3. Verhältnis von § 3 Abs. 1 UWG zu § 3 Abs. 2 UWG
4. Verhältnis von § 3 Abs. 1 UWG zu § 6 UWG
Gesetzestext
3 Abs. 1 UWG
Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.
Bedeutung
§ 3 Abs. 1 enthält zunächst eine Rechtsfolgenverweisung. Wenn eine geschäftliche Handlung nach Maßgabe der §§ 3 Abs. 2, 3 Abs. 3 in Verbindung mit dem Anhang zu § 3 Abs. 3, 4 bis 7 UWG unlauter ist, folgt aus § 3 Abs. 1, dass sie unzulässig ist.
§ 3 Abs. 1 UWG ist darüber hinaus aber auch ein Auffangtatbestand. Ein Verhalten, das nicht von §§ 4 bis 5a, 7 UWG erfasst wird, kann nach § 3 Abs. 1 UWG unlauter und damit unzulässig sein. § 3 Abs. 1 UWG stellt aber keinen Auffangtatbestand zu § 6 UWG dar, weil die vergleichende Werbung in § 6 UWG abschließend geregelt ist (s.u.).
Die Feststellung der Unlauterkeit eines Verhaltens auf der Grundlage des § 3 Abs. 1 UWG setzt voraus,
- dass dieses Verhalten nicht von §§ 4, 5, 5a, 7 UWG vollständig erfasst wird, und außerdem
- dass der Unlauterkeitsgehalt des Verhaltens dem Unlauterkeitsgehalt der nach §§ 4, 5, 5a, 7 UWG unlauteren geschäftlichen Handlungen entspricht und den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel zuwiderläuft.
BGH, Urt. v. 9.9.2010, I ZR 157/08, Tz. 10 f - FSA-Kodex
Die Generalklausel des § 3 Abs. 1 UWG lässt sich nicht ohne weiteres als Auffangtatbestand für von den Beispielstatbeständen der §§ 4 bis 6 UWG nicht erfasste Verhaltensweisen heranziehen.
Ein Rückgriff auf die Generalklausel des § 3 UWG kommt nur in Betracht, wenn das betreffende Verhalten von seinem Unlauterkeitsgehalt her den in den Beispielsfällen der §§ 4 ff. UWG geregelten Verhaltensweisen entspricht.
Ebenso:
BGH, Urt. v. 16.11.2017, I ZR 160/16, Tz. 24 – Knochenzement II
Die Ableitung von Ansprüchen aus dieser wettbewerbsrechtlichen Generalklausel setzt nach der Rechtsprechung des Senats voraus, dass die betreffende Verhaltensweise von ihrem Unlauterkeitsgehalt her den im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb angeführten Beispielsfällen unlauteren Verhaltens entspricht. Ein Rückgriff auf die Generalklausel ist in Fällen geboten, in denen die Tatbestände der §§ 3a bis 7 UWG zwar bestimmte Gesichtspunkte der lauterkeitsrechtlichen Beurteilung erfassen, aber keine umfassende Bewertung der Interessen der durch das Wettbewerbsverhältnis betroffenen Marktteilnehmer ermöglichen.
Ebenso BGH, Urt. v. 16.11.2017, I ZR 161/16, Tz. 27 – Knochenzement I; BGH, Urt. v. 22.4.2009, I ZR 176/06 – Auskunft der IHK; BGH, Urt. v. 12.7.2012, I ZR 54/11, Tz. 26 - Solarinitiative; OLG Brandenburg, Urt. v. 5.4.2018, 6 U 50/13, Tz. 97; OLG Nürnberg, Hinweisbeschl. v. 26.11.2021, 3 U 2473/21, Tz. 62
BGH, Urt. v. 16.11.2017, I ZR 160/16, Tz. 26 – Knochenzement II
Bei der Prüfung der Unlauterkeit im Sinne der wettbewerbsrechtlichen Generalklausel des § 3 Abs. 1 UWG ist eine umfassende Bewertung der Interessen der durch das Wettbewerbsverhältnis betroffenen Marktteilnehmer vorzunehmen.
Ebenso BGH, Urt. v. 16.11.2017, I ZR 161/16, Tz. 30 – Knochenzement I
Zum Beispiel einer Interessensabwägung im Zusammenhang mit der Ausnutzung einer Vorteilsstellung aufgrund eines früheren Verrats von Geschäftsgeheimnissen, siehe BGH, Urt. v. 16.11.2017, I ZR 161/16, Tz. 31 ff – Knochenzement I und BGH, Urt. v. 16.11.2017, I ZR 160/16, Tz. 30 f – Knochenzement II.
Verhältnis von § 3 Abs. 1 UWG zu § 3 Abs. 2 UWG
Als Auffangtatbestand funktioniert § 3 Abs. 1 UWG allerdings nur außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie 2005/29 über unlautere Geschäftspraktiken, d.h. bei geschäftlichen Handlungen, die sich nicht an Verbraucher richten oder diese erreichen. Bei geschäftlichen Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, gilt ausschließlich § 3 Abs. 2 UWG, der in seinem Anwendungsbereich einen eigenen Auffangtatbestand gegenüber §§ 3 Abs. 3 in Verbindung mit dem Anhang zu § 3 Abs. 3, 4a bis 7 UWG enthält. Da gegenüber Verbrauchern alles erlaubt ist, was die UGP-Richtlinie nicht verbietet, wäre ein über § 3 Abs. 2 UWG hinausgehender Rückgriff auf § 3 Abs. 1 UWG ein Verstoß gegen die Richtlinie (EuGH, Urt. v. 17.10.2013, C-391/12, Tz. 33 - Good News).
Verhältnis von § 3 Abs. 1 UWG zu § 6 UWG
Ein Ausnahmefall ist die Regelung der vergleichenden Werbung in § 6 UWG. Sie beruht auf der Richtlinie 2006/114/EG über irreführende und vergleichende Werbung und hat darin eine eigene abschließende Regelung erhalten, die ebenfalls einen Rückgriff auf § 3 Abs. 1 UWG als Auffangtatbestand verbietet (BGH, Urt. v. 2.4.2015, I ZR 167/13, Tz. 18 - Staubsaugerbeutel im Internet).
Relevanz
§ 3 Abs. 1 UWG in der bis zum 10.12.2015 geltenden Fassung enthielt ein Relevanzkriterium, wie es sich heute in § 3a UWG findet. Ob durch die Streichung des Relevanzkriterium bei unlauteren geschäftlichen Handlungen gemäß § 3 Abs. 1 UWG keine Relevanz mehr erforderlich ist, scheint allerdings zweifelhaft. Zu dieser Frage gibt es aber nach der UWG-Reform noch keine Stellungnahme in der Rechtsprechung.
Zitiervorschlag zur aktuellen Seite
Omsels, Online-Kommentar zum UWG: