Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 

 

 

a) Richtlinienkonformität

Nach Art. 3 Abs. 4 der UGP-Richtlinie gehen sämtliche Rechtsvorschriften der Gemeinschaft, die besondere Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken regeln, im Kollisionsfall vor. Damit gilt die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken nur subsidiar für Geschäftspraktiken, die bereits durch andere gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften erfasst werden. Dazu gehören insbesondere die Fernabsatzrichtlinie (97/7/EG), die Werbung per Fax oder mittels automatischer Telefonsysteme ohne Zustimmung des Adressaten verbietet, und die Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation (2002/58/EG), die ein Verbot unerbetener Werbung per Mail enthält.

Zu § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG (a.F., heute § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG):

BGH, Urt. v. 10.2.2011, I ZR 164/09, Tz. 23 ff – Double-opt-in Verfahren

§ 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG mit dem Unionsrecht im Einklang.

Art. 13 Abs. 3 der Richtlinie 2002/58/EG (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) erlaubt ausdrücklich mitgliedstaatliche Regelungen, nach denen Telefonwerbung ohne Einwilligung des betroffenen Teilnehmers nicht gestattet ist (sog. "opt-in"). Von dieser Regelungsmöglichkeit hat der deutsche Gesetzgeber Gebrauch gemacht. § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG verstößt auch nicht gegen die Richtlinie 2005/29/EG Allerdings wurden die Regeln über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern mit der Richtlinie 2005/29/EG auf Gemeinschaftsebene vollständig harmonisiert. Dabei stellt Anhang I der Richtlinie eine erschöpfende Liste der Geschäftspraktiken auf, die nach ihrem Art. 5 Abs. 5 "unter allen Umständen" als unlauter anzusehen sind. Nur diese Geschäftspraktiken können daher ohne eine Beurteilung des Einzelfalls anhand der Bestimmungen der Art. 5 bis 9 der Richtlinie 2005/29/EG als unlauter gelten, weil das Merkmal der Unlauterkeit bereits in ihrem Tatbestand enthalten ist. Nach dem ersten Satz der Nummer 26 des Anhangs I der Richtlinie ist allein das hartnäckige und unerwünschte Ansprechen von Kunden über Telefon, Fax, E-Mail oder sonstige für den Fernabsatz geeignete Medien unter allen Umständen unlauter.

Dies gilt gemäß Satz 2 dieser Bestimmung jedoch "unbeschadet des Artikels 10 der Richtlinie 97/7/EG sowie der Richtlinien 95/46/EG und 2002/58/EG". Dadurch wird insoweit nicht etwa ein Vorrang der Richtlinie 2005/29/EG angeordnet (aA Engels/Brunn, GRUR 2010, 886, 888). Die genannten Vorschriften - und damit insbesondere auch Art. 13 Abs. 3 der Richtlinie 2002/58/EG - behalten vielmehr ohne Einschränkung durch die Richtlinie 2005/29 EG weiterhin Gültigkeit. Diese schon nach dem Wortlaut gebotene Auslegung wird durch die beiden letzten Sätze des Erwägungsgrunds 14 dieser Richtlinie bestätigt. Danach sollte die Richtlinie 2005/29/EG das bestehende Gemeinschaftsrecht unberührt lassen, das den Mitgliedstaaten ausdrücklich die Wahl zwischen mehreren Regelungsoptionen für den Verbraucherschutz auf dem Gebiet der Geschäftspraktiken lässt. Die vorliegende Richt-linie sollte insbesondere Artikel 13 Absatz 3 der Richtlinie 2002/58/EG unberührt lassen.

Die Regelung in Nr. 26 des Anhangs I der Richtlinie 2005/29/EG wird bei weiterer Zulässigkeit der "Opt-in"-Lösung im Recht der Mitgliedstaaten keineswegs überflüssig. Sie behält ihren Anwendungsbereich für die Mitgliedstaaten, in denen in Anwendung der zweiten Regelungsoption des Art. 13 Abs. 3 der Richtlinie 2002/58/EG Telefonwerbung nur dann unzulässig ist, wenn sie sich an Teilnehmer richtet, die ihr widersprochen haben ("Opt-out"-Lösung).

Zitiert von OLG München, Urt. v. 21.3.2019, 6 U 3377/18, Tz. 53

Zu § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG (a.F., heute § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG):

Urt. v. 14.1.2016, I ZR 65/14, Tz. 24 - Freunde finden

Mit der Vorschrift des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG hat der deutsche Gesetzgeber die in Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/EG über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation enthaltenen Vorgaben zum Schutz der Privatsphäre des Betroffenen vor unverlangt auf elektronischem Wege zugesandter Werbung umgesetzt. Die in § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG getroffene Regelung ist von dieser Richtlinienvorschrift abgedeckt und steht auch in Einklang mit Nr. 26 Anhang I der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken, der die Anwendung der Vorschriften der Datenschutzrichtlinie ausdrücklich unberührt lässt (Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Aufl., § 7 Rn. 97 und 182; MünchKomm.UWG/Leible, 2. Aufl., § 7 Rn. 150).

Zitiert von OLG München, Urt. v. 21.3.2019, 6 U 3377/18, Tz. 54

OLG Hamm, Urt. v. 17.2.2011, I-4 U 174/10

Die Schwarze Liste der UGP-Richtlinie enthält zwar eine abschließende Aufzählung von unter allen Umständen unlauteren Geschäftspraktiken. Es ist aber zu berücksichtigen, dass der Anwendungsbereich des Anh I Nr. 26 UGP-Richtlinie durch Nr. 26 S. 2 u.a. zugunsten der Richtlinie 2002/58 (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) eingeschränkt wird ("unbeschadet"). Der Tatbestand des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG ist durch Art. 13 Abs. 1 der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation gedeckt. Danach darf die Verwendung von automatischen Anrufmaschinen, Faxgeräten oder elektronischer Post nur bei vorheriger Einwilligung der Teilnehmer gestattet werden. Der Tatbestand des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG ist von Art 13 Abs. 3 der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation gedeckt, der dem nationalen Gesetzgeber ausdrücklich gestattet, die Telefonwerbung von der Einwilligung der betreffenden Teilnehmer ("opt-in") abhängig zu machen. Daran wollte die UGP-Richtlinie ausweislich des Erwägungsgrundes 14 (vorletzter und letzter Satz) nichts ändern (Köhler / Bornkamm, UWG, 29. Aufl., 2011, § 7 Rn 97).

Zum Verhältnis zur UGP-Richtlinie außerdem:

KG, Urt. v. 20.4.2016, 5 U 116/14 (= WRP 2016, 898)

Die in ihrem Anwendungsbereich das Lauterkeitsrecht vollständig harmonisieren der UGP-Richtlinie 2005/29/EG zwingt nicht (…) zu einer einschränkenden Interpretation der Klagebefugnis. Nach ihrem Erwägungsgrund 7 Satz 3 bezieht sich die UGP-Richtlinie nicht auf die gesetzlichen Anforderungen in Fragen der guten Sitten und des Anstands, die in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich sind. So können Geschäftspraktiken wie beispielsweise das Ansprechen von Personen auf der Straße zu Verkaufszwecken in manchen Mitgliedstaaten aus kulturellen Gründen unerwünscht sein (Erwägungsgrund 7 Satz 4). Die Mitgliedstaaten sind daher durch die Richtlinie grundsätzlich nicht gehindert, weiterhin Geschäftspraktiken aus Gründen der guten Sitten und des Anstands zu verbieten, auch wenn diese Praktiken die Wahlfreiheit des Verbrauchers nicht beeinträchtigen, sondern nur eine unzumutbare Belästigung darstellen.