Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 

B. Gesundheitssektor

Im Anwendungsbereich des 5. Sozialgesetzbuches (SGB V) findet das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb keine Anwendung, da die gesetzlichen Bestimmungen des Sozialgesetzbuches vorgehen.

BGH, Urt. v. 23.2.2006, I ZR 164/03, Tz. 20 ff. - Blutdruckmessungen

Nach § 69 Satz 1 SGB V sind die Rechtsbeziehungen der gesetzlichen Krankenkassen und ihrer Verbände zu Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Apotheken und sonstigen Leistungserbringern und ihren Verbänden abschließend im Vierten Kapitel des SGB V (Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern) und in §§ 63 und 64 SGB V geregelt. Dies gilt nach § 69 Satz 4 SGB V auch, soweit durch diese Rechtsbeziehungen Rechte Dritter betroffen sind.

§ 69 SGB V ist eine materiell-rechtliche Regelung, die festlegt, nach welchen Bestimmungen die Handlungen der Krankenkassen zu beurteilen sind, durch die sie - mittels ihrer Rechtsbeziehungen zu den Leistungserbringern - ihren öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrag erfüllen, den Versicherten die im Dritten Kapitel des SGB V geregelten Leistungen in Natur zur Verfügung zu stellen.

Die Vorschrift des § 69 SGB V schließt es aus, Handlungen der Krankenkassen und der von ihnen eingeschalteten Leistungserbringer, die der Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrags gegenüber den Versicherten dienen sollen, nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb zu beurteilen.

Die Vorschrift des § 69 SGB V bezieht sich auch auf die Beziehungen von Leistungserbringern untereinander, soweit es um Handlungen in Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrags der Krankenkassen geht.

Ebenso BGH, Urt. v. 1.12.2016, I ZR 143/15, Tz. 11 - Zuzahlungsverzicht bei Hilfsmitteln; OLG Hamm, Urt.v.24.9.2013, 4 U 64/13, Tz. 102; s.a. OLG Hamm, Urt. v. 13.8.2019, 4 U 9/19, Tz. 33

BGH, Urt. v. 1.12.2016, I ZR 143/15, Tz. 11 - Zuzahlungsverzicht bei Hilfsmitteln

Durch § 69 Abs. 1 SGB V soll sichergestellt werden, dass Handlungen der Krankenkassen und der für sie tätigen Leistungserbringer zur Erfüllung des Versorgungsauftrags gegenüber den Versicherten nur nach öffentlichem Recht beurteilt werden. Da die Krankenkassen grundsätzlich ihre medizinischen und sonstigen Leistungen nicht selbst erbringen, erfasst § 69 Abs. 1 SGB V auch die Beziehungen von Leistungserbringern untereinander, soweit es um Handlungen in Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrags der Krankenkassen geht. Die Vorschrift des § 69 Abs. 1 SGB V schließt es danach aus, Handlungen der Krankenkassen und der von ihnen eingeschalteten Leistungserbringer, die der Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrags gegenüber den Versicherten dienen sollen, nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb zu beurteilen.

OLG Hamm, Urt.v.24.9.2013, 4 U 64/13, Tz. 102

§ 69 SGB V ist auch nicht auf die Beurteilung der internen, insbesondere vertraglichen Rechtsbeziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern untereinander und - im Hinblick auf § 69 Satz 4 SGB V - auf die Auswirkungen dieser Rechtsbeziehungen auf Dritte beschränkt. Hiermit soll sichergestellt werden, dass Handlungen der gesetzlichen Krankenkassen und der für sie tätigen Leistungserbringer zur Erfüllung des Versorgungsauftrags gegenüber dem Versicherten nur nach dem öffentlichen Recht beurteilt werden (BGH NJW-RR 2006, 1046; NJW 2007, 1819). Der Gesetzgeber hat damit die Grenzen zwischen öffentlichem und bürgerlichen Recht im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung (weg von einer möglichen Doppelnatur des Verwaltungshandelns) verschoben und die Rechtsbeziehungen zu den (potentiellen) Leistungserbringern pauschal dem öffentlichen Recht zugewiesen (Ahrens-Bornkamm, Kap. 15 Rn. 28, 30).

OLG Stuttgart, Urt. v. 9.7.2015, 2 U 83/14, Tz. 44

§ 69 SGB V erfasst ausschließlich die Rechtsbeziehungen, die im Zusammenhang mit der Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrages der Krankenkassen einerseits und der Erfüllung des übernommenen Versorgungsauftrags durch die Leistungserbringer andererseits stehen. Da § 33 Abs. 8 SGB V ein eigenes Anspruchsverhältnis unmittelbar zwischen Leistungserbringer und gesetzlich Krankenversichertem schafft, wird die vorliegende Konstellation nicht durch § 69 SGB V dem Anwendungsbereich des UWG grundsätzlich entzogen.

Die Bestimmungen des Sozialgesetzbuches verdrängen die Regelungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb aber nur so weit, wie diese Bestimmungen reichen. Außerhalb der Regelungsbereiche des Sozialgesetzbuches gilt das Wettbewerbsrecht für Krankenkassen gleicher Weise wie für andere Unternehmen, soweit sich die Krankenkassen mit dem zur Beurteilung stehenden Verhalten am Wettbewerb beteiligen.

OLG Hamm, Urt. v. 13.8.2019, 4 U 9/19, Tz. 34

Die Anwendbarkeit des § 69 SGB V und damit der Ausschluss der Vorschriften des UWG hängt dabei auch nicht davon ab, ob die zu beurteilenden Handlungen den Anforderungen des SGB V genügen. Es ist gerade der Sinn des § 69 SGB V, die Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Handlungen, die dem öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrag dienen sollen, nur den in dieser Bestimmung aufgeführten Rechtsvorschriften zu unterwerfen und dabei die Anwendung des Wettbewerbsrechts auszuschließen (BGH, Urt. v. 23.2.2006, I ZR 164/03 – Blutdruckmessungen, GRUR 2006, 517, 519).

Beispiel:

OLG Hamm, Urt.v.24.9.2013, 4 U 64/13, Tz. 104

Die Antragsgegnerin bewegt sich als Managementgesellschaft durch den Abschluss von Selektiverträgen mit den Krankenkassen zwar im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben des § 73c SGB V und insoweit mag ihr Handeln nach § 69 SGB V prinzipiell der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung entzogen sein. Streitgegenständlich ist hier jedoch weder der Abschluss noch der Inhalt dieser Selektiverträge. Vielmehr geht es um die Umsetzung der Leistungserbringung im Wettbewerb mittels Werbung für die Dienstleistungen, die die Antragsgegnerin gegenüber den Mitgliedern der beteiligten Krankenkassen in nicht festgelegtem Umfang und in völlig unterschiedlicher Weise erbringen kann. Hierbei handelt es sich um eine Handlung mit dem Ziel der Absatzförderung in Bezug auf die eigenen Dienstleistungen im Rahmen der Rechtsbeziehungen zu den Patienten, die die anderen Marktteilnehmer beeinträchtigen kann und allein dem Wettbewerbsrecht unterliegt. Die Antragstellerin beanstandet den Aussagegehalt des Internetauftritts der Antragsgegnerin als Werbemaßnahme und beruft sich hierbei ausschließlich auf das für jeden privaten Wettbewerber geltende Irreführungsverbot des § 5 UWG.

Beispiel:

BGH, Urt. v. 1.12.2016, I ZR 143/15, Tz. 12 - Zuzahlungsverzicht bei Hilfsmitteln

Anders als beim Vertrieb von Hilfsmitteln ohne die erforderliche Kassenzulassung (vgl. BGH, GRUR 2004, 247, 249 - Krankenkassenzulassung) oder einer zwischen einer Krankenkasse und einem Apotheker vereinbarten Gutscheinaktion (vgl. BGH, GRUR 2006, 517 - Blutdruckmessungen) erfolgt die Absatzwerbung der Beklagten nicht im Rahmen ihrer Rechtsbeziehung als Leistungserbringerin zu einer gesetzlichen Krankenkasse, sondern gegenüber den gesetzlich Versicherten.