Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 

Absatzmarkt

OLG München, Urt. v. 5.12.2019, 29 U 3149/18, Tz. 24 - Grenzbeschlagnahmte Modellautos

Erfolgt eine Behinderung  durch die Errichtung von Vertriebshindernissen, sind derartige Maßnahmen stets unlauter, wenn sie nur den Zweck haben können, den Vertrieb des Mitbewerbers zu behindern oder auszuschalten. Das ist immer dann anzunehmen, wenn kein sachlicher Grund für die Maßnahme erkennbar ist. In allen anderen Fällen kommt es darauf an, ob die Behinderung dazu führt, dass der betroffene Mitbewerber seine Leistung am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr angemessen zur Geltung bringen kann. Dazu bedarf es einer Gesamtwürdigung der Umstände unter Berücksichtigung der Interessen der Mitbewerber, Verbraucher und sonstigen Marktteilnehmer sowie der Allgemeinheit.

Auf dem Absatzmarkt versucht der Unternehmer, seine Waren oder Dienstleistungen an die Frau oder den Mann zu bringen. Die Rechtmäßigkeit der Mittel, die er dabei einsetzt, beurteilt sich nach den einzelnen Tatbeständen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) (Irreführung, übertriebenes Anlocken etc.).

Zur Behinderung des Absatzes bei Amazon durch Anlegen eines neuen Produkts, dem eine Zugabe beigefügt wird:

OLG Köln, Urt. v. 30.8.2024, 6 U 25/24, Tz. 32 ff (WRP 2024, 1380)

Nach den vorgelegten Richtlinien von Amazon für die Erstellung von Amazon Standard-Identifikationsnummern, kurz ASIN (…), darf ein Produkt nur einmal unter einer solchen „ASIN“ angeboten werden. Dies hat zur Folge, dass der erste Anbieter eines bestimmten Produktes ein Angebot erstellen muss, an das sich weitere Anbieter „anhängen“ können, aber auch dürfen und müssen. Den weiteren Anbietern ist es hiernach untersagt, für dasselbe Produkt ein neues Angebot unter einer neuen ASIN zu erstellen. Hierzu heißt es in den Richtlinien:

„Die Erstellung einer neuen ASIN für ein Produkt, das bereits im Amazon-Katalog vorhanden ist, ist nicht gestattet und kann nach den vorgenannten Bedingungen dazu führen, dass dem betreffenden Händler die Verkaufsberechtigung oder die Berechtigung für die Erstellung von ASINs vorübergehend oder dauerhaft entzogen wird“.

Dies hat …zur Folge, dass der erste Anbieter eines bestimmten Produkts durch die Gestaltung des ersten Angebots, mit dem die ASIN angelegt wird, zahlreiche Vorgaben machen kann, insbesondere als Markeninhaber. So kann er eine eigene Marke in das mit der ASIN verknüpfte Angebot dergestalt einpflegen, dass diese zwingend bei weiteren Angeboten von anderen Verkäufern, die denselben Artikel auf der Plattform anbieten wollen, ebenfalls erscheint, wodurch diese sich aber der Gefahr einer Markenverletzung aussetzen. Hierdurch kann die Beklagte die Angebote für eine bestimmte Produktkategorie für sich monopolisieren und Wettbewerber faktisch ausschließen, zumal sie es nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers (…) in der Hand hat, ob sie Anträge von Mitbewerbern auf Freischaltung für das „Anhängen“ an ein von ihr erstelltes Angebot positiv bescheidet. Anders als in der  Senatsentscheidung vom 26.3.2021, 6 U 11/21 – American Food and Drinks besteht zwar im Ausgangspunkt insofern ein Anlass für die Nennung der Marke „Benefux“, als die Beigabe Erfrischungstuch mit dieser Marke gekennzeichnet ist. Gleichwohl besteht unter den Umständen des Streitfalls kein rechtfertigender Grund für dessen Aufnahme in Artikelbild und Beschreibung, nachdem es sich nach dem objektiven Erscheinungsbild um eine in keinem sachlichen Zusammenhang mit dem Produkt selbst stehende Beigabe mit dem Markenaufdruck der Beklagten handelt. Insbesondere kann nicht angenommen werden, dass ihr ein solches Kopplungsangebot im Interesse der Wettbewerbsfreiheit ermöglicht werden müsste, nachdem sie im Streitfall weder dargelegt hat noch erkennbar wäre, inwieweit die Beigabe eines Artikels mit einem Wert im Cent-Bereich, zumal mit einer weitgehend unbekannten Marke, einen verkaufsfördernden Effekt herbeiführen sollte. Vielmehr verstößt die Beklagte hiermit auch gegen die ASIN-Richtlinien von Amazon, in denen folgende Verhaltensweise als Missbrauch von Varianten von ASINs gekennzeichnet wird (…): ...

In die Fallgruppe der gezielten Behinderung gehören Verhaltensweisen, durch die der Konkurrent in unfairer Weise in seiner Werbung und der Realisierung seines Werbeerfolgs, dem Absatz, seinem Streben nach neuen Kunden oder in der Bewahrung seines Kundenstamms behindert wird.

Die weiteren einschlägigen Fallgestaltungen einer möglichen gezielten Behinderung auf dem Absatzmarkt werden an anderer Stelle erörtert. Siehe dazu