Boykottähnliche Maßnahmen zielen darauf ab, in anderer Weise in anderer Weise als durch einen Boykottaufruf eine Liefer- oder Bezugssperre zu Lasten eines Unternehmens herbeizuführen. Darunter fallen bspw. Äußerungen gegenüber Abnehmern des Unternehmens, durch die dessen Waren oder Leistungen zu Unrecht als rechtswidrig bezeichnen werden und die - jedenfalls mittelbar - nahe legen, vom Erwerb der Waren oder Bezug der Dienstleistungen Abstand zu nehmen.
Die Unlauterkeit beurteilt sich nach den gleichen rechtlichen Kriterien wie der Boykottaufruf.
BGH, Urt. v. 8.1.1960, I ZR 7/59, Ls. - Schleuderpreise (= GRUR 1960, 331)
Wer Lieferanten eines Mitbewerbers zu einem Vorgehen auffordert, das den Ablauf des Geschäftsbetriebs des Mitbewerbers in empfindlicher Weise stören würde, handelt, die Widerrechtlichkeit der Aufforderung vorausgesetzt, auch dann wettbewerbswidrig, wenn die Aufforderung nicht ausdrücklich auf den Boykott des Mitbewerbers gerichtet ist.
Das Verhalten der Beklagten stellt sich auch als unlauter gemäß §§ 3, 4 Nr. 10 bzw. Nr. 7 UWG dar. Die Äußerung der Beklagten, sie werde die durch die Beauftragung des Klägers entstandenen Sachverständigenkosten nicht übernehmen, stellt sich mittelbar als Boykott und damit als gezielte Behinderung nach § 4 Nr. 10 UWG dar. Zwar ruft die Beklagte Dritte nicht ausdrücklich dazu auf, den Kläger nicht mehr zu beauftragen. Da sich ihr Verhalten gegenüber der Regulierung der Kosten der Beauftragung des Klägers aber zumindest über die involvierten Rechtsanwälte sogleich auch bei zukünftigen Anspruchstellern herumsprechen wird und sich auch schon herumgesprochen hat, hat das Verhalten der Beklagten die gleiche Wirkung, wie eine unmittelbare Empfehlung, den Kläger nicht mehr zu beauftragen, denn es ist ohne weiteres nachvollziehbar, dass der Geschädigte in der Situation der Entscheidung darüber, welchen Sachverständigen er mit der Begutachtung des Schadens beauftragen soll, auch berücksichtigen wird, ob es bei der Übernahme der Gutachterkosten mit der Haftpflichtversicherung zu Schwierigkeiten kommen wird oder nicht, unabhängig davon, ob möglicherweise im Einzelfall gerichtlich die Übernahme der Gutachterkosten durchgesetzt werden könnte. Da es sich bei der Kfz-Schadensregulierung um ein Massengeschäft handelt, betrifft das Verhalten der Beklagten auch eine Vielzahl von Fällen.
Zur Behauptung eines Kfz-Herstellers, dass es bei der Abwicklung von Gewährleistungsansprüchen Schwierigkeiten geben könnte, wenn Wartungs- und Reparaturarbeiten bei einem aus dem Vertragsnetz ausgeschiedenen ehemaligen Vertragshändler durchgeführt würden:
OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 3.8.2004, 11 U 17/04 (Kart)
Damit liegt eine zumindest boykottähnliche Maßnahme vor (§ 1 UWG a.F.). …
Es kann dahinstehen, ob die Beklagte die Abnehmer der Klägerin auf die Beendigung der Vertragshändlerbeziehung in sachlicher Form hinweisen durfte. Jedenfalls ist der Beklagten nicht zuzugestehen, dass sie einen solchen Hinweis mit einer unzutreffenden, weil missverständlichen Information über Garantieansprüche verbindet, die den Eindruck entstehen lässt, die Klägerin könne künftig keine Gewährleistungsarbeiten mehr an den von ihr verkauften Motorrädern ausführen, ohne dass der Kunde Rechtsnachteile (die über die in den Garantiebedingungen der Beklagten ohnehin schon enthaltenen hinausgehen) befürchten muss.
Zur Verteilung eines Aufklebers für Briefkästen durch den Verleger eines Anzeigenblatts, durch die der Einwurf von Anzeigenblättern mit Ausnahme desjenigen des Verlegers untersagt wird:
OLG Brandenburg, Urt. v. 22.12.2014, 6 U 142/13
Bringen Verbraucher die Aufkleber mit der Aufschrift „Bitte…keine kostenlosen Anzeigenblätter…Nur …“ bestimmungsgemäß an ihren Briefkästen an, ist die Möglichkeit des Absatzes von anderen Anzeigenblättern beeinträchtigt. Denn Zusteller müssen entsprechende Aufkleber beachten, § 7 Abs. 1 Satz 2 UWG, so dass infolge des Anbringens des Aufklebers der Briefkasten für die Konkurrenzunternehmen nicht mehr zugänglich ist. Die Folgen des Aufklebers treffen damit nur die Mitbewerber der Beklagten (vgl. OLG Stuttgart, Beschl. v. 3.11.1998, 2 W 51/98; Beschl. v. 2.4.1993, 2 W 19/93, NJW-RR 1993, 1455). …
... Die Maßnahme richtet sich an diejenigen Verbraucher, deren Briefkästen noch „offen“ sind und in die sowohl die Klägerin als auch die Beklagten ihre Anzeigenblätter unbeschränkt einwerfen können. Diesen Verbrauchern bietet die Beklagte ihre Aufkleber „zur Herstellung von Ordnung im Briefkasten“ an, wobei diese durch eine Reduzierung des Anfalls von Anzeigenzeitungen und Werbung hergestellt werden soll, die zugleich zu Gunsten der Beklagten wirkt. Denn nach dem Anbringen des Aufklebers darf nur noch der „…“ in den Briefkasten eingeworfen werden. Die Aufkleber werden also gerade mit dem Ziel in den Verkehr gebracht, dass sie angebracht werden und damit den Mitbewerber von der Teilnahme am Leistungswettbewerb ausschließen. Denn bei Erfüllung dieses Ordnungswunsches der Verbraucher unter Verwendung des Aufklebers, tritt eine Sperre für Konkurrenzprodukte der Beklagten ein. Für deren Zeitungen ist der Zugang zum Markt, das heißt zu den Haushalten versperrt, sie können nicht mehr mit dem Anzeigenblatt der Beklagten in den Leistungswettbewerb treten. Dies stellt, anders als etwa das Bemühen, Werbeverweigerer trotz ihrer Haltung zur Annahme wenigstens des Anzeigenblatts der Beklagten zu bewegen, eine Verdrängung und damit gezielte Behinderung des Mitbewerbers dar.
… Der Umstand, dass nicht die Beklagte selbst die Aufkleber auf den Briefkästen anbringt, sondern dass dies jeweils der individuellen, autonomen Entscheidung der Verbraucher vorbehalten ist, steht der Bewertung als gezielte Behinderung nicht entgegen. Denn der Aufkleber stellt kein Mittel des Leistungswettbewerbs dar, der darauf ausgerichtet ist, den Verbraucher aufgrund der eigenen Leistung zu einer Entscheidung für das eigene und gegen das fremde Produkt zu veranlassen. Vielmehr beeinflusst der Aufkleber die Verbraucher dahin, die Annahme der Produkte der Mitbewerber abzulehnen.
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Omsels, Online-Kommentar zum UWG: