Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 

§ 16 UWG - Strafbare Werbung

 

1. Gesetzestatbestand

2. Black List

3. § 16 Abs. 2 UWG Progressive Werbung

3a. Verbraucher

3b. Schutzzweck

3c. Tatvollendung

13d. Kettenelement

4. Multi-Level-Marketing (Strukturvertrieb)

Literatur: Keller, Anja, Progressive Systeme zur Verkaufsförderung im Recht des unlauteren Wettbewerbs, WRP 2017, 262

Gesetzestatbestand

 

§ 16 Strafbare Werbung

(1) Wer in der Absicht, den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorzurufen, in öffentlichen Bekanntmachungen oder in Mitteilungen, die für einen größeren Kreis von Personen bestimmt sind, durch unwahre Angaben irreführend wirbt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Wer es im geschäftlichen Verkehr unternimmt, Verbraucher zur Abnahme von Waren, Dienstleistungen oder Rechten durch das Versprechen zu veranlassen, sie würden entweder vom Veranstalter selbst oder von einem Dritten besondere Vorteile erlangen, wenn sie andere zum Abschluss gleichartiger Geschäfte veranlassen, die ihrerseits nach der Art dieser Werbung derartige Vorteile für eine entsprechende Werbung weiterer Abnehmer erlangen sollen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

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Black List

 

Ziffer 14 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG

Unzulässige geschäftliche Handlungen im Sinne des § 3 Absatz 3 sind

die Einführung, der Betrieb oder die Förderung eines Systems zur Verkaufsförderung, das den Eindruck vermittelt, allein oder hauptsächlich durch die Einführung weiterer Teilnehmer in das System könne eine Vergütung erlangt werden (Schneeball- oder Pyramidensystem)

OLG Frankfurt, Urt. v. 12.5.2011, 6 U 29/11, Tz. 6

Nach herrschender Ansicht decken sich die Anwendungsbereiche der Ziffer 14 der „Black List“ und des § 16 Abs. 2 UWG. Daher kann auf die zu § 16 Abs. 2 UWG entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden.

Ebenso OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.1.2016, 6 W 7/16

Zum Anwendungsbreichs der Ziff. 14 der Black List im Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG siehe hier.

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§ 16 Abs. 2 UWG Progressive Werbung

 

§ 16 Abs. 2 UWG stellt den Aufbau und den Betrieb eines sog. Schneeballsystems unter Strafe. Derartiges Verkaussystem ist eigen, dass ihre Erfolgsaussichten auf jeder Stufe schwinden. Während auf der ersten oder auch weiteren früheren Stufen ordentliche Gewinne erzielt werden, müssen die Mitglieder auf späteren Stufen 'die Zeche zahlen'.

Verbraucher

 

BGH, Beschl. v. 24.11.2011, Tz. 25 f, 5 StR 514/09

Maßgebender Zeitpunkt der Beurteilung der Eigenschaft einer Person als Verbraucher ist im Rahmen des § 16 Abs. 2 UWG nicht der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses; abzustellen ist vielmehr auf den Zeitpunkt, in welchem der Geworbene erstmals durch das Absatzkonzept des Veranstalters in der Weise angesprochen wird, dass die Werbung unmittelbar in die Abnahme des Produkts einmünden soll.

Da nach § 16 Abs. 2 UWG das Verhalten im Vorgriff auf den Abschluss eines Rechtsgeschäftes pönalisiert wird, bestimmt sich danach auch der Verbraucherbegriff. Maßgeblich ist deshalb, ob die Adressaten in dem Zeitpunkt, in welchem sie durch die Werbemaßnahmen angesprochen werden, Verbraucher sind.

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Schutzzweck

 

BGH, Beschl. v. 24.11.2011, Tz. 27, 5 StR 514/09

§ 16 Abs. 2 UWG ist ein abstraktes Gefährdungsdelikt. Bezweckt ist der generelle Schutz geschäftlich unerfahrener Personen vor der Verstrickung in Vertriebsmethoden, die schon ihrer Anlage nach für sie ein gefährliches, schadensträchtiges Risiko zum Inhalt haben. Der Abnehmer soll vor Täuschung, glücksspielartiger Willensbeeinflussung und Vermögensgefährdung geschützt werden. Zur Erfüllung des Tatbestandes ist es nicht erforderlich, dass Abnehmer auf das System „hereinfallen“ und einen Vertrag abschließen. Vielmehr genügt das Herbeiführen einer gefahrenvollen Situation, mithin die Verfolgung des als TatSchneeballsystem stukturierten Absatzsystems durch Werbemaßnahmen.

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Tatvollendung

 

BGH, Beschl. v. 24.11.2011, Tz. 28, 5 StR 514/09

Aufgrund der Ausgestaltung des Straftatbestandes als Unternehmensdelikt ist die Tat bereits vollendet, wenn der Täter versucht, das Werbe- und Vertriebssystem in Gang zu setzen. Nach allgemeinen Regeln muss er dazu zur Tat unmittelbar angesetzt haben. Das Verhalten des Täters muss darauf gerichtet sein, den geschützten Personenkreis zur Abnahme von Waren, Dienstleistungen oder Rechten zu veranlassen. Zur Tatbestandsvollendung gehört daher jede Handlung im Rahmen des nach § 16 Abs. 2 UWG tatbestandlichen Werbesystems, die geeignet ist, das Ziel zu erreichen. Entscheidend ist daher, ob in diesem Zeitpunkt – nicht bei Vertragsabschluss – sämtliche Tatbestandsmerkmale erfüllt sind.

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Kettenelement

 

BGH, Beschl. v. 24.11.2011, Tz. 33, 5 StR 514/09

Wenn die Buchung der Teilnahme an einem Motivations- und Ausbildungsseminaren als Bedingung dafür behandelt wird, dass die Vertriebsmitarbeiter selbst diese Seminare gegen Provisionen vertreiben dürfen, liegt das Kettenelement vor. Dieser Bedingungszusammenhang erfüllt den Tatbestand des § 16 Abs. 2 UWG, weil der geworbene Mitarbeiter nur dadurch besondere Vorteile erlangen kann, indem er andere zum Abschluss gleichartiger Geschäfte veranlasst. Hierdurch wird nämlich ein Schneeballsystem dergestalt begründet, dass der Vertriebsmitarbeiter ein Produkt erwerben muss und sich nur durch die Einwerbung neuer Kunden refinanzieren kann. Für den Fall einer weiteren Anwerbung erhöhte sich die Provision ebenso, wie eine Beteiligung für den mittlerweile in der Hierarchie aufgestiegenen Vertriebsmitarbeiter für den Fall vorgesehen war, dass untergeordnete Vertriebsmitarbeiter Käufer anwerben. Damit weist das System Merkmale auf, die nach ihrer Beeinflussungswirkung geeignet sind, die typische Dynamik eines Systems der progressiven Kundenwerbung in Gang zu setzen.

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Multi-Level-Marketing (Strukturvertrieb)

 

OLG, Frankfurt, Urt. v. 12.5.2011, 6 U 29/11, Tz. 7

Die Abgrenzung zwischen zulässigem Multi – Level – Marketing (Strukturvertrieb) und unzulässiger progressiver Kundenwerbung ist nur durch eine Gesamtbetrachtung des Vergütungssystems möglich. Es kommt darauf an, ob dessen Ausgestaltung in erster Linie dem Waren(ab)verkauf dient oder ob es typischerweise („nach Art dieser Werbung“) darauf zielt, neue Teilnehmer in die Absatzstruktur einzubinden. Letzteres ist dann der Fall, wenn dem Teilnehmer durch das Vergütungssystem besondere Vorteile versprochen werden, die nach ihrer Beeinflussungswirkung geeignet sind, die typische Dynamik eines Systems der sog. progressiven Kundenwerbung in Gang zu setzen (Köhler/Bornkamm a.a.O., Rn 39 zu § 16 UWG).

Ebenso OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.1.2016, 6 W 7/16, II.1

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Zitiervorschlag zur aktuellen Seite

Omsels, Online-Kommentar zum UWG:

http://www.webcitation.org/6IwdnlcXM