S.a. Rechtskraft
Der Streitgegenstand bestimmt den Umfang der Rechtshängigkeit eines Anspruchs und der Rechtskraft eines Urteils. Was nicht Streitgegenstand ist, kann im laufenden Verfahren als weiterer Streitgegenstand eingeführt oder in einem anderen Verfahren rechtshängig gemacht werden.
Wenn der historische Lebensvorgang, auf dem der Streitgegenstand beruht, sich aus mehreren kerngleichen geschäftlichen Handlungen zusammensetzt, gilt folgendes: In tatsächlicher Hinsicht entscheidet ein Urteil nur über die geschäftlichen Handlungen, die dem Gericht durch den Vortrag des Klägers vorgetragen und zur Entscheidung gestellt wurden. Zum Streitgegenstand zählen allerdings auch alle geschäftlichen Handlungen, die dem historischen Lebensvorgang angehören, auch wenn sie nicht vorgetragen wurden.
BGH, Urt. v. 13.9.2012, I ZR 230/11, Tz. 19 – Biomineralwasser
Der Streitgegenstand wird durch den gesamten historischen Lebensvorgang bestimmt, auf den sich das Rechtsschutzbegehren der Klagepartei bezieht, unabhängig davon, ob einzelne Tatsachen dieses Lebenssachverhalts von den Parteien vorgetragen worden sind oder nicht, und auch unabhängig davon, ob die Parteien die nicht vorgetragenen Tatsachen des Lebensvorgangs kannten und hätten vortragen können.
Die anders lautende Entscheidung Markenparfumverkäufe (BGH, Urt.v.23.2.2006, I ZR 272/02, Tz. 29 f – Markenparfümverkäufe) dürfte überholt sein.
Bei einer Bezugnahme auf die konkrete Verletzungshandlung:
OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.5.2015, I-15 U 15/15, Tz. 11
Da der Gegenstand eines Unterlassungsurteils grundsätzlich maßgeblich durch den Streitgegenstand bestimmt wird, ist der Umstand, dass der Unterlassungsantrag auf einen bestimmten Klagegrund, nämlich die konkret benannte Verletzungshandlung, gestützt ist, auch für den Umfang der materiellen Rechtskraft des Unterlassungsurteils entscheidend. In Rechtskraft erwächst danach der in die Zukunft gerichtete Verbotsausspruch nicht als solcher, sondern nur in seinem Bezug auf die vom Gericht festgestellte Verletzungshandlung.
KG, Urt. v. 11.9.2015, 5 U 50/14, B.I.1.a (= MD 2015, 1242)
Das Prozesshindernis anderweitige Rechtshängigkeit setzt voraus, dass die Streitgegenstände der Verfahren übereinstimmen. ... Ist das begehrte Verbot eng auf die konkrete Verletzungshandlung beschränkt, sind einer erweiterten Auslegung des Unterlassungsantrags und dementsprechend auf der Urteilsformel im Hinblick auf den Sanktionscharakter der Ordnungsmittel des § 890 ZPO ebenfalls enge Grenzen gezogen.
Die Rechtshängigkeit oder Rechtskraft eines Streitgegenstands steht aber keinem neuen Streitgegenstand entgegen, gleich ob er im laufenden Verfahren oder in einem anderen Verfahren geltend gemacht wird. Deshalb ist es auch möglich, einzelne Merkmale der konkreten Verletzungshandlung, die der Kläger/Antragsteller für sich genommen für wettbewerbswidrig hält, herauszugreifen und zum Gegenstand eines weiteren Antrags oder Verfahrens zu machen. Ein entsprechendes Vorgehen ist allerdings nur begründet, wenn dieser separat herausgehobene Teil der konkreten Verletzungshandlung für sich genommen wettbewerbswidrig ist. Dafür reicht es nicht aus, dass er im Kontext der konkreten Verletzungshandlung unzulässig ist, weil die (gesamte) konkrete Verletzungshandlung bereits anderweitig Streitgegenstand ist oder war.
Weitere einzelne geschäftliche Handlungen aus dem historischen Lebenssachverhalt können wegen der Rechtskraft der Entscheidung nicht mehr zum Gegenstand eines weiteren gerichtlichen Vorgehens gemacht werden. Es wäre aber möglich,, aus dem historischen Lebenssachverhalt eine geschäftliche Handlung herauszuschälen, über die noch nicht entschieden wurde. Von der Rechtskraft werden ebenso wenig geschäftliche Handlungen erfasst, die zeitlich nach der Entscheidung des Gerichts vorgenommen werden. Die Gerichtsentscheidung beendet in zeitlicher Hinsicht den historischen Lebensvorgang, über den das Gericht entscheidet.
Zur Auslegung von Unterlassungstiteln siehe hier.
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Omsels, Online-Kommentar zum UWG: