täuschung über den Preis, die Art der Preisberechnung oder das Vorhandensein eines besonderer Preisvorteils).

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Preisangaben für Dienstleistungen

Bezogen auf Dienstleistungen liest sich § 1 Abs. 1 S. 1 PAngV wie folgt:

Wer Verbrauchern gemäß § 13 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gewerbs- oder geschäftsmäßig oder wer ihnen regelmäßig in sonstiger Weise ... Leistungen anbietet oder als Anbieter von ... Leistungen gegenüber Verbrauchern unter Angabe von Preisen wirbt, hat die Preise anzugeben, die einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile zu zahlen sind (Gesamtpreise).

Die Preisangaben-Richtlinie gilt für Dienstleistungen nicht. Einschlägig ist zunächst die

Dienstleistungs-Richtlinie

Artikel 4 Begriffsbestimmungen

Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck:

1. "Dienstleistung" jede von Artikel 50 des Vertrags erfasste selbstständige Tätigkeit, die in der Regel gegen Entgelt erbracht wird;

2. "Dienstleistungserbringer" jede natürliche Person, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt, und jede in einem Mitgliedstaat niedergelassene juristische Person im Sinne des Artikels 48 des Vertrags, die eine Dienstleistung anbietet oder erbringt;

3. "Dienstleistungsempfänger" jede natürliche Person, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt oder die in den Genuss von Rechten aus gemeinschaftlichen Rechtsakten kommt, oder jede in einem Mitgliedstaat niedergelassene juristische Person im Sinne des Artikels 48 des Vertrags, die für berufliche oder andere Zwecke eine Dienstleistung in Anspruch nimmt oder in Anspruch nehmen möchte

Artikel 22 Informationen über die Dienstleistungserbringer und deren Dienstleistungen

(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Dienstleistungserbringer den Dienstleistungsempfängern folgende Informationen zur Verfügung stellen:

i) den Preis der Dienstleistung, falls der Preis für eine bestimmte Art von Dienstleistung im Vorhinein vom Dienstleistungserbringer festgelegt wurde;

(2) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die in Absatz 1 genannten Informationen nach Wahl des Dienstleistungserbringers:

a) vom Dienstleistungserbringer von sich aus mitgeteilt werden;

b) für den Dienstleistungsempfänger am Ort der Leistungserbringung oder des Vertragsabschlusses leicht zugänglich sind;

c) für den Dienstleistungsempfänger elektronisch über eine vom Dienstleistungserbringer angegebene Adresse leicht zugänglich sind;

d) in allen von den Dienstleistungserbringern den Dienstleistungsempfängern zur Verfügung gestellten ausführlichen Informationsunterlagen über die angebotene Dienstleistung enthalten sind.

(3) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Dienstleistungserbringer den Dienstleistungsempfängern auf Anfrage folgende Zusatzinformationen mitteilen:

a) falls der Preis nicht im Vorhinein vom Dienstleistungserbringer festgelegt wurde, den Preis der Dienstleistung oder, wenn kein genauer Preis angegeben werden kann, die Vorgehensweise zur Berechnung des Preises, die es dem Dienstleistungsempfänger ermöglicht, den Preis zu überprüfen, oder einen hinreichend ausführlichen Kostenvoranschlag;

(4) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Informationen, die der Dienstleistungserbringer gemäß diesem Kapitel zur Verfügung stellen oder mitteilen muss, klar und unzweideutig sind und rechtzeitig vor Abschluss des Vertrages oder, wenn kein schriftlicher Vertrag geschlossen wird, vor Erbringung der Dienstleistung bereitgestellt werden.

BGH, Urt. v. 14.1.2016, I ZR 61/14, Tz. 20 - Wir helfen im Trauerfall

Hat der Dienstleistungserbringer den Preis für eine bestimmte Art von Dienstleistung im Vorhinein festgelegt, muss er dem Dienstleistungsempfänger nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. i und Abs. 2 der Richtlinie 2006/123/EG den Preis der Dienstleistung zur Verfügung stellen. Hat der Dienstleistungserbringer den Preis für die Dienstleistung nicht im Vorhinein festgelegt, so muss er den Dienstleistungsempfängern nach Art. 22 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2006/123/EG auf Anfrage den Preis der Dienstleistung oder, wenn kein genauer Preis angegeben werden kann, die Vorgehensweise zur Berechnung des Preises mitteilen, die dem Dienstleistungsempfänger die Überprüfung des Preises ermöglicht, oder diesem einen Kostenvoranschlag zur Verfügung stellen. Nach Art. 22 Abs. 4 der Richtlinie 2006/123/EG müssen die mitzuteilenden Informationen - mithin auch der Preis - klar und unzweideutig sein und rechtzeitig vor Abschluss des Vertrags oder, wenn kein schriftlicher Vertrag geschlossen wird, vor Erbringung der Dienstleistung bereitgestellt werden.

Bei Preisangaben für Dienstleistungen für Verbraucher ist weiterhin Art. 7 Abs. 4 c) der UGP-Richtlinie zu beachten.

Im Falle der Aufforderung zum Kauf gelten folgende Informatio­ nen als wesentlich, sofern sie sich nicht unmittelbar aus den Umständen ergeben:

c) der Preis einschließlich aller Steuern und Abgaben oder in den Fäl­ len, in denen der Preis aufgrund der Beschaffenheit des Produkts vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden kann, die Art der Preisberechnung sowie gegebenenfalls alle zusätzlichen Fracht-, Liefer- oder Zustellkosten oder in den Fällen, in denen diese Kosten vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden können, die Tatsache, dass solche zusätzliche Kosten anfallen können

Zum Verhältnis beider Richtlinien:

BGH, Urt. v. 7.5.2015, I ZR 158/14, Tz. 21 - Der Zauber des Nordens

Soweit § 1 Abs. 1 Satz 1 PangV bestimmt, dass beim Angebot von oder der Werbung für Dienstleistungen der Preis anzugeben ist, hat diese nationale Regelung zwei eigenständige unionsrechtliche Grundlagen und zwar zum einen Art. 7 Abs. 4 Buchst. c der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken und zum anderen Art. 22 Abs. 1 Buchst. i, Abs. 2 und 3 Buchst. a, Abs. 4 der Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt.

Ebenso BGH, Urt. v. 14.1.2016, I ZR 61/14, Tz. 15 - Wir helfen im Trauerfall

BGH, Urt. v. 7.5.2015, I ZR 158/14, Tz. 24 - Der Zauber des Nordens

Informationspflichten für Dienstleistungserbringer regelt die Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt. Zwar ist diese Richtlinie im Anhang II der Richtlinie 2005/29/EG nicht ausdrücklich genannt. Sie ist jedoch ebenfalls zu beachten, da die Aufzählung im Anhang II - wie Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 2005/29/EG ausdrücklich bestimmt - nicht erschöpfend ist (vgl. Köhler, WRP 2013, 723, 724).

Ebenso BGH, Urt. v. 14.1.2016, I ZR 61/14, Tz. 19 - Wir helfen im Trauerfall

BGH, Urt. v. 7.5.2015, I ZR 158/14, Tz. 29 - Der Zauber des Nordens

Die Vorschriften über die Informationspflichten in Art. 7 Abs. 4 Buchst. c der Richtlinie 2005/29/EG einerseits und Art. 22 Abs. 1 Buchst. i, Abs. 2 und 3 Buchst. a, Abs. 4 der Richtline 2006/123/EG andererseits sind nebeneinander anwendbar. Zwar bestimmt Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG, dass bei einer Kollision von Bestimmungen der Richtlinie mit anderen Rechtsvorschriften der Gemeinschaft, die besondere Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken regeln, die Letzteren vorgehen und für diese besonderen Aspekte maßgebend sind. Ein solcher Kollisionsfall liegt in Bezug auf die hier in Rede stehenden Informationsanforderungen der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken und der Dienstleistungsrichtline jedoch nicht vor (vgl. Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen vom 3. Dezember 2009, Leitlinien zur Umsetzung/Anwendung der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken, SEK (2009) 1666, S. 22; Glöckner in Harte/Henning, UWG, 3. Aufl., Einl. B Rn. 124).  ... Die Bestimmung des Art. 7 Abs. 4 Buchst. c der Richtlinie 2005/29/EG wird danach durch die Bestimmungen der Art. 22 Abs. 1 Buchst. i, Abs. 2 und 3 Buchst. a, Abs. 4 der Richtline 2006/123/EG nicht verdrängt.

Ebenso BGH, Urt. v. 14.1.2016, I ZR 61/14, Tz. 21 - Wir helfen im Trauerfall. Vgl. auch OLG München, Urt. v. 15.5.2014, 6 U 3188/13, II.2.b.aa; KG, Urt. v. 23.09.14, 5 U 5/14; OLG Rostock, Beschl. v. 24.3.2014, 2 U 20/13, 1.a

Die Dienstleistungs-Richtlinie ist nicht auf Preisangaben gegenüber Verbrauchern beschränkt. Dieser überschießende Teil findet sich im deutschen Recht in Verordnung über Informationspflichten für Dienstleistungserbringer (DL-Info). Darin heißt es in § 4:

§ 4 Erforderliche Preisangaben

(1) Der Dienstleistungserbringer muss dem Dienstleistungsempfänger vor Abschluss eines schriftlichen Vertrages oder, sofern kein schriftlicher Vertrag geschlossen wird, vor Erbringung der Dienstleistung, folgende Informationen in klarer und verständlicher Form zur Verfügung stellen:

1. sofern er den Preis für die Dienstleistung im Vorhinein festgelegt hat, diesen Preis in der in § 2 Absatz 2 festgelegten Form,

2. sofern er den Preis der Dienstleistung nicht im Vorhinein festgelegt hat, auf Anfrage den Preis der Dienstleistung oder, wenn kein genauer Preis angegeben werden kann, entweder die näheren Einzelheiten der Berechnung, anhand derer der Dienstleistungsempfänger die Höhe des Preises leicht errechnen kann, oder einen Kostenvoranschlag.

(2) Absatz 1 findet keine Anwendung auf Dienstleistungsempfänger, die Letztverbraucher sind im Sinne der Preisangabenverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Oktober 2002 (BGBl. I S. 4197), die zuletzt durch Artikel 6 des Gesetzes vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2355) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung.

Aus § 4 Abs. 2 DL-Info ergibt sich, dass für Dienstleistungsangebote gegenüber Verbrauchern die Preisangabenverordnung und nicht die DL-Info gilt.

Im Ergebnis muss bei Preisangaben für Dienstleistungen differenziert werden. Die Vorschrift entspricht hinsichtlich des 'Angebots von Dienstleistungen' Art. 7 Abs. 4 iVm Art. 2 lit. c) und i) der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (= § 5 Abs. 3 UWG). Hinsichtlich der Werbung für Dienstleistungen unter der Angabe von Preisen, die noch nicht den Voraussetzungen einer 'Aufforderung zum Erwerb' entsprechen. Dieser Anwendungsbereich ist aber gering, da die Rechtsprechung den Begriff der 'Aufforderung zum Kauf' sehr weit versteht.

Andernfalls wäre § 1 Abs. 1 PAngV in Bezug auf Werbung für Dienstleistungen mit Preisen allerdings möglicherweise deshalb richtlinienkonform, weil Art. 22 Abs. 5 der Dienstleistungsrichtlinie bei Preisangaben für Dienstleistungen nationale Vorschriften erlaubt, die strenger sind als sie in der Richtlinie vorgegeben werden.

BGH, Urt. v. 7.5.2015, I ZR 158/14, Tz. 33 - Der Zauber des Nordens

Bei der Bestimmung des Art. 22 Abs. 5 Halbsatz 2 der Richtlinie 2006/123/EG handelt es sich um eine Mindestangleichungsklausel. Sie gestattet den Mitgliedstaaten, zusätzliche Informationsanforderungen für in ihrem Hoheitsgebiet niedergelassene Dienstleistungserbringer vorzuschreiben.

Ob diese Öffnungsklausel Art. 3 Abs. 5 (a.F.) der UGP-Richtlinie stand hält, weil die Dienstleistungsrichtlinie jünger ist als die UGP-Richtlinie, ist noch offen.

BGH, Urt. v. 14.1.2016, I ZR 61/14, Tz. 25 - Wir helfen im Trauerfall

Es kann offenbleiben, ob Art. 3 Abs. 5 Satz 1 (a.F.) der Richtlinie 2005/29/EG nationale Vorschriften wie § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV erfasst, die Mindestangleichungsklauseln in Richtlinien umsetzen, die - wie die Dienstleistungsrichtlinie - erst nach Inkrafttreten der Richtlinie 2005/29/EG erlassen worden sind (dafür Köhler, WRP 2013, 723, 724; ders. in Köhler/Bornkamm aaO Vorb PAngV Rn. 16a; Goldberg, WRP 2013, 1561, 1562; dagegen Omsels, WRP 2013, 1286 ff.; Kolb, Auswirkungen und Zusammenspiel der Übergangsklausel und des Spezialitätsgrundsatzes der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken am Beispiel der Preisangabenverordnung, Diss. Bayreuth 2015, S. 12 ff.).

Zur Rechtslage vor dem 13. Juni 2013:

BGH, Urt. v. 22.3.2012, I ZR 111/11, Tz. 9 f - Preisverzeichnis bei Mietwagenangebot

Da die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken insbesondere die von Unternehmern gegenüber Verbrauchern zu erfüllenden Informationspflichten abschließend regelt, kann ein Verstoß gegen eine entsprechende nationale Bestimmung eine Unlauterkeit nach § 4 Nr. 11 UWG zwar nur noch dann begründen, wenn diese Bestimmung eine Grundlage im Unionsrecht hat (vgl. Erwägungsgrund 15 Satz 2 der Richtlinie 2005/29/EG). Das ist hinsichtlich der Bestimmung des § 5 PAngV jedoch der Fall.

Nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Dienstleistungserbringer die Dienstleistungsempfänger über die von ihnen für bestimmte Arten von Dienstleistungen im Vorhinein festgelegten Preise informieren. Zwar können die Dienstleistungserbringer dabei nach Art. 22 Abs. 2 RL 2006/123/EG wählen, ob sie die Preise von sich aus mitteilen (Buchst. a) oder den Dienstleistungsempfängern am Ort der Leistungserbringung oder des Vertragsabschlusses oder elektronisch über eine von ihnen angegebene Adresse leicht zugänglich zur Verfügung stellen (Buchst. b und c) oder in allen von ihnen den Dienstleistungsempfängern zur Verfügung gestellten Informationsunterlagen über die angebotene Dienstleistung nennen (Buchst. d). Diese Regelung hindert die Mitgliedstaaten nach Art. 22 Abs. 5 RL 2006/123/EG aber nicht daran, für in ihrem Hoheitsgebiet niedergelassene Dienstleistungserbringer zusätzliche Informationsanforderungen vorzuschreiben. Die Bestimmung des Art. 22 RL 2006/123/EG hat bei diesen Dienstleistungserbringern daher lediglich eine Ergänzungsfunktion. Dementsprechend steht die Regelung des § 5 PAngV auch insoweit mit dem Unionsrecht in Einklang, als danach das Bereithalten von Preisverzeichnissen zur Einsichtnahme nur unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 PAngV ausreicht.

§ 1 Abs. 1 S. 2 und S. 3 PAngV finden keine unmittelbare Entsprechung im europäischen Recht (Köhler WRP 2013, 723, 726). Ein Verstoß gegen diese Bestimmungen ist wohl nur noch unzulässig, wenn darin gleichzeitig eine Irreführung gem. Art. 6 Abs. 1 lit. d) der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken liegt (= Eignung zur Täuschung über den Preis, die Art der Preisberechnung oder das Vorhandensein eines besonderer Preisvorteils).

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Tatbestandsvoraussetzungen

Verbraucher

Waren oder Leistungen

Anbieten oder werben

gewerbs- oder geschäftsmäßig oder regelmäßig in sonstiger Weise

Der Begriff entspricht nach Köhler, UWG, PAngV, Vorbemerkung, Rdn. 21 weitgehend dem Begriff der geschäftlichen Handlung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG. Dazu siehe hier.

Durch die Umschreibung "gewerbs- oder geschäftsmäßig oder regelmäßig in sonstiger Weise" werden private oder rein hoheitliche Handlungen oder betriebsinterne Vorgänge vom Anwendungsbereich der Vorschrift ausgenommen.

Soweit § 1 Abs. 1 PAngV seine Grundlage in Art. 7 Abs. 4 c) der UGP-Richtlinie hat, ist die Definition der 'Aufforderung zum Kauf' zu beachten.

Gesamtpreise

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Verkaufs- oder Leistungseinheit und Gütebezeichnung

Die Verkaufseinheit ist die Ware, auf die sich das konkrete Angebot bezieht. Die Leistungseinheit ist die Dienstleistung, die konkret angeboten wird. Die Gütebezeichnung benennt die Qualität, in der die konkrete Ware geliefert oder Dienstleistung erbracht werden soll, wenn es eine entsprechende Gütebezeichnung gibt.

§ 1 Abs. 1 S. 2 PAngV mit seinem Gebot, die Verkaufs- oder Leistungseinheit und Gütebezeichnung zu benennen, soweit dies der Verkehrsauffassung genügt, findet für Waren keine Grundlage in der Preisangaben-Richtlinie und für Dienstleistungen keine Grundlage in der Dienstleistungsrechtlinie. Sie sind deshalb wegen Art. 3 Abs. 5 (a.F.) der UGP-Richtlinie ab dem 12. Juni 2013 europarechtswidrig. Zur der Problematik siehe oben.

Hinsichtlich der Angabe der Leistungseinheit und Gütebezeichnung beim Angebot oder der Bewerbung von Dienstleistungen ist die Rechtslage allerdings noch nicht zweifelsfrei, weil die Dienstleistungsrichtlinie jünger ist als die UGP-Richtlinie und eine Öffnungsklausel für strengeres nationales Recht enthält. Es ist möglich, das Art. 3 Abs. 5 (a.F.) der UGP-Richtlinie auf jüngere Regelungen keine Anwendung finden.

Ansonsten kann die Angabe der Verkaufs- oder Leistungseinheit und Gütebezeichnung erforderlich sein, um eine Irreführung des angesprochenen Verkehrs und damit einen Verstoß gegen § 5 Abs. 1 UWG oder § 5a Abs. 1 UWG zu verhindern.

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Zitiervorschlag zur aktuellen Seite

Omsels, Online-Kommentar zum UWG:

http://www.webcitation.org/6SV6eoFBS