Verankerung im UWG
BGH, Urt. v. 11.7.2024, I ZR 164/23, Tz. 28 - nikotinhaltige Liquids
Das Gebot der gemeinsamen Anordnung der Kennzeichnungselemente des Art. 17 Abs. 1 Buchst. d bis g CLP-VO auf der Verpackung gemäß Art. 32 Abs. 1 CLP-VO in Verbindung mit Art. 31 Abs. 5 CLP-VO fällt in den Anwendungsbereich der Bestimmungen des § 5a Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 UWG aF, § 5a Abs. 1, § 5b Abs. 4 UWG nF. Die Kennzeichnungs- und Verpackungsvorschriften dienen gemäß Erwägungsgrund 18 Satz 1 der CLP-Verordnung der Information der Verbraucher über die Gefahren von - als gefährlich eingestuften und verpackten - Gemischen.
BGH, Urt. v. 11.7.2024, I ZR 164/23, Tz. 105 - nikotinhaltige Liquids
Die Designvorgaben der CLP-Verordnung ... sind Marktverhaltensregelungen im Sinn von § 3a UWG, die dazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.
Richtlinienkonformität
BGH, Urt. v. 11.7.2024, I ZR 164/23, Tz. 33 f - nikotinhaltige Liquids
Die Richtlinie 2014/40/EU zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/37/EG dient gemäß ihrem Art. 1 Buchst. b und f unter anderem der Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für bestimmte Aspekte der Kennzeichnung und Verpackung von Tabakerzeugnissen sowie für das Inverkehrbringen und die Kennzeichnung bestimmter Erzeugnisse, die mit Tabakerzeugnissen verwandt sind, nämlich elektronische Zigaretten und Nachfüllbehälter sowie pflanzliche Raucherzeugnisse. Nach ihrem Erwägungsgrund 47 werden mit der Richtlinie 2014/40/EU allerdings nicht sämtliche Aspekte der elektronischen Zigaretten und Nachfüllbehälter harmonisiert. Nach Art. 20 Abs. 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie 2014/40/EU sorgen die Mitgliedstaaten deshalb dafür, dass elektronische Zigaretten und Nachfüllbehälter nur dann in Verkehr gebracht werden, wenn sie der Richtlinie und allen anderen einschlägigen Rechtsvorschriften der Union genügen. Im Einklang damit sieht § 1 Abs. 2 TabakerzG vor, dass Bestimmungen über den Schutz der menschlichen Gesundheit oder zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Täuschung aufgrund anderer Gesetze und der aufgrund dieser Gesetze erlassenen Rechtsverordnungen unberührt bleiben.
Die dem Schutz der menschlichen Gesundheit dienenden Vorgaben der CLP-Verordnung (vgl. Art. 1 Abs. 1 und Erwägungsgründe 1 und 3 CLP-VO) bleiben danach auf Gemische in Form von nikotinhaltigen Flüssigkeiten für elektronische Zigaretten neben den tabakrechtlichen Vorschriften ergänzend anwendbar.
Gefahrenhinweise
BGH, Urt. v. 11.7.2024, I ZR 164/23, Tz. 38 - nikotinhaltige Liquids
Die Vorgaben des Art. 32 Abs. 1 CLP-VO sind zwingend. Die Annahme einer bloß unverbindlichen Empfehlung widerspräche nicht nur dem Zweck der CLP-Verordnung, ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und die Umwelt zu gewährleisten (vgl. Art. 1 Abs. 1 CLP-VO), sondern auch dem klaren Wortlaut des Art. 32 Abs. 1 CLP-VO, der ausdrücklich vorschreibt, dass die Informationen zusammen auf dem Kennzeichnungsetikett angeordnet werden.
BGH, Urt. v. 11.7.2024, I ZR 164/23, Tz. 41 f - nikotinhaltige Liquids
Nach den Vorgaben der CLP-Verordnung über den Inhalt des Kennzeichnungsetiketts genügt es nicht, Gefahrenpiktogramm, Signalwort, Gefahrenhinweis und Sicherheitshinweis beliebig auf der Verpackung zu verteilen. Die Anordnung hat gemäß Art. 32 Abs. 1 CLP-VO vielmehr "zusammen" auf dem Kennzeichnungsetikett zu erfolgen, welches fest auf einer oder mehreren Flächen der Verpackung angebracht werden kann. Für den Fall, dass ein solches Kennzeichnungsetikett nicht erforderlich ist, weil die Kennzeichnungselemente auf der Verpackung selbst dargestellt sind, gelten dafür die Vorschriften des Kapitels für Kennzeichnungsvorschriften entsprechend. In das Ermessen des Lieferanten wird allein die Reihenfolge der Gefahren- und Sicherheitshinweise gestellt (vgl. Art. 32 Abs. 2 und 3 CLP-VO), nicht aber deren (gemeinsame) Anordnung auf dem Kennzeichnungsetikett.
Zwischen den einzelnen Kennzeichnungselementen muss ein Kennzeichnungszusammenhang dergestalt hergestellt werden, dass sie in einem unmittelbaren visuellen Zusammenhang stehen, um die in Art. 31 Abs. 3 Satz 2 CLP-VO geforderte leichte Lesbarkeit zu gewährleisten. Dem entspricht Erwägungsgrund 50 der CLP-Verordnung, wonach nicht nur Vorschriften für das "Anbringen" des Kennzeichnungsetiketts, sondern gerade auch für die "Anordnung" der Informationen auf diesem Schild erforderlich sind, damit sichergestellt werden kann, dass die Angaben auf dem Kennzeichnungsetikett leicht verständlich sind.
Ausnahmebestimmung
BGH, Urt. v. 11.7.2024, I ZR 164/23, Tz. 46, 48 - nikotinhaltige Liquids
Nach der Ausnahmeregelung in Anhang I Ziffer 1.5.2.1.1 Buchst. a und b Nr. 11 CLP-VO müssen die Gefahrenhinweise und die Sicherheitshinweise, die sich auf bestimmte Gefahrenkategorien beziehen, die nach Art. 17 CLP-VO vorgeschriebenen Kennzeichnungselemente nicht aufweisen, (Buchst. a) sofern die Verpackung nicht mehr als 125 ml enthält und (Buchst. b Nr. 11) das Gemisch in die Gefahrenkategorie akute Toxizität der Kategorie 4 eingestuft ist, sofern das Gemisch nicht an die breite Öffentlichkeit abgegeben wird. ...
Der Begriff der "breiten Öffentlichkeit" wird in der CLP-Verordnung nicht definiert. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch umfasst er nicht die Öffentlichkeit im Sinn von "jedermann", sondern einen (breiten) Ausschnitt der Bevölkerung, der nicht notwendigerweise sämtliche Altersgruppen umfassen muss. Der Begriff der "breiten Öffentlichkeit" ist vielmehr in Abgrenzung von den Fachkreisen zu verstehen.
Designvorgaben
Kinder
BGH, Urt. v. 11.7.2024, I ZR 164/23, Tz. 62 - nikotinhaltige Liquids
Art. 35 Abs. 2 Unterabsatz 1 Halbsatz 1 CLP-VO fordert nach seinem klaren Wortlaut keine gezielte Ansprache von Kindern (aA Lutzhöft, GRUR-RR 2024, 161, 162). Für den Verbotstatbestand reicht es vielmehr aus, wenn ein Design die aktive kindliche Neugier wecken oder anziehen "könnte" (in der englischen Fassung "likely to attract or arouse the active curiosity of children").
BGH, Urt. v. 11.7.2024, I ZR 164/23, Tz. 62 - nikotinhaltige Liquids
Die Feststellung der Wirkung einer Werbung auf die angesprochenen Verkehrskreise stützt sich auf die Anwendung von Erfahrungswissen, das gegebenenfalls mit Hilfe eines Sachverständigen zu ermitteln ist. Ermittelt das Tatgericht das Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise ohne sachverständige Hilfe, so geht es davon aus, aufgrund eigenen Erfahrungswissens selbst über die erforderliche Sachkunde zu verfügen. Ob diese Beurteilung zutrifft, bestimmt sich grundsätzlich nach den Regeln, die auch sonst bei Beantwortung der Frage gelten, ob ein Gericht auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens verzichten und stattdessen aufgrund eigener Sachkunde entscheiden kann.