5. Gegenstand der Apothekenpflicht
Gesetzestext
§ 43 Apothekenpflicht, Inverkehrbringen durch Tierärzte
(1) Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1, die nicht durch die Vorschriften des § 44 oder der nach § 45 Abs. 1 erlassenen Rechtsverordnung für den Verkehr außerhalb der Apotheken freigegeben sind, dürfen außer in den Fällen des § 47 berufs- oder gewerbsmäßig für den Endverbrauch nur in Apotheken und ohne behördliche Erlaubnis nicht im Wege des Versandes in den Verkehr gebracht werden; das Nähere regelt das Apothekengesetz. Außerhalb der Apotheken darf außer in den Fällen des Absatzes 4 und des § 47 Abs. 1 mit den nach Satz 1 den Apotheken vorbehaltenen Arzneimitteln kein Handel getrieben werden. Die Angaben über die Ausstellung oder Änderung einer Erlaubnis zum Versand von Arzneimitteln nach Satz 1 sind in die Datenbank nach § 67a einzugeben.
(2) Die nach Absatz 1 Satz 1 den Apotheken vorbehaltenen Arzneimittel dürfen von juristischen Personen, nicht rechtsfähigen Vereinen und Gesellschaften des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts an ihre Mitglieder nicht abgegeben werden, es sei denn, dass es sich bei den Mitgliedern um Apotheken oder um die in § 47 Abs. 1 genannten Personen und Einrichtungen handelt und die Abgabe unter den dort bezeichneten Voraussetzungen erfolgt.
(3) Auf Verschreibung dürfen Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 nur von Apotheken abgegeben werden. § 56 Abs. 1 bleibt unberührt.
(4) Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 dürfen ferner im Rahmen des Betriebes einer tierärztlichen Hausapotheke durch Tierärzte an Halter der von ihnen behandelten Tiere abgegeben und zu diesem Zweck vorrätig gehalten werden. Dies gilt auch für die Abgabe von Arzneimitteln zur Durchführung tierärztlich gebotener und tierärztlich kontrollierter krankheitsvorbeugender Maßnahmen bei Tieren, wobei der Umfang der Abgabe den auf Grund tierärztlicher Indikation festgestellten Bedarf nicht überschreiten darf. Weiterhin dürfen Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1, die zur Durchführung tierseuchenrechtlicher Maßnahmen bestimmt und nicht verschreibungspflichtig sind, in der jeweils erforderlichen Menge durch Veterinärbehörden an Tierhalter abgegeben werden. Mit der Abgabe ist dem Tierhalter eine schriftliche Anweisung über Art, Zeitpunkt und Dauer der Anwendung auszuhändigen.
(5) Zur Anwendung bei Tieren bestimmte Arzneimittel, die nicht für den Verkehr außerhalb der Apotheken freigegeben sind, dürfen an den Tierhalter oder an andere in § 47 Abs. 1 nicht genannte Personen nur in der Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke oder durch den Tierarzt ausgehändigt werden. Dies gilt nicht für Fütterungsarzneimittel und für Arzneimittel im Sinne des Absatzes 4 Satz 3. Abweichend von Satz 1 dürfen Arzneimittel, die ausschließlich zur Anwendung bei Tieren, die nicht der Gewinnung von Lebensmitteln dienen, zugelassen sind, von Apotheken, die eine behördliche Erlaubnis nach Absatz 1 haben, im Wege des Versandes abgegeben werden. Ferner dürfen in Satz 3 bezeichnete Arzneimittel im Rahmen des Betriebs einer tierärztlichen Hausapotheke im Einzelfall in einer für eine kurzfristige Weiterbehandlung notwendigen Menge für vom Tierarzt behandelte Einzeltiere im Wege des Versandes abgegeben werden. Sonstige Vorschriften über die Abgabe von Arzneimitteln durch Tierärzte nach diesem Gesetz und der Verordnung über tierärztliche Hausapotheken bleiben unberührt.
(6) Arzneimittel dürfen im Rahmen der Übergabe einer tierärztlichen Praxis an den Nachfolger im Betrieb der tierärztlichen Hausapotheke abgegeben werden.
Marktverhaltensregel
OLG München, Urt. v. 15.3.2012, 29 U 3438/11, II.1.a.bb (= A&R 2012, 142 (S))
Bei § 43 AMG handelt es sich um eine gesetzliche Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG.
Ebenso OLG Celle, Beschl. v. 8.5.2017, 13 U 35/17, Tz. 13; OLG Karlsruhe, Urt. v. 29.5.2019, 6 U 36/188, Tz. 57
Richtlinienkonformität
OLG München, Urt. v. 15.3.2012, 29 U 3438/11, II.1.a.bb (= A&R 2012, 142 (S))
Der Anwendung des § 4 Nr. 11 UWG steht hier nicht entgegen, dass die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken, die eine vollständige Harmonisierung der Vorschriften der Mitgliedstaaten über unlautere Geschäftspraktiken bezweckt, die die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher beeinträchtigen, keinen dieser Vorschrift vergleichbaren Unlauterkeitstatbestand kennt. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Richtlinie gemäß ihrem Art. 3 Abs. 3 sowie ihrem Erwägungsgrund 9 die nationalen Rechtsvorschriften in Bezug auf die Gesundheits- und Sicherheitsaspekte unberührt lässt. Die Anwendung des § 4 Nr. 11 UWG steht daher mit der Richtlinie im Einklang, soweit Marktverhaltensregelungen wie hier - dem Schutz der Gesundheit von Verbrauchern dienen (vgl. BGH GRUR 2010, 749, Rn. 39 – Erinnerungswerbung im Internet m.w.N.).
AMG und ApoG
OLG Karlsruhe, Urt. v. 29.5.2019, 6 U 36/188, Tz. 56
Nach den das Arzneimittelgesetz gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 AMG ausfüllenden Regelungen des Apothekengesetzes bedarf der Betrieb einer Apotheke der Erlaubnis (§ 1 Abs. 2 ApoG), gilt die Apothekenbetriebserlaubnis nur für den Apotheker, dem sie erteilt ist, und für die in der Erlaubnisurkunde bezeichneten Räume (§ 1 Abs. 3 ApoG), und hat der von einer Versanderlaubnis umfasste Versand von Arzneimitteln aus einer öffentlichen Apotheke zusätzlich zu dem üblichen Apothekenbetrieb zu erfolgen (§ 11a Satz 1 Nr. 1 ApoG). Die nach § 21 ApoG erlassene Rechtsverordnung (Apothekenbetriebsordnung) stellt insbesondere weitere Anforderungen an die Prüfung, Lagerung und Abgabe der Arzneimittel durch die Apotheke.
VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 21.10.2021, 9 S 527/20, Tz. 29
Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG dürfen Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1, die … nicht durch § 44 AMG oder aufgrund der der nach § 45 Abs. 1 AMG erlassenen Rechtsverordnung für den Verkehr außerhalb der Apotheken freigegeben sind, außer in den Fällen des § 41 Abs. 3a - 6 und der § 47 ff. AMG berufs- oder gewerbsmäßig für den Endverbrauch nur in Apotheken und ohne behördliche Erlaubnis nicht im Wege des Versandes in den Verkehr gebracht werden (Hervorhebung nur hier); das Nähere regelt das Apothekengesetz. Auf der Grundlage von § 21 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ApoG regelt § 17 der Verordnung über den Betrieb von Apotheken (Apothekenbetriebsordnung - ApBetrO) weitere Vorgaben für die Arzneimittelabgabe.
Gegenstand der Apothekenpflicht
BGH, Urt. v. 26.4.2018, I ZR 121/17, Tz. 41 ff - Applikationsarzneimittel
Nach der Regelung des § 43 Abs. 1 AMG ist nicht nur das gewerbsmäßige, also im Rahmen einer auf Dauer angelegten Erwerbstätigkeit erfolgende, sondern auch das berufsmäßige Inverkehrbringen von Arzneimitteln verboten. Das Verbot der Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln außerhalb der Apotheken erfasst damit auch ein Inverkehrbringen im Rahmen freiberuflicher Tätigkeit durch Ärzte oder Zahnärzte, gleich ob es entgeltlich oder unentgeltlich erfolgt.
Der Endverbrauch im Sinne von § 43 Abs. 1 AMG erfasst nicht nur den Verbrauch durch den Patienten selbst, sondern auch die Anwendung eines Arzneimittels durch den Arzt beim Patienten (Hofmann in Kügel/Müller/ Hofmann aaO § 43 Rn. 12). Damit wird der Arzt nicht zum Endverbraucher. Endverbraucher ist der Patient. Die Vorschrift erfasst das Inverkehrbringen "für den Endverbrauch" und erfordert nicht das Inverkehrbringen "an den Endverbraucher". ...
Nach der Legaldefinition des § 4 Abs. 17 AMG ist Inverkehrbringen das Vorrätighalten zum Verkauf oder zu sonstiger Abgabe, das Feilhalten, das Feilbieten und die Abgabe an andere.
Ein Inverkehrbringen setzt voraus, dass das Arzneimittel an den Endverbraucher abgegeben und ihm die Verfügungsgewalt darüber eingeräumt wird. Erfasst werden danach alle Handlungen auf verschiedenen Vertriebsstufen, deren Zweck es ist, dem Empfänger des Arzneimittels die Verfügungsgewalt darüber einzuräumen. Ein Inverkehrbringen liegt nicht vor, wenn der Arzt im Rahmen einer Behandlung selbst oder durch überwachtes Personal Arzneimittel am Patienten anwendet, z. B. durch Injektion, Infusion, Verabreichen einer einzelnen Dosis oder ähnliche Maßnahmen (BGH, Urt. v. 11.2.1988, I ZR 117/86, GRUR 1988, 623, 624 = WRP 1988, 527 - Betriebsärztlicher Dienst; BVerwGE 94, 341). Das Vorrätighalten von Arzneimitteln zum Zwecke der Anwendung ist ebenfalls kein Inverkehrbringen, da es der Anwendung am Patienten dient und dem Arzt an der Abgabeabsicht fehlt.
Das Berufungsgericht hat danach mit Recht angenommen, dass die Anwendung von Applikationsarzneimitteln am Patienten durch den Arzt und das Vorrätighalten solcher Arzneimittel zum Zwecke der Anwendung kein Inverkehrbringen darstellt. Der durch das beanstandete Werbeschreiben angesprochene Arzt soll nach der Intention der Beklagten nicht dazu bewogen werden, der jeweiligen Patientin die Verfügungsgewalt über das Arzneimittel einzuräumen, sondern es an ihr anzuwenden.
S.a. OLG Karlsruhe, Urt. v. 29.5.2019, 6 U 36/188, Tz. 61
OLG München, Urt. v. 15.3.2012, 29 U 3438/11, II.1.a.cc (= A&R 2012, 142 (S))
Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG dürfen Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 AMG, die nicht für den Verkehr außerhalb der Apotheken freigegeben sind, … berufs- oder gewerbsmäßig für den Endverbrauch nur in Apotheken und ohne behördliche Erlaubnis nicht im Wege des Versandes in den Verkehr gebracht werden; das Nähere regelt das Apothekengesetz. Nach § 43 Abs. 3 Satz 1 AMG dürfen Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 AMG auf Verschreibung nur von Apotheken abgegeben werden. Das in § 43 Abs. 3 Satz 1 AMG enthaltene Verbot erstreckt sich auf die Abgabe der betreffenden Arzneimittel durch Nichtapotheken, nicht aber auf die bloße Entgegennahme von Arzneimittelbestellungen durch Nichtapotheken. Das in § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG enthaltene Verbot erstreckt sich auf das Inverkehrbringen von dort spezifizierten Arzneimitteln für den Endverbrauch durch Nichtapotheken, nicht aber auf die bloße Entgegennahme von Arzneimittelbestellungen durch Nichtapotheken.
OLG München, Urt. v. 15.3.2012, 29 U 3438/11, II.3.b.cc (= A&R 2012, 142 (S))
§ 43 Abs. 1 Satz 1 AMG erfasst das Inverkehrbringen (§ 4 Abs. 17 AMG) von apothekenpflichtigen Arzneimitteln für den Endverbrauch, nicht aber die Bewerbung der Auslieferung von apothekenpflichtigen Arzneimitteln. Das Anbieten fällt nicht unter § 4 Abs. 17 AMG (Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Band IV, § 43 AMG, Rn. 15). Der Begriff des Anbietens schließt den Begriff der Werbung ein, die für Arzneimittel im Heilmittelwerbegesetz besonders geregelt ist (Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Band IV, § 43 AMG, Rn. 15).
Versandhandel
Siehe zum Versandhandel auch hier.
VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 21.10.2021, 9 S 527/20, Tz. 36
Der Begriff des „Versandes“ ist weder im Arzneimittelgesetz, im Apothekengesetz noch in der Apothekenbetriebsordnung ausdrücklich definiert (vgl. OVG NRW, Urt. v. 07.11.2006, 13 A 1314/06, Rn. 53). Aus § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG ergibt sich jedoch, dass der Begriff des „Versandes“ eine begriffliche Unterform des berufs- und gewerbsmäßigen Inverkehrbringens von Arzneimitteln für den Endverbrauch beschreibt, das nach der Legaldefinition des § 4 Abs. 17 AMG neben dem Vorrätighalten zum Verkauf oder zu sonstiger Abgabe, dem Feilhalten und dem Feilbieten als Vorbereitungshandlungen (vgl. - in einem das streitgegenständliche Vertriebsmodell in H. betreffenden wettbewerbsrechtlichen Verfahren - OLG Karlsruhe, Urt. v. 29.5.2019, 6 U 36/18, Tz. 61 f.) auch die „Abgabe“ an andere, d.h. die Besitzeinräumung im Sinne einer Übertragung der tatsächlichen Verfügungsgewalt (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.3.2008, 3 C 27.07, Tz. 16), umfasst. Insoweit unterscheiden der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber zwischen der Abgabe „in den Apothekenbetriebsräumen“ (§ 17 Abs. 1a Satz 1 ApBetrO), der Abgabe im Wege der Zustellung von Arzneimitteln durch Boten der Apotheke (§ 17 Abs. 2 ApBetrO) als Sonderform der Abgabe in den Betriebsräumen (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.4.2020, 3 C 16.18, Tz. 18) und der Abgabe im Wege des Versandes apotheken- bzw. verschreibungspflichtiger Arzneimittel (§ 11a ApoG, § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG) als Form der Abgabe von Arzneimitteln „aus der Apotheke heraus“ (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 13). Die nunmehr in § 17 Abs. 1b Satz 1 und 3 ApBetrO geregelte Abgabe durch automatisierte Ausgabestationen stellt demgegenüber keine eigenständige Vertriebsform dar, sondern ist den Vertriebsformen der Abgabe in den Apothekenbetriebsräumen bzw. im Wege des zugelassenen Versandhandels als besondere Vertriebsmodalitäten zugeordnet.
OLG Karlsruhe, Urt. v. 29.5.2019, 6 U 36/18, Tz. 73 ff
Der im Arzneimittel- und Apothekenrecht einheitlich verwendete Begriff „Versand“ wird vom Gesetz als Unterfall des Inverkehrbringens durch „Abgabe“, wie der Wortlaut von § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG – „... in Apotheken und ... im Wege des Versandes in den Verkehr gebracht“ – belegt und die Bezeichnung der Versandanforderungen iSd. § 21 Abs. 2 Nr. 1a ApoG als Regelungen der Apothekenbetriebsordnung zur Sicherstellung der Qualität der abzugebenden Arzneimittel nach § 21 Abs. 1 Satz 1 ApoG bestätigt, angesehen.
Der Begriff stellt damit – unabhängig von den sonstigen Modalitäten des Fernabsatzes – auf einen der unmittelbaren Übergabe an den Endverbraucher gleichgestellten mehrteiligen Akt der Verschaffung der Verfügungsgewalt ab. Wie der vom Gesetz bspw. in § 11a Satz 1 Nr. 2 lit. a und b, § 21 Abs. 2 Nr. 1a ApoG, § 17 Abs. 2a Nr. 1 und 2 ApBetrO erkannte Regelungsbedarf zeigt, umfasst dieser mehrteilige Akt die Bereitstellung einschließlich Verpackung, die Absendung iS. der Übergabe an eine Transportperson, den Transport / die Beförderung und die Auslieferung / Aushändigung / Ablieferung iS. der eigentlichen Übergabe an den Endverbraucher.
Der im Arzneimittel- und Apothekenrecht verwendete Begriff „Versand“ setzt einerseits – dem allgemeinen Sprachgebrauch von „Versandhandel“ entsprechend – voraus, dass der Bereitstellung und Verpackung des Arzneimittels vor Absendung eine Anforderung des Arzneimittels durch den Endverbraucher vorangeht, vom Gesetz als „Eingang der Bestellung“ bezeichnet (vgl. § 11a Satz 1 Nr. 3 lit. a ApoG). Andererseits ist der Begriff als Unterfall der „Abgabe“ vom „Vorrätighalten“ abzugrenzen (vgl. § 4 Abs. 17 AMG), so dass der Transport eines Arzneimittels zwischen Apotheke und Endverbraucher keine (unspezifische) Lagerung von Arzneimitteln außerhalb von Apothekenräumen umfassen kann.
Ein sog. „antizipierter Transport“ – ohne Bestellung zu einem (Zwischen-)Lager außerhalb von Apothekenräumen mit anschließender (Zwischen-)Lagerung – widerspricht demnach einem „Versand“, wie er begrifflich durch Wortlaut und Systematik des Gesetzes nahegelegt ist.
Sowohl der (rein) inländische als auch der innereuropäische Versandhandel knüpfen ausweislich des Wortlauts der gesetzlichen Bestimmungen (§ 43 Abs. 1 Satz 1 AMG iVm. § 11a Satz 1 Nr. 1 ApoG: „Versand ... aus einer ... Apotheke“; § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG: „an den Endverbraucher ... von einer Apotheke ...versandt“) den Ausgangspunkt des Versands an die „Apotheke“ an. Der Apothekenbegriff des auf die Abgabe an den inländischen Endverbraucher allein anwendbaren deutschen Arzneimittel- und Apothekenrechts ist dabei kein funktioneller Begriff, der synonym für den Apotheker als Erlaubnisinhaber steht, der die subjektiven Zulassungsvoraussetzungen erfüllt, sondern stellt – entsprechend seiner Begriffsherkunft (griech.: „Ablage“, „Aufbewahrungsort“) – auf den der Leitung durch den Erlaubnisinhaber und der behördlichen Überwachung unterliegenden Raum ab (vgl. § 1 Abs. 3, § 2 Abs. 4, Abs. 5 ApoG).
OLG München, Urt. v. 15.3.2012, 29 U 3438/11, II.2.b.cc (= A&R 2012, 142 (S))
Soweit die Beklagte im Rahmen des angebotenen "APO-go®-Lieferservices" darauf hinwirkt, dass apothekenpflichtige Arzneimittel von einer zum Versandhandel befugten öffentlichen Apotheke an Patienten ausgeliefert werden, verstößt dies per se nicht gegen § 43 AMG. Darin kann keine unzulässige Umgehung der Apothekenpflicht gemäß § 43 AMG gesehen werden. Der Gesetzgeber hat den Versandhandel mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln ... unter Statuierung eines Erlaubnisvorbehalts zugelassen (vgl. § 43 Abs. 1, Abs. 3 AMG, § 11a ApG, § 17 ApBetrO). Über die Vorgaben des Unionsrechts hinaus ... erstreckt das GKV-Modernisierungsgesetz die Möglichkeit des Versandhandels auch auf verschreibungspflichtige Arzneimittel (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.04.2005 – 3 C 9/04, Rn. 14, juris). Begründet worden ist die Zulassung des Versandhandels mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln mit der geänderten Situation im Gesundheitswesen sowie dem Anliegen der Verbraucher, Erschwernisse der Arzneimittelbeschaffung abzubauen (vgl. BT-Drucks. 15/1525, S. 165; BVerwG, Urt. v. 24.06.2010 – 3 C 30/09). Die Gesetzesbegründung hebt außerdem hervor, dass aus den verschiedensten Gründen in vielen Fällen keine Beratung unter persönlicher Anwesenheit des Verbrauchers/Patienten notwendig oder erwünscht sei (vgl. BT-Drucks. 15/1525, S. 163; BVerwG, Urt. v. 14.04.2005 – 3 C 9/04). Beim Bezug von Arzneimitteln im erlaubten Versandhandel ist nach der Apothekenbetriebsordnung lediglich eine Beratungsoption mittels Einrichtungen der Telekommunikation sicherzustellen (vgl. § 17 Abs. 2a Satz 1 Nr. 7 ApBetrO; BVerwG, Urt. v. 24.06.2010 – 3 C 30/09).
OLG Karlsruhe, Urt. v. 29.5.2019, 6 U 36/18, Tz. 64
Der nach § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG zulässige innereuropäische Versandhandel ist eine Ausnahme vom grundsätzlichen Verbot, zulassungs- oder registrierungspflichtige Arzneimittel in den Geltungsbereich des Gesetzes zu verbringen, also ins Inland zu befördern (§ 4 Abs. 32 Satz 1 AMG).
VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 21.10.2021, 9 S 527/20, Tz. 30
Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis zum Versand apotheken- bzw. verschreibungspflichtiger Arzneimittel (nur) an Inhaber einer Erlaubnis nach § 2 ApoG sind in § 11a ApoG geregelt; daneben ergibt sich aus § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG, dass der Gesetzgeber die einer Apotheke eines Mitgliedstaates der EU oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum nach dem jeweiligen nationalen Rechteingeräumte Befugnis zum Versand von Arzneimitteln anerkennt, soweit dieses dem deutschen Apothekenrecht im Hinblick auf die Vorschriften zum Versandhandel entspricht und die Versendung entsprechend den deutschen Vorschriften zum Versandhandel oder zum elektronischen Handel erfolgt. Nach § 21 ApoG i.V.m. § 17 Abs. 1a Satz 1 ApBetrO dürfen Arzneimittel, außer im Falle des § 11a ApoG und des § 17 Abs. 2a ApBetrO, nur in den Apothekenbetriebsräumen in den Verkehr gebracht und nur durch pharmazeutisches Personal ausgehändigt werden. Nach § 17 Abs. 1b ApBetrO i.d.F. des Gesetzes zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken vom 09.12.2020 (BGBl. I, 2870) sind automatisierte Ausgabestationen zur Bereitstellung, Aushändigung und Ausgabe von Arzneimitteln unter den in Satz 1 Nrn. 1 - 3 und Satz 2 genannten weiteren Voraussetzungen nur zulässig, wenn sie sich innerhalb der Betriebsräume einer Apotheke befinden, einen Zugriff von außen für den Empfänger ermöglichen, sofern eine Ausgabe außerhalb der Betriebszeiten dieser Apotheke vorgesehen ist, und durch Personal dieser Apotheke bestückt werden (Satz 1), oder als automatisierte Ausgabestationen zur Bereitstellung, Aushändigung und Ausgabe von Arzneimitteln für den zugelassenen Versandhandel mit Arzneimitteln (Satz 3).