Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 

6. Vollmacht

Häufig werden Abmahnungen durch Rechtsanwälte ausgesprochen, die vom Konkurrenten des abgemahnten  Unternehmers damit beauftragt werden.

Der Rechtsanwalt ist nicht verpflichtet, mit der Abmahnung eine Vollmacht seines Mandanten beizufügen, wenn die Abmahnung ein konkretes Angebot zum Abschluss eines Unterlassungsvertrags enthält.

BGH, Urt. v. 19.5.2010, I ZR 140/08, Tz. 11, 14 f - Vollmachtsnachweis

Der Wirksamkeit der Abmahnung steht nicht entgegen, dass dem anwaltlichen Abmahnschreiben keine Vollmacht des Klägers beigefügt war und der Beklagte die Abmahnung deshalb zurückgewiesen hat.

§ 174 Satz 1 BGB ist auf die mit einer Unterwerfungserklärung verbundene Abmahnung nicht anwendbar.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann bereits in der Abmahnung ein Vertragsangebot zum Abschluss eines Unterwerfungsvertrags liegen, wenn es von einem Rechtsbindungswillen getragen und hinreichend bestimmt ist (vgl. BGH, Urt. v. 17.9.2009, I ZR 217/07, Tz. 18 - Testfundstelle). Auf die Abgabe eines Vertragsangebots ist § 174 BGB weder direkt noch analog anwendbar. Die Abmahnung dient dazu, dem Schuldner die Möglichkeit einzuräumen, den Gläubiger ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen. Der Zweck der Abmahnung wird erreicht, weil der Schuldner das Angebot zum Abschluss des Unterwerfungsvertrags annehmen kann, wenn er die Abmahnung in der Sache als berechtigt ansieht. In diesem Fall kommt der Unterwerfungsvertrag mit dem Gläubiger zustande, wenn der Vertreter über Vertretungsmacht verfügte. Fehlt die Vertretungsmacht, kann der Schuldner den Gläubiger gemäß § 177 Abs. 2 Satz 1 BGB zur Erklärung über die Genehmigung auffordern. In Fällen, in denen der Schuldner Zweifel an der Vertretungsmacht des Vertreters hat, kann der Schuldner die Unterwerfungserklärung von der Vorlage einer Vollmachtsurkunde abhängig machen.

Im Anschluss:

KG, Urt. v. 30.11.2020, 5 W 1120/20, Tz. 19 f

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist § 174 Satz 1 BGB auf eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung nicht anwendbar, wenn die Abmahnung mit einem Angebot zum Abschluss eines Unterwerfungsvertrages verbunden ist. Denn bereits in der Abmahnung kann ein Vertragsangebot zum Abschluss eines Unterwerfungsvertrags liegen, wenn es von einem Rechtsbindungswillen getragen und hinreichend bestimmt ist. Auf die Abgabe eines Vertragsangebots ist § 174 BGB weder direkt noch analog anwendbar. Es besteht auch keine Veranlassung, die einheitliche Erklärung des Gläubigers in eine geschäftsähnliche Handlung (Abmahnung) und ein Vertragsangebot (Angebot auf Abschluss eines Unterwerfungsvertrags) aufzuspalten und auf erstere die Bestimmung des § 174 Satz 1 BGB anzuwenden. Nur bei einem einseitigen Rechtsgeschäft ist die ohne Vertretungsmacht abgegebene Erklärung des Vertreters nach § 180 Satz 1 BGB unwirksam. Dem trägt § 174 Satz 1 BGB dadurch Rechnung, dass der Erklärungsempfänger die Ungewissheit über die Wirksamkeit eines von einem Vertreter ohne Vollmachtsvorlage vorgenommenen einseitigen Rechtsgeschäfts durch dessen Zurückweisung beseitigen kann. Eine vergleichbare Interessenlage besteht im Falle eines mit einer Abmahnung verbundenen Angebots auf Abschluss eines Unterwerfungsvertrags nicht. Die Abmahnung dient dazu, dem Schuldner die Möglichkeit einzuräumen, den Gläubiger ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen. Der Zweck der Abmahnung wird erreicht, weil der Schuldner das Angebot zum Abschluss des Unterwerfungsvertrags annehmen kann, wenn er die Abmahnung in der Sache als berechtigt ansieht. In diesem Fall kommt der Unterwerfungsvertrag mit dem Gläubiger zustande, wenn der Vertreter über Vertretungsmacht verfügte. Fehlt die Vertretungsmacht, kann der Schuldner den Gläubiger gemäß § 177 Abs. 2 Satz 1 BGB zur Erklärung über die Genehmigung auffordern. In Fällen, in denen der Schuldner Zweifel an der Vertretungsmacht des Vertreters hat, kann der Schuldner die Unterwerfungserklärung von der Vorlage einer Vollmachtsurkunde abhängig machen (BGH – I ZR 140/08 – Vollmachtsnachweis, Rdnr. 15).

Für eine Abmahnung, die kein konkretes Angebot zum Abschluss eines Unterlassungsvertrags enthält:

OLG Nürnberg, Urteil v. 9.5.2023, 3 U 3524/22, Tz. 18 f

Voraussetzung für die Anwendung der für Willenserklärungen geltenden Bestimmungen auf rechtsgeschäftsähnliche Handlungen ist, dass der Zweck der Norm auch im konkreten Fall bei der jeweiligen rechtsgeschäftsähnlichen Handlung die Anwendung verlangt (Ulrici, NJW 2003, 2053 (2054)). § 174 BGB steht in einem engen Regelungszusammenhang mit § 180 S. 1 BGB, der bei einseitigen Rechtsgeschäften eine Vertretung ohne Vertretungsmacht grundsätzlich ausschließt, was typischerweise zu einem erhöhten Erkenntnis- und Vergewisserungsbedarf für den Geschäfts-/Erklärungsgegner führt. Dieser kann nicht notwendig beurteilen, ob der Vertreter Vertretungsmacht besitzt, muss sich aber auf die Rechtsfolgen der Erklärung (sollte sie wirksam sein) einstellen können, zumal sich regelmäßig die Notwendigkeit von Dispositionen für ihn ergibt, sollte die Erklärung wirksam sein. Dies gilt insbesondere deshalb, weil einseitigen empfangsbedürftigen Willenserklärungen zumeist eine Gestaltungswirkung zukommt (Rücktritt, Kündigung). Der Erklärungsgegner kann daher durch die Zurückweisung erreichen, dass ihm wenigstens eine Urkunde vorgelegt wird, an die sich dann die Rechtsscheinswirkungen gem. §§ 170 ff. BGB anschließen.

Der Senat kann nicht erkennen, dass sich an eine wettbewerbs- oder immaterialgüterrechtliche Abmahnung ein gesteigerter Erkenntnis- und Vergewisserungsbedarf für den Erklärungsempfänger anschließt (einen solchen ohne nähere Begründung annehmend aber MüKoBGB/Schubert, 9. Aufl. 2021, BGB § 174 Rn. 6). Die Abmahnung löst keine Gestaltungswirkungen aus. Sie besteht in erster Linie im Hinweis darauf, dass sich der Abgemahnte rechtswidrig verhält und deshalb dem Abmahnenden sowie (jedenfalls in Fällen des UWG) anderen Personen i.S.d. § 8 Abs. 3 UWG Unterlassungsansprüche zustehen, und er diesen nun nachzukommen hat.

(wird eingehend näher begründet)

Ob die Rechtslage sich durch die UWG-Reform 2020 zum 2.12.2020 geändert haben könnte, lässt das OLG Nürnberg offen.