Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 

l) Wegfall des Unterlassungstitels/veränderte Umstände

1. Keine Ordnungsstrafe bei Wegfall des Verbots

2. Arten des Wegfalls des Verbots

3. Insbesondere: Erledigung der Hauptsache

a. Wirkung der beidseitigen Erledigungserklärung auf den ergangenen Titel

b. Einseitige Erledigungserklärung

4. Veränderte Umstände

5. Wegfall der Aktivlegitimation

Keine Ordnungsstrafe bei Wegfall des Verbots

Wenn das gerichtliche Verbot wegfällt, fällt prinzipiell auch die Grundlage für eine Bestrafung weg.

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Arten des Wegfalls des Verbots

Der Wegfall eines gerichtlichen Verbotes kommt beispielsweise in Betracht,

  • wenn ein ursprünglich erlassenes Verbot wieder aufgehoben wird (zum Beispiel auf den Widerspruch oder die Berufung des Anspruchsgegners hin),
  • wenn der Rechtsstreit für erledigt erklärt wird oder
  • wenn der Anspruchsberechtigte auf den Titel verzichtet.

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Insbesondere: Erledigung der Hauptsache

Vor der Rechtskraft eines Urteils können beide Parteien des Rechtstreit einvernehmlich für erledigt erklären. Außerdem kann der Kläger/Antragsteller seinen Antrag für einseitig für erledigt erklären. Wenn sich der Schuldner/Antragsgegner dieser Erledigungserklärung nicht anschließt, bleibt der Anspruch rechtshängig, wandelt sich allerdings in einen Antrag auf Feststellung, dass der ursprünglich gestellte Antrag tatsächlich erledigt ist.

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Wirkung der beidseitigen Erledigungserklärung auf den ergangenen Titel

BGH, Beschl. v. 23.10.2003, I ZB 45/02, Tz. 30 – EURO-Einführungsrabatt

Wird die Hauptsache übereinstimmend und uneingeschränkt für erledigt erklärt (§ 91a ZPO), hat dies zur Folge, dass ein im Verfahren erlassener Titel, über den noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist, ohne weiteres entfällt. Der Titel kann danach auch dann keine Grundlage für Vollstreckungsmaßnahmen mehr sein, wenn die Zuwiderhandlung gegen das ausgesprochene Unterlassungsgebot zuvor begangen worden ist.

Ebenso OLG München, Beschl. v. 21.10.2014, 29 W 1474/14 – Treuebonus III

BGH, Beschl. v. 23.10.2003, I ZB 45/02, Tz. 32 – EURO-Einführungsrabatt

Das Erfordernis eines noch vollstreckbaren Titels ist auch bei der Vollstreckung zur Erzwingung von Unterlassungen gemäß § 890 ZPO unverzichtbar. Es stellt auch in diesem Bereich sicher, dass staatliche Zwangsmaßnahmen nur aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung ergehen, die rechtskräftig geworden ist oder deren Rechtmäßigkeit jedenfalls noch in dem dafür vorgesehenen gerichtlichen Verfahren überprüft werden kann. Ohne Erfüllung dieser Voraussetzung wäre die Vollstreckung durch Anwendung staatlicher Zwangsmittel rechtsstaatswidrig.

BGH, Beschl. v. 23.10.2003, I ZB 45/02, Tz. 34 f – EURO-Einführungsrabatt

Die Ansicht, dass ein Unterlassungstitel als Grundlage der Zwangsvollstreckung wegfällt, wenn die Hauptsache uneingeschränkt übereinstimmend für erledigt erklärt wird, hat nicht zur Folge, dass gegebenenfalls auf eine wirksame Durchsetzung gerichtlicher Unterlassungsgebote verzichtet werden müsste. Der Gläubiger kann vielmehr seine Erledigterklärung auf die Zeit nach dem erledigenden Ereignis beschränken und damit verhindern, dass ein von ihm erwirkter Titel nicht bereits wegen der Erledigterklärung als Grundlage für Vollstreckungsmaßnahmen wegen Zuwiderhandlungen, die vor dem erledigenden Ereignis begangen worden sind, entfällt.

Eine solche beschränkte Erledigterklärung eines Verfahrens ist rechtlich möglich. Der Zeitablauf ist auch bei einem Unterlassungstitel, der von vornherein befristet war, oder dem nach den Umständen nur in einem bestimmten Zeitraum zuwidergehandelt werden konnte, kein erledigendes Ereignis. Über den prozessualen Anspruch kann vielmehr weiterhin entschieden werden, soweit es um die Möglichkeit geht, das in einem bereits erwirkten Titel ausgesprochene Unterlassungsgebot für die Vergangenheit durchzusetzen.

Ebenso BGH, Beschl. v. 20.1.2016, I ZB 102/14, Tz. 13 - Erledigungserklärung nach Gesetzesänderung

BGH, Beschl. v. 23.10.2003, I ZB 45/02, Tz. 36 – EURO-Einführungsrabatt

Nach einer auf die Zukunft beschränkten Erledigterklärung ist Gegenstand des anhängig gebliebenen Teils des Verfahrens das Bestehen eines Anspruchs auf Sicherung des materiell-rechtlichen Unterlassungsanspruchs für die Zeit bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses. Die damit verbundene Möglichkeit, dass ein im Verfügungsverfahren erlassener Unterlassungstitel mit Wirkung für einen Zeitraum in der Vergangenheit von einer Erledigterklärung für die Zukunft - unbeschadet der Entscheidung über seine Aufrechterhaltung - unberührt bleibt, wird auch von Sinn und Zweck des Verfügungsverfahrens gefordert. Andernfalls könnte der Antragsgegner eine einstweilige Verfügung ohne weiteres dadurch rückwirkend hinfällig machen und Ordnungsmitteln wegen Verstößen gegen diese entgehen, daß er eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgibt und so eine übereinstimmende Erledigterklärung erzwingt. Die Erwirkung einstweiliger Verfügungen wegen  Wettbewerbsverstößen wäre unter diesen Umständen vielfach sinnlos.

BGH, Beschl. v. 20.1.2016, I ZB 102/14, Tz. 15 - Erledigungserklärung nach Gesetzesänderung

Die Erklärung der Erledigung der Hauptsache ist als Prozesshandlung auslegungsfähig. Es ist nicht allein der Wortlaut der Erklärung maßgebend ist, sondern der erklärte Wille auch aus den Begleitumständen und insbesondere aus der Interessenlage hervorgehen kann, wobei im Zweifel dasjenige gilt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht (vgl. BGHZ 156, 335, 346 - Euro-Einführungsrabatt; BGH, Urt. v. 16.9.2009, VI ZR 244/07, Tz. 11; Urt. v. 27.3.2015, V ZR 296/13, Tz. 8, jeweils mwN).

Bestätigung von OLG München, Beschl. v. 21.10.2014, 29 W 1474/14 – Treuebonus III

BGH, Beschl. v. 20.1.2016, I ZB 102/14, Tz. 20 - Erledigungserklärung nach Gesetzesänderung

Bei nur gestellten Ordnungsmittelanträgen ist in der Regel davon auszugehen, dass eine Erledigungserklärung nur für die Zukunft gelten und daher einen bereits erwirkten Unterlassungstitel als Grundlage für die Vollstreckung wegen zurückliegender Zuwiderhandlungen nicht in Frage stellen soll (vgl. BGHZ 156, 335, 346 - Euro-Einführungsrabatt). Umso weniger kann der Beklagte bei einer Erledigungserklärung des Klägers grundsätzlich annehmen, dass mit ihr bereits rechtskräftig entschiedenen und vollstreckten Ordnungsmittelanträgen nachträglich die Grundlage entzogen werden soll.

BGH, Beschl. v. 20.1.2016, I ZB 102/14, Tz. 25 - Erledigungserklärung nach Gesetzesänderung

Nach einer auf die Zukunft beschränkten Erledigungserklärung bleibt der Unterlassungsanspruch für die Vergangenheit anhängig. Über ihn kann eine Entscheidung ergehen (BGHZ 156, 335, 345 - Euro-Einführungsrabatt). Eine Entscheidung über diesen Teil setzt allerdings voraus, dass die Parteien dies beantragen. Das kann der Kläger durch einen entsprechenden Feststellungsantrag erreichen, und der Beklagte kann eine Entscheidung über das Bestehen des Unterlassungsanspruchs für die Vergangenheit durch eine Feststellungswiderklage oder dadurch erzwingen, dass er sich der Erledigungserklärung nicht anschließt. Erklären die Parteien aber den Rechtsstreit in der Hauptsache für die Zukunft für erledigt und stellen sie keine weitergehenden Anträge zum Unterlassungsantrag für die Vergangenheit, bleibt der Vollstreckungstitel für die Vergangenheit bestehen und es ergeht nur eine Kostenentscheidung nach § 91a ZPO.

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Einseitige Erledigungserklärung

BGH, Beschl. v. 23.2.2012, I ZB 28/11, Tz. 8 ff

Im Fall übereinstimmender und uneingeschränkter Erledigungserklärungen entfällt ein im Verfahren erlassener, noch nicht rechtskräftig gewordener Unterlassungstitel ohne weiteres und kann keine Grundlage für Vollstreckungsmaßnahmen mehr sein kann, wenn die Zuwiderhandlung gegen das im Titel ausgesprochene Unterlassungsgebot vor dem Zeitpunkt der Erledigung erfolgt ist. Die dafür maßgeblichen Gründe liegen indes nicht vor, wenn allein der Gläubiger die Erledigung der Hauptsache erklärt.

Während bei übereinstimmender Erledigungserklärung die Parteien bestimmen können, für welche Zeitspanne die Unterlassungsverpflichtung erledigt sein soll und daher insbesondere der Gläubiger seine Erledigungserklärung zeitlich beschränken kann, bleibt die Entscheidung dieser Frage im Fall einseitiger Erledigung dem Gericht vorbehalten. Anders als bei übereinstimmender Erledigung wird die Rechtmäßigkeit der einstweiligen Verfügung in dem dafür vorgesehenen gerichtlichen Verfahren überprüft. Es ergeht eine materielle Entscheidung über den Streitgegenstand. Dem Schuldner werden auch keine Verteidigungsmöglichkeiten abgeschnitten, wie es insbesondere der Fall wäre, wenn eine ohne Anhörung des Gegners ergangene Beschlussverfügung auch nach übereinstimmenden und uneingeschränkten Erledigungserklärungen noch Grundlage für Vollstreckungsmaßnahmen sein könnte.

Wird nach einseitiger Erledigungserklärung die Erledigung gerichtlich festgestellt, ist die Vollstreckbarkeit der einstweiligen Verfügung weder gänzlich aufgehoben noch ohne gerichtliche Entscheidung fortgefallen. Es ist deshalb mit § 775 Nr. 1, § 776 ZPO vereinbar und geboten, dass Vollstreckungsmaßnahmen, die vor der Erledigung wegen zuvor begangener Verstöße getroffen wurden, aufrechterhalten bleiben.

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Veränderte Umstände

OLG Nürnberg, Beschl. v. 17.6.2022, 3 W 4186/21, Tz. 19

Später eingetretene Ereignisse, die das Verhalten rechtmäßig werden lassen, können eine zurückliegende tatbestandliche Zuwiderhandlung nicht entfallen lassen und aufgrund des repressiven Charakters auch grundsätzlich nicht dazu führen, dass ein Bestrafungsbedürfnis nicht mehr gegeben wäre. Möglich ist lediglich, dass im Laufe des Beschwerderechtszugs neu zutage getretene oder vorgebrachte Erkenntnisse die Bewertung, dass im maßgeblichen Zeitraum eine Zuwiderhandlung erfolgt ist, in Frage stellen; insoweit gilt die allgemeine Regel, dass die Beurteilung, ob ein Verstoß gegeben war, auf Grundlage des Sach- und Streitstands im Moment der gerichtlichen Entscheidung zu treffen ist.

OLG Hamm, Beschl. v. 9.3.2023, 1-4 W 10/23

Im Ordnungsmittelverfahren ist nicht zu überprüfen ist, ob die durch den Unterlassungstitel untersagte Werbung … ggf. durch aktuelle Nachweise abgesichert sein könnte.

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Wegfall der Aktivlegitimation

BGH, Beschl. v. 21.12.2023, I ZB 42/23, Tz. 11, 14 f, 18

Der Antragsbefugnis des Gläubigers steht im Ordnungsmittelverfahren nicht entgegen, dass er - anders als noch im Erkenntnisverfahren auf Grundlage des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG in der bis zum 1. Dezember 2021 geltenden Fassung (aF) angenommen - gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG in der durch das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs vom 26. November 2020 geänderten und seit dem 1. Dezember 2021 geltenden Fassung (BGBl. I S. 2568, 2574; UWG nF) nicht mehr klagebefugt wäre, weil er nicht in die Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b UWG nF eingetragen ist. ...

Nach § 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO darf die Zwangsvollstreckung nur beginnen, wenn die Personen, für und gegen die sie stattfinden soll, in dem Urteil oder in der ihm beigefügten Vollstreckungsklausel namentlich bezeichnet sind und das Urteil bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zugestellt wird. Die Anforderungen des § 750 Abs. 1 ZPO gelten nicht nur für Urteile, sondern für alle Schuldtitel der Zivilprozessordnung und damit grundsätzlich (zur Vollziehung vor Zustellung vgl. § 929 Abs. 3, § 936 ZPO) auch für die im Streitfall maßgebliche Vollstreckung einer im Beschlusswege erlassenen einstweiligen Verfügung (§ 795 Satz 1, § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, vgl. BGH, Beschl. v. 13.7.2017, I ZB 103/16, Tz. 8 mwN). Wer die Parteien des Zwangsvollstreckungsverfahrens und damit auch des Ordnungsmittelverfahrens sind, ergibt sich aus dem Titel oder - bei Umschreibung (§§ 727 ff. ZPO) - aus der Klausel.

Für die Antragsbefugnis im Ordnungsmittelverfahren kommt es dagegen nicht darauf an, ob die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nF erfüllt sind. ...

Die Bestimmung des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aF/nF regelt nicht nur die sachlich-rechtliche Anspruchsberechtigung, sondern auch die prozessuale Klagebefugnis für die Geltendmachung von Beseitigungs- und (bei Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr) Unterlassungsansprüchen nach § 8 Abs. 1 UWG im Erkenntnisverfahren. Ein Wegfall dieser Prozessführungsbefugnis durch die Neuregelung in § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nF kann einer Festsetzung von Ordnungsmitteln im Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO, für das es gemäß § 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO auf die Parteistellung im Titel (oder der Klausel) ankommt, nicht entgegengehalten werden.

Anders zuvor OLG Hamm, Beschl. v. 15.5.2023, 4 W 32/22, Tz. 12 f

Der BGH hat offen gelassen, ob gegen den Unterlassungstitel durch Kündigung, Aufhebung wegen veränderter Umstände (§ 927 ZPO) oder Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) vorgegangen werden kann. Dazu siehe hier.

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