Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 

Nr. 26 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG

Hartnäckiges Ansprechen

1. Historie, Richtlinienkonformität und Systematik

2. Fernkommunikationsmittel

3. Ansprechen

4. Hartnäckigkeit

5. Erkennbar nicht erwünscht

Verfassungskonforme Reduktion ?

Historie

Der Tatbestands des hartnäckigen Ansprechens war bis zum 27.5.2022 in § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG geregelt.

§ 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG (a.F.)

Eine unzumutbare Belästigung ist stets anzunehmen

1. bei Werbung unter Verwendung eines in den Nummern 2 und 3 nicht aufgeführten, für den Fernabsatz geeigneten Mittels der kommerziellen Kommunikation, durch die ein Verbraucher hartnäckig angesprochen wird, obwohl er dies erkennbar nicht wünscht

Er findet sich seit dem 28.5.2022 in Nr. 26 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG.

Nr. 26 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG

unzulässiges hartnäckiges Ansprechen über Fernabsatzmittel

hartnäckiges und unerwünschtes Ansprechen des Verbrauchers mittels Telefonanrufen, unter Verwendung eines Faxgerätes, elektronischer Post oder sonstiger für den Fernabsatz geeigneter Mittel der kommerziellen Kommunikation, es sei denn, dieses Verhalten ist zur rechtmäßigen Durchsetzung einer vertraglichen Verpflichtung gerechtfertigt;

Zur Abgrenzung von § 7 Abs. 1 UWG siehe hier.

Der Tatbestands entspricht Nr. 26 des Anhangs zu Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2005/29/EG. Danach besteht eine stets unzulässige aggressive Geschäftspraktik darin, dass Kunden durch hartnäckiges und unerwünschtes Ansprechen über Telefon, Fax, E-Mail oder sonstige für den Fernabsatz geeignete Medien geworben werden, außer in Fällen und in den Grenzen, in denen ein solches Ver­halten nach den nationalen Rechtsvorschriften gerechtfertigt ist, um eine vertragliche Verpflichtung durchzusetzen. Dies gilt unbeschadet des Arti­kels 10 der Richtlinie 97/7/EG sowie der Richtlinien 95/46/EG  und 2002/58/EG.

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Fernkommunikationsmittel

Erfasst werden alle Medien, durch die ein Fernabsatz möglich ist. Dazu gehören u.a. Briefe, Prospekte, Kataloge.

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Ansprechen

Das Tatbestandsmerkmal des Ansprechens ist missverständlich, weil ein hartnäckiges Ansprechen auch auf andere Weise als durch Sprechen erfolgen kann, z.B. durch die wiederholte Zusendung von Werbeschreiben, obwohl der Adressat bereits zum Ausdruck gebracht hat, dass er sie nicht will. Dafür reicht nach einem Widerspruch des Adressaten auch, wenn ihm nicht personalisierte Werbung als Mitglied einer Hausgemeinschaft ('an alle Bewohner des Hauses ...') zugeht (OLG München, Urt. v. 5.12.2013 29 U 2881/13 - Teiladressierte Werbeschreiben).

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Hartnäckigkeit

Hartnäckig ist es schon, wenn der Werbeadressat innerhalb eines kürzeren Zeitraums einige wenige E-Mails mit Werbung erhalten hat.

EuGH, Urt. v. 25.11.2021, C-102/20, Tz. 73 – StWL / eprimo

Hierzu ist zum einen festzustellen, dass die betroffenen Nutzer in der Inbox ihrer privaten E‑Mail-Postfächer drei Mal Werbenachrichten erhalten haben, nämlich am 12. Dezember 2016, am 13. Januar 2017 und am 15. Januar 2017. Unter diesen Umständen ist ein solches Ansprechen, auch in Anbetracht seiner Häufigkeit innerhalb eines begrenzten Zeitraums, als „hartnäckig“ im Sinne von Anhang I Nr. 26 der Richtlinie 2005/29 anzusehen.

Drei Mail in einem Zeitraum von einem guten Monat reichten dem EuGH aus.

EuGH, Urt. v. 25.11.2021, C-102/20, Tz. 75 – StWL / eprimo

Anhang I Nr. 26 der Richtlinie 2005/29 ist dahin auszulegen, dass ein Vorgehen, das darin besteht, in der Inbox eines Nutzers eines E‑Mail-Dienstes Werbenachrichten in einer Form, die der einer tatsächlichen E‑Mail ähnlich ist, und an derselben Stelle wie eine solche E‑Mail einzublenden, unter den Begriff des „hartnäckigen und unerwünschten Ansprechens“ der Nutzer von E‑Mail-Diensten im Sinne dieser Bestimmung fällt, wenn die Einblendung dieser Werbenachrichten zum einen so häufig und regelmäßig war, dass sie als „hartnäckiges Ansprechen“ eingestuft werden kann.

OLG München, Urt. v. 5.12.2013 29 U 2881/13 - Teiladressierte Werbeschreiben

Die Beklagte hat den Verbraucher S. mit Werbung enthaltenden teiladressierten Postwurfsendungen hartnäckig angesprochen, nämlich nach Eingang der E-mail von Herrn S. noch insgesamt fünfmal. Für die Hartnäckigkeit kommt es allein auf die Wiederholung, nicht aber auf eine besonders intensive Einwirkung an.

Allerdings

OLG München, Urt. v. 5.12.2013 29 U 2881/13 - Teiladressierte Werbeschreiben

Die einmalige Übersendung eines Werbebriefes stellt keine unzumutbare Belästigung dar.

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Erkennbar nicht erwünscht

Der Unternehmer musste erkennen können, dass  der Verbraucher die Werbung nicht wünscht. Die Erklärung des Verbrauchers kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen. Es bedarf keiner bestimmten Form. Die Erklärung muss aber ausreichend klar sein und die Art der Ansprache durch den Unternehmer erfassen.

EuGH, Urt. v. 25.11.2021, C-102/20, Tz. 74 – StWL / eprimo

Hinsichtlich des „Unerwünschtseins“ im Sinne der Nr. 26 ist zu prüfen, ob die Einblendung einer Werbenachricht … diese Voraussetzung erfüllt, wobei das Vorliegen oder Fehlen einer von diesem Nutzer vor der Einblendung erteilten Einwilligung und der von ihm etwa geäußerte Widerspruch gegen ein solches werbliches Vorgehen zu berücksichtigen sind.

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Verfassungskonforme Reduktion

OLG München, Urt. v. 5.12.2013 29 U 2881/13 - Teiladressierte Werbeschreiben

§ 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG (a.F.) ist unter Berücksichtigung der Grundrechte der Beklagten aus Art. 5 GG und Art. 12 GG nicht verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass das Ansprechen nur dann „erkennbar“ unerwünscht ist, wenn der Empfänger seinen Briefkasten mit einem entsprechenden Aufkleber wie „Werbung nein danke“ versehen hat und nicht etwa auch dann, wenn der Empfänger dem Unternehmer eine entsprechende Mitteilung hat zukommen lassen. § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG (a.F.) dient der Umsetzung der Nr. 26 Satz 1 Anhang I der UGP-Richtlinie. Bezüglich der im Anhang I der UGP-Richtlinie genannten Geschäftspraktiken ist der Richtliniengeber unter Berücksichtigung der in Rede stehenden Grundrechte (vgl. Erwägungsgrund 25 der Richtlinie 2005/29/EG) zu dem Ergebnis gelangt, dass diese unter allen Umständen als unlauter gelten. In Nr. 26 Satz 1 Anhang 1 der UGP-Richtlinie ist das Wort „erkennbar“ sogar gar nicht enthalten, in der Richtlinie ist nur von „unerwünschtem Ansprechen“ die Rede. Das Merkmal „erkennbar“ ist daher nicht erweiternd dahingehend auszulegen, dass die Erkennbarkeit auf eine bestimmte Art und Weise zu Tage treten muss, sondern bedarf einer richtlinienkonformen einschränkenden Auslegung.

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