Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 

Kennzeichnung

OLG Frankfurt, Urt. v. 18.1.2024, 6 U 32/23, Tz. 9 (GRUR 2024, 1743)

Art. 19 Abs. 1 Kosmetik-VO stellt aufgrund des unmittelbaren Wettbewerbsbezugs eine Marktverhaltensregel iSv § 3a UWG dar (MüKoUWG/Schaffert, 3. Aufl. 2020, UWG § 3a Rn. 458).

EuGH, Urt. v. 17.12.2020, C-667/19, Tz. 21, 37 – A.M./E.M.

Nach Art. 19 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 1223/2009 dürfen kosmetische Mittel nur auf dem Markt bereitgestellt werden, wenn die Behältnisse und Verpackungen dieser Mittel unverwischbar, leicht lesbar und deutlich sichtbar die Angabe des „Verwendungszweck[s] des kosmetischen Mittels“ tragen, „sofern dieser sich nicht aus der Aufmachung dessen ergibt“. ...

Art.19 Abs.1 Buchst. f der Verordnung Nr. 1223/2009 ist dahin auszulegen, dass die Angabe des „Verwendungszweck[s] eines kosmetischen Mittels“, die nach dieser Bestimmung auf dem Behältnis und der Verpackung eines solchen Mittels anzubringen ist, geeignet sein muss, den Verbraucher klar über die Anwendung und die Verwendungsweise des Mittels zu informieren, um sicherzustellen, dass die Verbraucher das Mittel sicher und ohne Beeinträchtigung ihrer Gesundheit verwenden können, und dass diese Angabe daher nicht auf eine bloße Aussage zu den mit dem Gebrauch des Mittels verfolgten Zwecken im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. a dieser Verordnung beschränkt werden kann. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, anhand der Merkmale und Eigenschaften des betreffenden kosmetischen Mittels sowie der Erwartung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers Art und Umfang der Informationen zu bestimmen, die auf dem Behältnis und der Verpackung des Mittels erscheinen müssen, damit es ohne Gefahr für die menschliche Gesundheit verwendet werden kann.

EuGH, Urt. v. 17.12.2020, C-667/19, Tz. 42, 49 – A.M./E.M.

Art. 19 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1223/2009 führt eine von der allgemeinen Kennzeichnungsregelung abweichende Regelung ein und ist daher eng auszulegen (vgl. entsprechend Urteil vom 13. September 2001, Schwarzkopf, C‑169/99, EU:C:2001:439, Rn. 31). ...

Art. 19 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1223/2009 ist dahin auszulegen ist, dass die in Art. 19 Abs. 1 Buchst. d, f und g dieser Verordnung genannten Angaben, d. h. die Angaben zu den besonderen Vorsichtsmaßnahmen für den Gebrauch des kosmetischen Mittels, zu seinem Verwendungszweck und zu seinen Bestandteilen, nicht in einem Firmenkatalog vermerkt werden können, auf den das Symbol nach Anhang VII Nr. 1 dieser Verordnung, das auf der Verpackung oder dem Behältnis des Mittels angebracht ist, verweist.

OLG München, Urt. v. 22.12.2021, 29 U 470/18, Tz. 38 f

Nach Art. 19 Abs. 1 lit. g) VO (EG) Nr. 1223/2009 dürfen kosmetische Mittel nur auf dem Markt bereitgestellt - mithin in den Verkehr gebracht (vgl. Art. 2 Abs. 1 lit. g) VO (EG) Nr. 1223/2009) - werden, wenn ihre Verpackungen unverwischbar, leicht lesbar und deutlich sichtbar eine Liste der Bestandteile tragen.

Dieser Anforderung genügen die beanstandeten Verpackungen der Cremes „ByeByeCellulite“ und „3 D Bodylift“ nicht. Der Beklagte räumt ein, dass die Kartonfaltung, die zur teilweisen Abdeckung der Bestandteilliste führt, fehlerhaft ist. Diese Abdeckung führt dazu, dass die Liste nicht insgesamt deutlich gesehen werden kann. Das hindert die Transparenz, die nach Erwägungsgrund 46 der VO (EG) Nr. 1223/2009 mit dem Erfordernis der Angabe der Bestandteile erreicht werden soll. Ob der Verbraucher die Liste vollständig sichtbar machen kann, ist insoweit ohne Belang. Zum einen kann dem Verbraucher nicht zugemutet werden, die Verpackung zu manipulieren, etwa die Bodenfaltung einzudrücken, um sich die erforderliche Kenntnis zu verschaffen, und dadurch Gefahr zu laufen, die Verpackung zu beschädigen; zum anderen obliegt es nicht dem Verbraucher, sondern gemäß Art. 5 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1223/2009 der Beklagten als verantwortlicher Person im Sinne des Art. 4 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1223/2009, die Liste deutlich sichtbar zu machen.

OLG Frankfurt, Urt. v. 18.1.2024, 6 U 32/23, Tz. 11 ff (GRUR 2024, 1743)

Die Begriffe der deutlichen Sichtbarkeit und leichten Lesbarkeit sind – was schon der Wortlaut nahelegt – getrennte Tatbestandsmerkmale.

Auch ein Vergleich mit dem in systematischer Hinsicht ähnlichen Lebensmittelrecht unterstreicht dies. Nach Art. 13 Abs. 1 LMIV sind die vergleichbaren Kriterien der gut sichtbaren Stelle und der guten Lesbarkeit im Lebensmittelrecht getrennt voneinander zu beurteilen (Voit/Grube LMIV, 2. Aufl. 2016, LMIV Art. 13 Rn. 11; Sosnitza/Meisterernst LebensmittelR/Meisterernst, 184. EL Juli 2022, LMIV Art. 13 Rn. 11).

Die deutliche Sichtbarkeit setzt voraus, dass das Etikett, das die erforderlichen Hinweise enthält, seinerseits gut sichtbar auf dem Behältnis angebracht sein muss, also nicht etwa zB unter einer Falz teilweise verdeckt ist oder wie bei einem Leporello das Etikett erst nach dem Auseinanderziehen und damit einem Substanzeingriff in die Verpackung sichtbar wird. ...

Anders als im Lebensmittelrecht hat der Gesetzgeber davon Abstand genommen, für die leichte Lesbarkeit eine bestimmte Mindestgröße für die Pflichtangaben vorzugeben. Aus diesem Grund besteht in Literatur und Rechtsprechung Einigkeit darüber, dass keine allzu großen Anforderungen an die Schriftgröße zu stellen sind (Sosnitza/Meisterernst LebensmittelR/Rathke, 184. EL Juli 2022, LMIV Art. 13 Rn. 108; Natterer Kosmetik-VO/Reinhart, 2014, Kosmetik-VO Art. 19 Rn. 14). Aus teleologischen Gründen liegt nahe, dass die Anforderungen insbesondere geringer sein müssen als im Lebensmittel- oder im Heilmittelwerberecht, da insoweit die Gefahren für die Gesundheit der Verbraucher geringer sind.

Ob eine Kennzeichnung leicht lesbar ist, richtet sich neben der Schriftgröße unter anderen nach der Farbe, der Anordnung und dem Untergrund der Schrift. Die leichte Lesbarkeit hängt aber insbesondere auch von dem Kontrast des Schriftbildes zum Hintergrund sowie dem Zusammenspiel der weiteren dargelegten Kriterien ab. Gegebenenfalls sind daher höhere Anforderungen an die Schriftgröße zu stellen, wenn sich auf dem Untergrund der Schriftbilder Grafiken oder Farben befinden, die die Lesbarkeit erschweren.