Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze

Ärzte


 

 

 

Berufsordnungen

Berufsordnungen bestehen für eine Reihe von Berufen. Im Mittelpunkt wettbewerbsrechtlicher Streitigkeiten stehen die Berufsordnungen für Rechtsanwälte, Steuerberater, Ärzte, Zahnärzte und Architekten.

Die Grundsätze zur Auslegung und Reichweite der einzelnen Berufsordnungen sind weitgehend gleich.

BVerfG, Beschl. v. 17.7.2003, 1 BvR 2115/02, Tz. 9

Den Angehörigen der freien Berufe ist nicht jede, sondern lediglich die berufswidrige Werbung verboten (vgl. BVerfGE 71, 162 <174>; 85, 248 <257>). Berufswidrig ist Werbung, die keine interessengerechte und sachangemessene Information darstellt (vgl. BVerfGE 82, 18 <28>). Dabei ist auf die Interessenlage der Ärzte ebenso wie auf das Informationsbedürfnis der Patienten abzustellen; sachangemessen sind verständliche Aussagen, die den möglichen Patienten nicht verunsichern (vgl. BVerfGE 71, 162 <174>), sondern ihn als mündigen Menschen befähigen, von der freien Arzt- und Klinikwahl sinnvollen Gebrauch zu machen.

BVerfG, Beschl. v. 7.3.2012, 1 BvR 1209/11, II. 1.dd

Werbebeschränkende Vorschriften in ... Berufsordnungen sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur verfassungsgemäß, sofern sie nicht jede, sondern lediglich die berufswidrige Werbung untersagen (vgl. BVerfGE 85, 248 ). Für interessengerechte und sachangemessene Informationen, die keinen Irrtum erregen, muss dagegen im rechtlichen und geschäftlichen Verkehr Raum bleiben (vgl. BVerfGE 85, 248 ). Daher darf einem Arzt oder Zahnarzt die Verwendung einer bestimmten Bezeichnung zur Beschreibung seiner beruflichen Tätigkeit nur verboten werden, wenn die Benutzung der Formulierung im konkreten Fall irreführend oder sachlich unangemessen ist, etwa weil sie das notwendige Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient gefährdet (vgl. auch BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 14. Juli 2011 - 1 BvR 407/11 ).

EuGH, Urt. v. 4.5.2017, C 339/15, Tz. 32 f - Vanderborght

In Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 ist der Grundsatz festgelegt, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die Verwendung kommerzieller Kommunikationen, die Bestandteil eines von einem Angehörigen eines reglementierten Berufs angebotenen Dienstes der Informationsgesellschaft sind oder einen solchen Dienst darstellen, gestattet ist.

Nach Art. 2 Buchst. g der Richtlinie 2000/31 in Verbindung mit Art. 1 Buchst. f der Richtlinie 92/51, auf den in der erstgenannten Bestimmung verwiesen wird, ist als „reglementierter Beruf“ insbesondere eine berufliche Tätigkeit anzusehen, bei der die Aufnahme oder die Ausübung durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften an den Besitz eines Ausbildungs- oder Befähigungsnachweises gebunden ist.

EuGH, Urt. v. 4.5.2017, C 339/15, Tz. 39 ff - Vanderborght

Die Werbung für Leistungen der Mund- und Zahnversorgung über eine Website, die von einem Angehörigen eines reglementierten Berufs erstellt wurde, ist eine kommerzielle Kommunikation ist, die im Sinne von Art. 8 der Richtlinie 2000/31 Bestandteil eines Dienstes der Informationsgesellschaft ist bzw. einen solchen Dienst darstellt.

Folglich sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, sicherzustellen, dass solche kommerziellen Kommunikationen grundsätzlich erlaubt sind.

Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 soll es Angehörigen eines reglementierten Berufs nämlich gerade ermöglichen, Dienste der Informationsgesellschaft zu nutzen, um ihre Tätigkeiten zu fördern.

Aus dieser Bestimmung ergibt sich allerdings, dass kommerzielle Kommunikationen wie die in Rn. 39 des vorliegenden Urteils genannten nur unter der Bedingung erlaubt werden dürfen, dass die berufsrechtlichen Regeln, insbesondere zur Wahrung von Unabhängigkeit, Würde und Ehre des betreffenden reglementierten Berufs, des Berufsgeheimnisses und eines lauteren Verhaltens sowohl gegenüber Kunden als auch gegenüber Berufskollegen, eingehalten werden.

Die in dieser Bestimmung genannten berufsrechtlichen Regeln können jedoch nicht jegliche Form der Online-Werbung zur Förderung der Tätigkeit einer Person, die einen reglementierten Beruf ausübt, allgemein und ausnahmslos verbieten, da der Bestimmung sonst ihre Wirksamkeit genommen und die Erreichung des vom Unionsgesetzgeber verfolgten Ziels vereitelt würde. ...

Folglich können berufsrechtliche Regeln zwar Inhalt und Form der in Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 genannten kommerziellen Kommunikationen wirksam eingrenzen, sie dürfen aber kein allgemeines und ausnahmsloses Verbot dieser Art von Kommunikationen enthalten.


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