OLG Frankfurt, Urt. v. 2.12.2010, 6 U 238/09, Tz. 25 f - "unabhängig"
Der Verkehr versteht in keiner der angegriffenen Aussagen unter dem Begriff „unabhängig“ eine Unabhängigkeit im Sinne des Fehlens einer jeglichen aktienrechtlichen, wirtschaftlichen oder durch bindende Verträge begründeten Abhängigkeit.
Der Senat hat jedoch keinen Zweifel, dass der Verkehr die Aussagen „X ist Europas größter unabhängiger Finanzdienstleister“ und „X – Europas Nr. 1 für unabhängige Finanzoptimierung“ im Sinne einer wirtschaftlichen und rechtlichen Unabhängigkeit von denjenigen Unternehmen versteht, deren Finanzprodukte vermittelt werden. Diese Vorstellung entspricht jedoch mit Rücksicht darauf, dass das Schweizer Versicherungsunternehmen B 97% der Aktien der Beklagten hält, nicht den Tatsachen.
OLG Köln, Urt. v. 5.7.2013, 6 U 4/13, Tz. 22 ff - Der unabhängige Nationalvertrieb
„Abhängigkeit“ kann je nach angesprochener Zielgruppe auf den unterschiedlichsten Faktoren wie beispielsweise Bindungen an eine politische Partei, an eine konfessionelle oder weltanschauliche Richtung oder an eine wirtschaftliche oder berufsständische Interessengruppe beruhen. Maßgeblich ist, ob ein sich als „unabhängig“ bezeichnendes Unternehmen Bindungen unterliegt, die ihm nach Auffassung eines nicht unerheblichen Teils der in Betracht kommenden Verkehrskreise die Eigenschaft der „Unabhängigkeit“ nehmen (BGH, Urt. v. 21.2.1968 - Ib ZR 60/66 - GRUR 1968, 440, 441 - Luftfahrt-Fachzeitschrift).
Im vorliegenden Fall werden Verleger als die angesprochenen Verkehrskreise unter „Unabhängigkeit“ in erster Linie die Unabhängigkeit des Vertriebs von anderen Verlegern, mithin von Konkurrenzunternehmen, verstehen. Es bedarf dabei keiner vertieften Erläuterung, dass es für einen Verleger, der einen Vertriebskanal für sein Presseerzeugnis sucht, von entscheidender Bedeutung ist, ob und wie das Vertriebsunternehmen in Abhängigkeit von konkurrierenden Verlegern steht.
… Wenn es solche völlig unabhängigen Unternehmen gibt, so besteht die Möglichkeit, dass relevante Teile der angesprochenen Verkehrskreise die beanstandete Aussage dahingehend verstehen, dass auch die Beklagte zu diesen Unternehmen gehört.
KG, Urt. v. 21.6.2019, 5 U 121/18, Tz. 19 f – Zum Bestpreis verkaufen
Die Formulierung “unabhängige Auswahl” geprüfter Immobilienmakler ist irreführend. … Aus dem Zusammenhang der Formulierung ergibt sich, dass suggeriert wird, dass die Beklagte zwischen mehreren geprüften und verifizierten Maklern eine Auswahl nach bestimmten Kriterien trifft, einige also in ihre Plattform aufnimmt und andere abweist. Für das Verständnis relevant ist auch der weitere Satzteil des fraglichen Textes (“um Ihre Immobilie mit dem besten Makler zum besten Preis zu verkaufen”). Danach will die Beklagte durch ihre Auswahl der Makler gewährleisten, dass der “beste Makler” beauftragt wird und derjenige, der eine Veräußerung “zum besten Preis” bewirkt. Der Adressat des Textes muss demnach davon ausgehen, dass die Beklagte Makler nach ihrer Qualität und danach auswählt, ob sie den “besten Preis” aushandeln können.
Diesen Kriterien entspricht die Auswahl der Beklagten nach dem zugrunde zu legenden Parteivorbringen nicht. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte … eine inhaltliche Auswahl der Makler nach deren Prüfung bzw. Verifizierung anhand von Qualitätskriterien nicht vornimmt.
Zur gesellschaftsrechtlichen Beherrschung eines Versicherungsmaklers durch ein Versicherungsunternehmen:
OLG München, Urt. v. 16.1.2020, 29 U 1834/18, Tz. 26
Unterstellt, der angesprochene Verkehr - der informierte, verständige und angemessen aufmerksame Durchschnittsverbraucher, der sich für Versicherungsprodukte interessiert - kennt die unterschiedlichen Pflichten, die sich aufgrund der rechtlichen Einordnung als Versicherungsmakler oder als Versicherungsvertreter für den jeweiligen Versicherungsvermittler ergeben, folgt daraus noch nicht, dass der Verkehr sich überhaupt darüber Gedanken macht, ob und in welchem Umfang Versicherer Anteile an einem Versicherungsvermittler halten. Sofern die angesprochenen Verkehrskreise die bestehenden Unterschiede hinsichtlich der jeweiligen rechtlichen Anforderungen und Pflichten jedoch kennen, erwarten sie von einem Versicherungsmakler nicht, dass er in Bezug auf seine Unternehmensbeteiligungen unabhängig ist, sondern lediglich, dass er unabhängig agiert. Dass die Beklagte dies nicht tun würde, behauptet auch die Klägerin nicht.
Dieser Versicherungsmakler darf sich aber nicht als 'unabhängig' bezeichnen.
OLG München, Urt. v. 16.1.2020, 29 U 1834/18, Tz. 41, 46 f
Ohne Erfolg wendet sich die Beklagte allerdings gegen das vom Landgericht ausgesprochene Verbot zu behaupten, sie sei unabhängig und neutral, solange die Mehrheit ihrer Unternehmensanteile von einem Versicherer gehalten wird. Der entsprechende Anspruch der Klägerin folgt aus § 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 1, § 5 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 3, § 3 UWG. …
… Der angesprochene Verkehr versteht die … Aussage - anders als die „bloße“ Bezeichnung als Versicherungsmakler - nicht nur dahingehend, dass die so werbende Beklagte unabhängig von etwaigen Beteiligungsverhältnissen agiere, sondern es tatsächlich auch ist.
Dies trifft indes nicht zu: die Beteiligung der XY Lebensversicherung an der Beklagten ist unstreitig eine Mehrheitsbeteiligung, Neutralität und Unabhängigkeit sind daher nicht gegeben.