Die LebensmittelkennzeichnungsVO wurde mit Wirkung zum 13. Dezember 2013 von der EU-Lebensmittelinformationsverordnung abgelöst. Zur Auslegung dieser Verordnung kann u.U. auf die Rechtsprechung zur LMKV zurückgegriffen werden, die ihrerseits ihre Grundlage im europäischen Recht, nämlich der Ettikettierungsrichtlinie hatte.
b. Verwendung widersprüchlicher Verkehrsbezeichnungen
a. Mengenkennzeichnung von Zutaten
6. Zusätzliche Angaben auf Lebensmitteln
Anwendungsbereich
§ 1 Abs. 1 LMKVO
Diese Verordnung gilt für die Kennzeichnung von Lebensmitteln in Fertigpackungen im Sinne des § 6 Abs. 1 des Eichgesetzes, die dazu bestimmt sind, an Verbraucher (§ 3 Nr. 4 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches) abgegeben zu werden. Dem Verbraucher stehen Gaststätten, Einrichtungen zur Gemeinschaftsverpflegung sowie Gewerbetreibende, soweit sie Lebensmittel zum Verbrauch innerhalb ihrer Betriebsstätte beziehen, gleich.
(2) Diese Verordnung gilt nicht für die Kennzeichnung von Lebensmitteln in Fertigpackungen, die in der Verkaufsstätte zur alsbaldigen Abgabe an den Verbraucher hergestellt und dort, jedoch nicht zur Selbstbedienung, abgegeben werden.
BayVGH, Beschl. v. 15.7.2013, 9 CS 13.599, Tz. 5f
Für eine Subjektivierung dieses Merkmals „zur alsbaldigen Abgabe an den Verbraucher“ liefert die Formulierung von § 1 Abs. 2 LMKV keine Anhaltspunkte. … Für die „alsbaldige“ Abgabe müssen unabhängig von der Absicht des Verpackers objektive Maßstäbe gelten.
Hinsichtlich der Zeitspanne, die noch als „alsbaldig“ anzusehen ist, muss eine einheitliche, objektive Grenze erkannt werden, die bereits nach dem Sprachgebrauch zwei Tage nicht überschreiten dürfte. Ein je nach Warenart differenzierter Zeitraum würde nicht nur zu tiefgreifenden Vollzugsproblemen führen, sondern letztlich die von der Verordnung vorgesehene Kennzeichnungspflicht in wesentlichen Teilen leerlaufen lassen. Es spricht deshalb viel für die … Auffassung, eine Fertigpackung sei nur dann zur alsbaldigen Abgabe an den Verbraucher bestimmt, wenn sie noch am gleichen oder spätestens am nächsten Tag verkauft werden soll (vgl. Zipfel/Rathke, § 1 LMKV Rn. 18/19).
Marktverhaltensregel
BGH, Urt. v. 22.11.2012, I ZR 72/11, Tz. 19 - Barilla
Die lebensmittelrechtlichen Kennzeichnungsvorschriften § 3 Abs. 1 Nr. 3 und 4, Abs. 3 Sätze 1 und 2 LMKV, § 7 Abs. 2 LMKV sind Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG. Sie dienen der Information und Aufklärung der Verbraucher über ernährungsund gesundheitsbezogene Aspekte der Lebensmittel.
Ebenso BGH, Urt. v. 9.10.2014, I ZR 162/13; Tz. 38 - Combiotik
Verkehrsbezeichnung
BGH, Urt. v. 9.10.2014, I ZR 162/13, Tz. 47 - Combiotik
Für die Annahme einer Verkehrsbezeichnung gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 LMKV kommt es auf die tatsächlich festzustellende Verkehrsüblichkeit einer Bezeichnung an.
OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 23.10.2012, 13 B 986/12, Tz. 33
Die Verkehrsbezeichnung eines Lebensmittels in Fertigpackungen, die zu den obligatorischen Kennzeichnungselementen eines Lebensmittels gehört, vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 LMKV, ist die in Rechtsvorschriften festgelegte Bezeichnung oder, wenn sie wie hier - fehlt, die nach allgemeiner Verkehrsauffassung übliche Bezeichnung (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 LMKV) oder eine Beschreibung des Lebensmittels und erforderlichenfalls seiner Verwendung, die es dem Verbraucher ermöglicht, die Art des Lebensmittels zu erkennen und es von verwechselbaren Erzeugnissen zu unterscheiden (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 LMKV). Abweichend davon gilt als Verkehrsbezeichnung für ein Lebensmittel ferner die Bezeichnung, unter der das Lebensmittel in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) rechtmäßig hergestellt und rechtmäßig in den Verkehr gebracht wird (§ 4 Abs. 2 Satz 1 LMKV).
Übliche Bezeichnung
BGH, Urt. v. 9.10.2014, I ZR 162/13, Tz. 43 - Combiotik
Die Bezeichnung einer Zutat ist nach allgemeiner Verkehrsauffassung - das heißt nach der Anschauung aller am Verkehr mit dem Lebensmittel beteiligten Kreise, zu denen die Lebensmittel- und Ernährungswirtschaft, der Handel und die Verbraucher rechnen - nur insoweit als üblich anzusehen, als die Zutat aufgrund der Bezeichnung eindeutig und unmissverständlich identifiziert werden kann (vgl. OVG Lüneburg, LMRR 2010, 32; LG Mainz, LMRR 2001, 76; Hagenmeyer, LMKV, 2. Aufl., § 4 Rn. 11; Rathke in Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, C 110, 145. Lfg. Juli 2011, § 4 LMKV Rn. 10). Für die Verkehrsüblichkeit einer Bezeichnung sprechen vor allem regelmäßiger und weit verbreiteter Gebrauch, über den unter anderem Koch- und Fachwörterbücher, Lexika und die Leitsätze der Deutschen Lebensmittelbuchkommission Aufschluss geben können (vgl. Hagenmeyer aaO § 4 Rn. 11 f.).
VGH Baden-Württemberg Beschl. v. 29.10.2012, 9 S 1353/11, Tz. 6
Eine Bezeichnung ist nur dann als üblich im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 LMKV anzusehen, wenn aufgrund der allgemeinen Verkehrsauffassung die Zuordnung des Lebensmittels zu dieser Bezeichnung eindeutig ist. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn in den nach § 15 LFGB beschlossenen Leitsätzen der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission Bezeichnungen für Lebensmittel definiert werden. Die Leitsätze stellen zwar keine Rechtsvorschriften dar, die aufgelisteten Bezeichnungen bringen aber regelmäßig die nach allgemeiner Verkehrsauffassung üblichen Bezeichnungen zum Ausdruck.
Verwendung widersprüchlicher Verkehrsbezeichnungen
OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 23.10.2012, 13 B 986/12, Tz. 35 - Formfleisch-Vorderschinken
Die in Rede stehende Verkehrsbezeichnung erweist sich als widersprüchlich und damit irreführend. Denn für den aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher ist nicht erkennbar, welcher Produktart (gewachsener Schinken oder aus Fleischstücken zusammengesetztes Erzeugnis) das in Rede stehende Lebensmittel tatsächlich zuzuordnen ist. Dem Einwand der Antragstellerin, aufgrund der Hervorhebung der Bezeichnung "Formfleisch-Vorderschinken, zerkleinert und gepökelt, ohne Speck und Schwarte, gekocht" erkenne der Verbraucher, dass es sich um ein Formfleischerzeugnis handele, ist nicht zu folgen. Die genannte Bezeichnung ist in im Verhältnis zum Begriff "Vorderschinken" deutlich verkleinerter Schrift gedruckt, während der Begriff "Vorderschinken" zugleich durch Fettdruck noch weiter optisch hervorgehoben wird. Dies könnte dem Verbraucher sogar zu Unrecht suggerieren, es handele sich bei dem Produkt um Kochpökelware von gehobener Qualität. Ungeachtet dessen erschließt sich aber auch einem Verbraucher, der gewissenhaft die Gesamtaufmachung des Produkts in den Blick nimmt, angesichts der widersprüchlichen Beschreibung nicht, um welche Art von Fleischerzeugnis es sich bei dem streitgegenständlichen Produkt konkret handelt.
Zutaten
BGH, Urt. v. 22.11.2012, I ZR 72/11, Tz. 20 f - Barilla
Nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 LMKV dürfen Lebensmittel in Fertigpackungen gewerbsmäßig nur in Verkehr gebracht werden, wenn das Verzeichnis der Zutaten nach Maßgabe der §§ 5, 6 LMKV angegeben ist. Die Angaben sind nach § 3 Abs. 3 Sätze 1 und 2 LMKV auf der Fertigpackung oder einem mit ihr verbundenen Etikett an gut sichtbarer Stelle, leicht verständlich, deutlich lesbar und unverwischbar in deutscher oder einer anderen leicht verständlichen Sprache, durch die die Information des Verbrauchers nicht beeinträchtigt wird, anzubringen.
Gegen diese Kennzeichnungspflicht hat die Beklagte ... verstoßen. Auf den Packungen findet sich im Hinblick auf die Zutaten nur die in italienischer Sprache gehaltene Angabe "Pasta di semola di grano duro". Diese Verpackungsaufschrift wird der inländische Durchschnittsverbraucher nicht verstehen, weil er nicht über die erforderlichen Kenntnisse der italienischen Sprache verfügt.
BGH, Urt. v. 9.10.2014, I ZR 162/13, Tz. 49 f - Combiotik
Gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 LMKV ist eine Beschreibung der Zutat und erforderlichenfalls ihrer Verwendung vorzunehmen, die es dem Verbraucher ermöglicht, die Art der Zutat zu erkennen und sie von verwechselbaren Erzeugnissen zu unterscheiden.
Hierfür ist erforderlich, dass der Verbraucher aufgrund der Beschreibung unproblematisch verstehen kann, um was für eine Zutat es sich handelt. Zum Ausdruck kommen muss die charakteristische Besonderheit der Zutat, aufgrund derer sie sich von ähnlichen und deshalb verwechselbaren Erzeugnissen unterscheidet. Die charakteristischen Merkmale der Zutat ergeben sich aus dem Verwendungszweck und den damit zusammenhängenden Gesichtspunkten, die Auswirkungen auf die Wertbestimmung und den Geschmack haben. Dabei ist der Sinn und Zweck des Zutatenverzeichnisses zu berücksichtigen. Gemäß Erwägungsgrund 8 der Richtlinie 2000/13/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür, deren Umsetzung die Lebensmittel- Kennzeichnungsverordnung dient (vgl. BGH, GRUR 2014, 1013 Rn. 26 - Original Bach-Blüten), sollen die Angaben dem Verbraucher ermöglichen, sachkundig eine Wahl zu treffen. Der Verbraucher ist deshalb möglichst objektiv und umfassend über die Zusammensetzung des Lebensmittels zu unterrichten. Dabei ist zu prüfen, ob die verwendete Bezeichnung für die eindeutige Identifizierung der betreffenden Zutat ausreicht. Die Angabe eines bloßen Oberbegriffs für eine bestimmte Gattung, der die konkrete Zutat nicht identifiziert oder individualisiert, genügt - wie für eine Verkehrsbezeichnung im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 1 LMKV - nicht. Dass eine möglichst weitgehende Konkretisierung erforderlich ist und die Verwendung bloßer Oberbegriffe nicht ausreicht, ergibt sich auch aus § 5 Abs. 1 Satz 2 LMKV. Danach gelten bei einer Zutat, die aus mehreren Zutaten besteht (zusammengesetzte Zutat), letztere als Zutaten des Lebensmittels.
BGH, Urt. v. 9.10.2014, I ZR 162/13, Tz. 54 - Combiotik
Die Bestimmung des § 4 Abs. 1 Nr. 2 LMKV verlangt, dass verwechselbare Zutaten aufgrund ihrer Verkehrsbezeichnung unterscheidbar werden. Eine weitergehende Voraussetzung dahingehend, dass der Durchschnittsverbraucher bereits über hinreichende Vorkenntnisse über unterschiedliche Eigenschaften oder Wirkungen der unterscheidbaren Zutaten verfügt, lässt sich dem Gesetzeswortlaut nicht entnehmen.
Mengenkennzeichnung von Zutaten
Siehe § 8 LMKV
OLG Köln, Urt. v. 23,8.2013, 6 U 41/13, Tz. 13
Bei § 8 LMKV handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung im Sinn des § 4 Nr. 11 UWG (vgl. BGH, Urt. v. 22.11.2012, I ZR 72/11, Tz. 19 - Barilla).
OLG Köln, Urt. v. 23,8.2013, 6 U 41/13, Tz. 9
Wenn ein Bestandteil in der Produktbezeichnung enthalten ist, muss seine Menge grundsätzlich gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 LMKV in Gewichtshundertteilen (Prozent) angegeben werden. Es kommt nicht darauf an, ob die anderen Bestandteile als „Zutaten“ im Sinn der LMKV angabepflichtig sind.
Ausnahmen
OLG Köln, Urt. v. 23,8.2013, 6 U 41/13, Tz. 10
Bei einem „Quasi-Mono-Produkt“ kann die Angabe des Gewichtsanteils nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 d) LMKV entfallen. Nach Nr. 21 der „Allgemeinen Leitlinien für die Umsetzung des Grundsatzes der mengenmäßigen Angabe der Lebensmittelzutaten (QUID) - Artikel 7 der der Richtlinie 79/112/EWG in der Fassung der Richtlinie 97/4/EG“ kann bei bestimmten Produkten („Monoprodukten“) die Angabe entfallen; als solche Erzeugnisse werden (nicht abschließend) Malzwhisky, Liköre/Obstschnäpse und Roggenbrot („ausschließlich mit Roggenmehl zubereitet“) genannt. Bei Roggenbrot ist daher die Angabe „100% Roggen“ nicht erforderlich. In der Literatur wird vertreten, dies gelte auch für sogenannte „Quasi-Mono-Produkte“, die bis zu 90% aus einem Hauptbestandteil bestehen würden.
OLG Köln, Urt. v. 23,8.2013, 6 U 41/13, Tz. 12
Die Ausnahme des § 8 Abs. 2 Nr. 1 d) LMKV nimmt ihrem Wortlaut nach auf Zutaten Bezug, die in der Verkehrsbezeichnung aufgeführt sind, mithin auf § 8 Abs. 1 Nr. 1 LMKV. Daraus ist zu folgern, dass sie in den Fällen des § 8 Abs. 1 Nr. 3 LMKV (besonders hervorgehobene Zutat) nicht gilt.
Mindesthaltbarkeitsdatum
BGH, Urt. v. 22.11.2012, I ZR 72/11, Tz. 25 - Barilla
Die Angabe "Mindestens haltbar bis Ende: siehe Packung …" genügt nicht den Anforderungen an das Mindesthaltbarkeitsdatum nach § 3 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 1 und 2, § 7 Abs. 2 LMKV genügt. Die Angabe auf den Etiketten reicht nicht aus, weil ein Hinweis auf die konkrete Stelle fehlt, an der sich das Mindesthaltbarkeitsdatum findet. Der unspezifische Hinweis auf die gesamte Verpackung entspricht nicht § 7 Abs. 2 Satz 2 LMKV.
Zusätzliche Angaben auf Lebensmitteln
BGH, Urt. v. 13.9.2012, I ZR 230/11, Tz. 50 – Biomineralwasser
Die Bestimmungen der §§ 3, 4 LMKV stehen zusätzlichen Angaben wie Hinweisen auf eine besondere Qualität oder besondere Beschaffenheit nicht entgegen. Eine Ergänzung verkehrsüblicher Bezeichnungen im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 1 LMKV mit beschreibenden Angaben, Hersteller- oder Handelsmarken oder auch Phantasiebezeichnungen ist zulässig, soweit der Verkehr dadurch nicht irregeführt wird. Dasselbe gilt auch für gesetzlich festgelegte Verkehrsbezeichnungen im Sinne von § 4 Abs. 1 LMKV. Auch insoweit kann das Informationsbedürfnis des Verbrauchers durch zusätzliche Angaben besser befriedigt werden, sofern dadurch keine Fehlvorstellungen über den Inhalt des in der Fertigpackung angebotenen Lebensmittels erzeugt werden.
Bagatellverstöße
[tooltip content="Zur Verfügung gestellt vom Justizportal Nordrhein-Westfalen (www.nrw.de)" url="" ]OLG Köln, Urt. v. 23.8.2013, 6 U 41/13, Tz. 14[/tooltip]
Der Verstoß beeinträchtigt auch die Entscheidungsfindung der Verbraucher spürbar. Bei der Verletzung von Informationspflichten gegenüber Verbrauchern, die ihre Grundlage im Unionsrecht haben, beurteilt sich die geschäftliche Relevanz nach § 3 Abs. 2 S. 1 UWG. Werden Informationen vorenthalten, die das Unionsrecht als wesentlich einstuft, ist zugleich geklärt, dass das Erfordernis der Spürbarkeit nach § 3 Abs. 2 S. 1 UWG erfüllt ist. Die Richtlinie 2000/13/EG wird zwar nicht im Anhang II der UGP-Richtlinie aufgeführt; die dort enthaltene Liste der als wesentlich geltenden Informationspflichten ist aber ausdrücklich nicht erschöpfend (Art. 7 Abs. 5 UGP-RL).
Zitiervorschlag zur aktuellen Seite
Omsels, Online-Kommentar zum UWG: