Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 

b) Eilbedürfnis/Dringlichkeit

Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung setzt voraus, dass eine Entscheidung des Gerichts für den Antragsteller eilig ist, weil es ihm nicht zumutbar ist, den normalen Weg des Klageverfahrens abzuwarten, um eine gerichtliche Entscheidung zu erhalten (sog. Verfügungsgrund).

OLG München, Beschl. v. 16.9.2021, 29 U 3437/21 Kart

Die nahezu einhellige Meinung behandelt den Verfügungsgrund als Zulässigkeitsvoraussetzung zur Rechtfertigung des Vorgehens im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes. Als Prozessvoraussetzung ist sein Vorliegen von Amts wegen zu prüfen und ist der Disposition der Parteien entzogen. Fehlt dieses besondere Rechtsschutzbedürfnis für die Durchführung eines Eilverfahrens, ist der Antrag als unzulässig abzuweisen (Retzer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 4. Aufl., § 12 Rn. 299 m. w. N.; Senat, WRP 2020, 109 Rn. 3).

Ebenso OLG Nürnberg, Urt. v. 18.7.2032, 3 U 1092/23, Tz. 56

Außerdem bedarf es eines besonderen Rechtsschutzinteresses, seinen Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruch im einstweiligen Verfügungsverfahren durchzusetzen.

KG, Beschl. v. 14.8.2023, 5 W 117/23, Tz. 12

Über das Erfordernis einer (bloßen) Dringlichkeit hinaus muss der Antragsteller ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis dafür haben, seine Ansprüche nicht im grundsätzlich dafür vorgesehenen Klagewege, sondern – auch und zuerst – im summarischen Eilverfahren zu verfolgen (vgl. OLG Hamburg, ...; OLG München, ...; OLG Frankfurt, ...; Feddersen in Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 12. Aufl., 2019, Kapitel 54 Rdnr. 24d; Spoenle, a. a. O., § 12 Rdnrn. 24, 34).

Die Prüfung des besonderen Rechtsschutzbedürfnisses einer Vorgehens im einstweiligen Rechtschutz erfolgt aber fast immer nur inzident. Das besondere Rechtsschutzinteresse wird nur seltenst thematisiert.

Auch bei einem gerichtlichen Vorgehen gegen einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht setzt ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung voraus, dass die Angelegenheit für den Antragsteller eilbedürftig ist. Allerdings wird im Wettbewerbsrecht – anders als in allen anderen Rechtsgebieten – von Gesetzes wegen vermutet, dass der gerichtliche Erlass eines Verbots der wettbewerbswidrigen Handlung eilig ist. Der Antragsteller muss deshalb nicht eigens darlegen, weshalb ihm nicht zumutbar ist, bis zum Abschluss eines Klageverfahrens abzuwarten. Trotzdem gilt:

KG, Beschl. v. 14.8.2023, 5 W 117/23, Tz. 9 f

Im Bereich wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche, für welche § 12 Abs. 1 UWG regelt, dass zu ihrer Sicherung einstweilige Verfügungen auch ohne die Darlegung und Glaubhaftmachung der in den §§ 935 und 940 ZPO bezeichneten Voraussetzungen erlassen werden können, ist anerkannt, dass der Antragsteller zur Wahrung dieser Dringlichkeitsvermutung alles in seiner Macht Stehende zu tun hat, um einen möglichst baldigen Erlass der einstweiligen Verfügung zu erreichen. Gibt der Antragsteller durch sein Verhalten aber selbst zu erkennen, dass es ihm nicht eilig ist, widerlegt er die Dringlichkeitsvermutung (vgl. BGH, Beschl. v. 1.7.1999, I ZB 7/99, Tz. 11). In einem solchen Fall entfällt ein Verfügungsgrund und ist es ihm zuzumuten, seine Ansprüche mit der Hauptsacheklage durchzusetzen (Kaiser in Götting/Nordemann, UWG, 3. Aufl., 2016, § 12 Rn. 161). Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Partei das Verfahren mit dem nötigen Nachdruck verfolgt und damit ihr Interesse an einer dringlichen Rechtsdurchsetzung in einem Eilverfahren dokumentiert hat, ist ihr gesamtes prozessuales und vorprozessuales Verhalten in den Blick zu nehmen (OLG Hamburg, Urt. v. 21.3.2019, 3 U 105/18, Tz. 43; Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl,. 2023, § 12 Rdnr. 2.16).

Gibt der Antragsteller durch sein Verhalten zu erkennen, dass es ihm nicht (mehr) eilig ist, ist ein Verfügungsgrund – im Regelfall – selbst dann zu verneinen, wenn – etwa, weil das Gericht einem dringlichkeitsschädlichen Ansinnen nicht nachkommt – tatsächlich keine Verfahrensverzögerung eintritt (vgl. etwa aus jüngerer Zeit OLG München, Beschl. v. 16.9.2021, 29 U 3437/21 Kart, Tz. 8 zu Fristverlängerungs- oder Terminverlegungsanträgen eines noch ungesicherten Antragstellers, denen das Gericht nicht nachkommt).

OLG Hamm, Urt. v. 19.8.2021, 4 U 57/21, Tz. 83

Der Darlegung und Glaubhaftmachung des Verfügungsgrundes bedurfte es – abweichend von §§ 936, 920 Abs. 2 ZPO – aufgrund der zugunsten der Verfügungsklägerin streitenden Dinglichkeitsvermutung des § 12 Abs. 1 UWG n. F. zunächst nicht. Erst wenn der Antragsgegner/Verfügungsbeklagte Tatsachen vorträgt, die den Schluss auf eine Kenntniserlangung zu einem bestimmten Zeitpunkt zulassen, muss der Antragsteller/Verfügungskläger darlegen und glaubhaft machen, wann er tatsächlich Kenntnis erlangt hat.

Der Antragsteller kann durch sein eigenes Verhalten die gesetzliche Vermutung der Eilbedürftigkeit widerlegen. Das ist zum einen dadurch möglich,

  • dass er sich mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu lange Zeit lässt.

Der Antragsteller kann die Eilbedürftigkeit aber auch

  • durch sein sonstiges Verhalten vor oder während des Verfahrens widerlegen.

Eine dem § 12 Abs. 1 UWG entsprechende Regelung findet sich für Kennzeichenstreitigkeiten in § 140 Abs. 3 MarkenG.

Außerdem besteht bei der Verletzung von Schutzrechten eine unterschiedliche Auffassung darüber, ob die Gefahr der Verletzung des Schutzrechts für die Annahme einer Dringlichkeit ausreicht, oder ob zusätzlich die Verwirklichung des Schutzrechts erschwert werden muss. In der Praxis hat auch dieser Disput keine spürbare Relevanz.

OLG Frankfurt, Urt. v. 27.3.2014, 6 U 243/13, Tz. 27

Der Senat vermag sich der Ansicht, die §§ 935, 940 ZPO seien mit Rücksicht auf Art. 2, 9 Abs. 1 lit. a der sog. Durchsetzungsrichtlinie (Richtlinie 2004/48/EG) so auszulegen, dass ein Eilantrag bereits dann zulässig sei, wenn die Verletzung eines Markenrechts lediglich drohe, ohne dass es darauf ankäme, ob zu besorgen sei, dass die Verwirklichung des Markenrechts vereitelt oder wesentlich erschwert werde, nicht anzuschließen (ebenso: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.8.2008, I-2 W 35/08, Tz. 2 ff). Die §§ 935, 940 ZPO setzen vielmehr die vorgenannte Bestimmung in nationales Recht um, in dem sie effektiven Rechtsschutz durch einstweilige Verfügungen zur Sicherung und Teilverwirklichung von Unterlassungsansprüchen bei Wiederholungs- bzw. Erstbegehungsgefahr von Kennzeichenverletzungen ermöglichen (vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, Vor §§ 14 - 19d, Rdn. 189).