Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 

Handwerksordnung

1. Marktverhaltensregelung

2. Richtlinienkonformität

3. Handwerk

4. Meisterpräsenz

5. Handwerkliche Nebenbetriebe

6. Zweigstelle

7. Straßen-, Garten- und Landschaftsbaus

8. Weitere Beispiele

Marktverhaltensregelung

BGH, Urt. v. 17.7.2013, I ZR 222/11, Tz. 15 - Meisterpräsenz

Die Vorschriften der Handwerksordnung stellen, soweit sie eine bestimmte Qualität, Sicherheit oder Unbedenklichkeit der hergestellten Waren oder angebotenen Dienstleistungen gewährleisten sollen, Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG (§ 3a UWG) dar.

Ebenso BGH, Urt. v. 16.6.2016, I ZR 46/15, Tz. 19 - Sporthopaedicum; OLG Karlsruhe, Urt. v. 21.3.2014, 4 U 153/12, II.2; OLG Stuttgart, Beschl. v. 29.4.2020, 2 U 10/20 (WRP 2021, 116); OLG Karlsruhe, Urt. v. 10.1.2024, 6 U 28/23, Tz. 61; OLG Stuttgart, Beschl. v. 6.5.2024, 2 U 70/23, Tz. 11

zurück nach oben

Richtlinienkonformität

BGH, Urt. v. 17.7.2013, I ZR 222/11, Tz. 15 - Meisterpräsenz

Der Umstand, dass die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken, die keinen den § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 11 UWG vergleichbaren Verbotstatbestand kennt, in ihrem Anwendungsbereich (Art. 3 der Richtlinie) nach ihrem Artikel 4 eine vollständige Harmonisierung bezweckt, steht der Anwendung der nationalen Vorschriften im Streitfall nicht entgegen.

BGH, Urt. v. 17.7.2013, I ZR 222/11, Tz. 15 - Meisterpräsenz

Bei  §§ 1 und 7 HwO handelt es sich um Bestimmungen, die einerseits einen Sicherheits- und - jedenfalls bei Gesundheitshandwerken wie dem des Hörgeräteakustikers - Gesundheitsbezug im Sinne von Art. 3 Abs. 3 und Erwägungsgrund 9 Satz 2 und 3 der Richtlinie 2005/29/EG aufweisen und andererseits auch berufsrechtliche Bestimmungen im Sinne von Art. 3 Abs. 8 dieser Richtlinie darstellen (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, § 4 Rn. 11.6a, 11.h und 11.k mwN).

Ebenso BGH, Urt. v. 16.6.2016, I ZR 46/15, Tz. 19 - Sporthopaedicum; OLG Karlsruhe, Urt. v. 10.1.2024, 6 U 28/23, Tz. 61

OLG Karlsruhe, Urt. v. 21.3.2014, 4 U 153/12, II.2

Bei § 1 HwO handelt es sich um eine Bestimmung, die einerseits einen Sicherheits- und Gesundheitsbezug im Sinne von Art. 3 Abs. 3 und Erwägungsgrund 9 Satz 2 und 3 der Richtlinie 2005/29/EG aufweist und andererseits auch berufsrechtliche Bestimmungen im Sinne von Art. 3 Abs. 8 dieser Richtlinie darstellt (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, § 4 Rn. 11.6a, 11.h und 11.k m.w.N.).

zurück nach oben

Handwerk

OLG Hamm, Urt. v. 27.8.2020, 4 U 48/19, Tz. 60 ff

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 HwO ist der selbstständige Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks nur den in der Handwerksrolle eingetragenen natürlichen und juristischen Personen und Personengesellschaften gestattet.

Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 HwO ist ein Gewerbebetrieb ein Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks, wenn er handwerksmäßig betrieben wird und ein Gewerbe vollständig umfasst, das in der Anlage A zur Handwerksordnung aufgeführt ist, oder Tätigkeiten ausgeübt werden, die für dieses Gewerbe wesentlich sind (wesentliche Tätigkeiten).

Eine Tätigkeit ist „wesentlich“, wenn sie nicht nur fachlich zu dem betreffenden Handwerk gehört, sondern gerade den Kernbereich dieses Handwerks ausmacht und ihm sein essentielles Gepräge verleiht. Arbeitsvorgänge, die aus der Sicht des handwerklich arbeitenden Betriebes als untergeordnet erscheinen, also lediglich einen Randbereich des betreffenden Handwerks erfassen, können demnach die Annahme eines handwerklichen Betriebes nicht rechtfertigen (BVerwG, Urteil vom 09.04.2014 – 8 C 50/12 –, juris, Rdnr. 21).

Dies trifft nicht nur auf Arbeitsvorgänge zu, die wegen ihres geringen Schwierigkeitsgrades keine qualifizierten Kenntnisse und Fertigkeiten voraussetzen; vielmehr gehören hierzu auch solche Tätigkeiten, die zwar anspruchsvoll, aber im Rahmen des Gesamtbildes des entsprechenden Handwerks nebensächlich sind und deswegen nicht die Kenntnisse und Fertigkeiten verlangen, auf welche die einschlägige handwerkliche Ausbildung hauptsächlich ausgerichtet ist (BVerwG, a.a.O.). § 1 Abs. 2 Satz 2 HwO enthält eine – nicht abschließende – Aufzählung von Tätigkeiten, die keine „wesentlichen Tätigkeiten“ sind.

OLG Stuttgart, Beschl. v. 29.4.2020, 2 U 10/20 (WRP 2021, 116)

Bei der Voraussetzung, dass der Gewerbebetrieb handwerksmäßig betrieben wird, geht es vor allem um die Abgrenzung zwischen industrieller und handwerklicher Tätigkeit (Leisner in BeckOK HandwO, Stand 31.12.2019, § 1, Rn. 20) und dass der Beklagte seine Tätigkeit nicht industriell betreibt. ...

Was wesentliche Tätigkeiten sind, ist in der Handwerksordnung nicht definiert und lässt sich auch nicht eindeutig aus den Prüfungs- und Ausbildungsordnungen heraus feststellen; diesen kommt hinsichtlich der „wesentlichen Tätigkeiten“ allenfalls Indizwirkung zu. Außerdem gewichten gerade sie in ihrem Wortlaut nicht nach „wesentlichen“ und „unwesentlichen“ Tätigkeiten. ...

Die „wesentlichen Tätigkeiten“ werden vielmehr mit dem sog. Kernbereichskriterium bestimmt. Danach bedarf es auf der ersten Ebene der fachlichen Zugehörigkeit zu einem Vollhandwerk (Thiel in Honig/Knörr/Thiel, Handwerksordnung, 5. Aufl. 2017, § 1, Rn. 52). Zu dieser Beurteilung können die Verordnungen über die Berufsbilder und Prüfungsanordnungen für das betreffende Handwerk ergänzend mit herangezogen werden (Leisner in BeckOK HandwO, a.a.O., § 1, Rn. 39; BVerwG, NVwZ 2014, 1241, Rn. 22). In einem zweiten Schritt muss dann beurteilt werden, ob es sich bei den Tätigkeiten, Verrichtungen und Arbeitsweisen um solche handelt, die den Kernbereich gerade dieses Handwerks ausmachen und ihm sein essentielles Gepräge verleihen. Arbeitsvorgänge, die aus der Sicht des vollhandwerklich arbeitenden Betriebes als untergeordnet erscheinen, also lediglich einen Randbereich des betreffenden Handwerks erfassen, vermögen demnach die Annahme eines handwerklichen Betriebes nicht zu rechtfertigen. Dies trifft auf Arbeitsvorgänge zu, die wegen ihres geringen Schwierigkeitsgrades keine qualifizierten Kenntnisse und Fertigkeiten voraussetzen (Leisner in BeckOK HandwO, aaO., § 1, Rn. 39; Thiel in Honig/Knörr/Thiel, a.a.O., § 1, Rn. 52). Außerdem gehören hierzu auch solche Tätigkeiten, die zwar anspruchsvoll, aber im Rahmen des Gesamtbildes des entsprechenden Handwerks nebensächlich sind und deswegen nicht die Kenntnisse und Fertigkeiten verlangen, auf welche die einschlägige handwerkliche Ausbildung hauptsächlich ausgerichtet ist (BVerwG, NVwZ 2014, 1241, Rn. 21).

Ebenso OLG Brandenburg, Urt. v. 20.4.2021, 6 U 72/19

OLG Stuttgart, Beschl. v. 6.5.2024, 2 U 70/23, Tz. 11

Was wesentliche Tätigkeiten sind, ist in der Handwerksordnung nicht definiert und lässt sich auch nicht eindeutig aus den Prüfungs- und Ausbildungsordnungen heraus feststellen; diesen kommt hinsichtlich der „wesentlichen Tätigkeiten“ allenfalls Indizwirkung zu. Außerdem gewichten gerade sie in ihrem Wortlaut nicht nach „wesentlichen“ und „unwesentlichen“ Tätigkeiten. Die „wesentlichen Tätigkeiten“ werden vielmehr mit dem sog. Kernbereichskriterium bestimmt. Dabei ist der Begriff der wesentlichen Tätigkeit nicht quantitativ zu verstehen. Es kommt nicht darauf an, wieviel derartige Tätigkeiten in dem Betrieb anfallen, sondern welcher Qualität die anfallende Tätigkeit ist. Wesentliche Tätigkeiten müssen daher nicht mehr oder vielfältige Aktivitäten beinhalten. Bereits eine einzige wesentliche Tätigkeit begründet die Zulassungspflicht.

zurück nach oben

Meisterpräsenz

BGH, Urt. v. 17.7.2013, I ZR 222/11, Tz. 15 - Meisterpräsenz

Bei Gesundheitshandwerken, bei denen eine unzureichende Handwerkstätigkeit weitreichende Folgen haben kann, ist - von ganz engen Ausnahmefällen abgesehen (vgl. dazu VG Schleswig, GewArch 2000, 426, 427) - für jede Betriebsstätte ständige Meisterpräsenz zu verlangen. Der sich aus diesem Erfordernis ergebende Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistete Freiheit der Berufsausübung ist im Hinblick auf die dadurch geschützten Gesundheitsinteressen der Bevölkerung gerechtfertigt.

Ebenso BGH, Urt. v. 16.6.2016, I ZR 46/15, Tz. 21 - Sporthopaedicum

BGH, Urt. v. 16.6.2016, I ZR 46/15, Tz. 21 - Sporthopaedicum

Der selbständige Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks als stehendes Gewerbe ist nach § 1 Abs. 1, § 7 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 1a Fall 1 HwO nur gestattet, wenn der Betriebsleiter die Meisterprüfung bestanden hat und wenn dieser in die Handwerksrolle eingetragen ist. Grundvoraussetzung der materiellen Betriebsleiterschaft ist die Präsenz des Betriebsleiters (sog. Meisterpräsenz). Ein Betriebsleiter braucht nicht in jedem Fall ständig in dem von ihm geleiteten Betrieb anwesend zu sein. Die Funktion des Betriebsleiters kann auch nebenberuflich von nach §  7 Abs. 1 a bis 9 HwO qualifizierten Inhabern anderer Handwerksbetriebe und von Personen, die in einem anderen abhängigen Arbeitsverhältnis beschäftigt sind, ausgeübt werden. Es ist zudem nicht ausgeschlossen, dass zwei Betriebe von einem Betriebsleiter geführt werden. Der Betriebsleiter muss aber binnen weniger Minuten vor Ort sein können.

BGH, Urt. v. 17.7.2013, I ZR 222/11, Tz. 15 - Meisterpräsenz

Aus dem Erfordernis der Meisterpräsenz folgt jedoch nicht, dass der Betreiber eines Hörgeräteakustik-Unternehmens sein Ladenlokal nur so lange offenhalten darf, wie ein Hörgeräteakustik-Meister in diesem anwesend ist oder jedenfalls kurzfristig erreicht werden kann. Ist das Geschäftslokal geöffnet, können - auch ohne Anwesenheit des Meisters - vom übrigen Personal Termine mit in das Ladenlokal kommenden Kunden vereinbart, Ersatz- und Verschleißteile wie etwa Batterien abgegeben und ähnliche Leistungen erbracht werden, bei denen eine Gefährdung der Gesundheit der Kunden ausgeschlossen ist. Insoweit dient ein solches Offenhalten sogar den gesundheitlichen Interessen der Kunden an einer - insbesondere auch in zeitlicher Hinsicht - umfassenden Versorgung mit Hörgeräten. Die nicht ganz auszuschließende abstrakte Gefahr, dass ein Mitarbeiter dabei eine Dienstleistung erbringt, die dem Hörgeräteakustik-Meister vorbehalten ist, muss ins Verhältnis zu den zuvor erwähnten Vorteilen gesetzt werden, die sich für die Kunden aus der von der Klägerin beanstandeten Praxis der Beklagten etwa im Blick auf die erleichterte Vereinbarung von Untersuchungs- und Beratungsterminen und die Versorgung mit Batterien und sonstigen Ersatz- bzw. Verschleißteilen für Hörgeräte ergeben. Bei diesen Gegebenheiten stellte das von der Klägerin erstrebte Verbot eine im Blick auf die durch Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistete Freiheit der Berufsausübung nicht zu rechtfertigende Beschränkung der Beklagten dar.

Ebenso BGH, Urt. v. 16.6.2016, I ZR 46/15, Tz. 21 - Sporthopaedicum

BGH, Urt. v. 17.7.2013, I ZR 222/11, Tz. 15 - Meisterpräsenz

Dem Erfordernis der Meisterpräsenz wäre nicht genügt, wenn ein Meister nur ganz gelegentlich in dem fraglichen Betrieb zur Verfügung stünde, etwa weil er eine Vielzahl von Betrieben oder weit voneinander entfernt liegende Betriebe zu betreuen hätte.

Ebenso BGH, Urt. v. 16.6.2016, I ZR 46/15, Tz. 21 - Sporthopaedicum

zurück nach oben

Handwerkliche Nebenbetriebe

BGH, Urt. v. 16.6.2016, I ZR 46/15, Tz. 24 f - Sporthopaedicum

Nach § 2 Nr. 3 HwO gelten die Vorschriften der Handwerksordnung auch für handwerkliche Nebenbetriebe, die mit einem Unternehmen eines zulassungspflichtigen Handwerks, der Industrie, des Handels, der Landwirtschaft oder sonstiger Wirtschafts- und Berufszweige verbunden sind. Ein handwerklicher Nebenbetrieb liegt nach § 3 Abs. 1 HwO vor, wenn in ihm Waren zum Absatz an Dritte handwerksmäßig hergestellt oder Leistungen für Dritte handwerksmäßig bewirkt werden, es sei denn, dass eine solche Tätigkeit nur in unerheblichem Umfang ausgeübt wird, oder dass es sich um einen Hilfsbetrieb handelt. Nach § 3 Abs. 2 HwO ist eine Tätigkeit unerheblich, wenn sie während eines Jahres die durchschnittliche Arbeitszeit eines ohne Hilfskräfte Vollzeit arbeitenden Betriebs des betreffenden Handwerkszweigs nicht übersteigt.

Die Vorschrift des § 3 Abs. 1 HwO definiert den handwerklichen Nebenbetrieb nicht abschließend. Aus einer Zusammenschau dieser Vorschrift mit § 2 Nr. 2 und 3 HwO ergibt sich, dass der handwerkliche Nebenbetrieb immer mit einem anderen Unternehmen verbunden sein muss. Dabei müssen die Inhaber beider Betriebe zumindest in wirtschaftlicher Hinsicht identisch sein und die Betriebe in einer bestimmten wirtschaftlichen, organisatorischen und fachlichen Beziehung zueinander stehen. Kennzeichnend für einen handwerklichen Nebenbetrieb ist, dass er mit einem anderen Betrieb, dem Hauptbetrieb, verbunden ist. Der zu fordernde wirtschaftliche Zusammenhang zwischen Haupt- und Nebenbetrieb liegt vor, wenn der Nebenbetrieb den wirtschaftlich-unternehmerischen Zwecken des Hauptunternehmens dient und seine Erzeugnisse oder Leistungen dazu beitragen, die Wirtschaftlichkeit und den Gewinn des Hauptbetriebes zu steigern. Ferner wird eine gewisse Selbständigkeit vorausgesetzt. Beispielsweise können die für Dritte bewirkten Leistungen einer Kfz-Reparaturwerkstatt die für das Vorliegen eines handwerklichen Nebenbetriebes erforderliche fachliche Verbundenheit mit einer Tankstelle erfüllen, wenn diese Leistungen vom wirtschaftlichen Standpunkt und vom Interesse der Kunden her gesehen eine sinnvolle Ergänzung und Erweiterung des Leistungsangebots der Tankstelle darstellen.

BGH, Urt. v. 16.6.2016, I ZR 46/15, Tz. 27 f - Sporthopaedicum

Es kann offen bleiben, ob es für die Annahme eines Nebenbetriebs erforderlich ist, dass eine räumliche Verbindung zum Hauptbetrieb besteht. In einem Nebenbetrieb werden jedenfalls nicht dieselben Leistungen wie im Hauptbetrieb erbracht, sondern Tätigkeiten, die die Leistungen des Hauptbetriebs sinnvoll ergänzen und erweitern. Die Annahme eines Nebenbetriebes im Sinne von § 2 Nr. 3 und § 3 Abs. 2 HwO setzt eine wirtschaftliche Verbundenheit zwischen Haupt- und Nebenbetrieb voraus, die darin besteht, dass der Nebenbetrieb den wirtschaftlich-unternehmerischen Zwecken des Hauptunternehmens und nicht lediglich einem anderen Unternehmen dient.

zurück nach oben

Zweigstelle

BGH, Urt. v. 16.6.2016, I ZR 46/15, Tz. 30 ff - Sporthopaedicum

Die Handwerksordnung schließt nicht aus, dass ein Handwerk an mehreren Orten betrieben wird. Nicht ausdrücklich im Gesetz geregelt ist die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Handwerker in derartigen Fällen dem Gebot der Meisterpräsenz unterliegt. Voraussetzung hierfür ist, dass die Zweigstelle für sich betrachtet einen Handwerksbetrieb im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 HwO darstellt und dort oder von dort aus Aufträge für handwerkliche Arbeiten entgegengenommen und ausgeführt sowie die fertiggestellten Werke ausgeliefert werden. Andererseits sind ein bloßes Materiallager, eine Auftragsannahmestelle, eine Stelle zur Organisation des Arbeitseinsatzes und eine reine Verkaufsstelle nicht als hinreichendeigenständig in diesem Sinne anzusehen, weil solche Organisationsteile nicht - für sich betrachtet - die Merkmale eines Handwerksbetriebes erfüllen.

Bei der Prüfung, ob eine handwerkliche Zweigstelle vorliegt, ist nicht darauf abzustellen, ob die weitere Betriebsstätte die Voraussetzungen einer Zweigniederlassung im Sinne des § 14 GewO erfüllt. Auch die übrige innere Organisation des Unternehmens mit Zweigstellen ist nicht ausschlaggebend. Deswegen hindern die wirtschaftliche Abhängigkeit sowie die Erledigung der kaufmännischen und personellen Angelegenheiten durch den Hauptbetrieb die erforderliche Eigenständigkeit der Zweigstelle nicht. Weiter kommt es nicht darauf an, ob die Zweigstelle bei Fortfall des Hauptbetriebes ohne die vom Hauptbetrieb erledigten Tätigkeiten als eigener Handwerksbetrieb fortbestehen könnte, insbesondere ob sie über eine ausreichende wirtschaftliche Grundlage verfügen würde. Unerheblich ist schließlich, ob die Zweigstelle aufgrund von Verträgen, die die Zentrale geschlossen hat, nur für bestimmte Kunden tätig wird.

Es kommt auch nicht darauf an, ob sich die Niederlassung der Beklagten in S. und die Facharztpraxis im Bezirk derselben Handwerkammer oder in Bezirken unterschiedlicher Handwerkskammern befinden. Entscheidend ist, ob der Betriebsleiter innerhalb weniger Minuten vor Ort sein kann.

zurück nach oben

Straßen-, Garten- und Landschaftsbau

OLG Karlsruhe, Urt. v. 21.3.2014, 4 U 153/12, II.3.a

Die zum Kernbereich des Straßenbauerhandwerks gehörenden Tätigkeiten sind nicht der Ausführung durch einen auf dem Gebiet des Garten- und Landschaftsbaus tätigen und nicht mit dem Straßenbauer-Handwerk in die Handwerksrolle eingetragene Gewerbetreibende entzogen. Richtig ist zwar, dass dieser grundsätzlich nicht zu wesentlichen Tätigkeiten des Straßenbauer-Handwerks befugt ist. Wenn aber das Anlegen von Wegen und Plätzen im Zusammenhang mit landschaftsgärtnerisch geprägten Anlagen steht, gehören Wege und Plätze unabhängig vom dabei verwendeten Material einschließlich Unterbau und Nebenarbeiten dann zum Berufsbild des Garten- und Landschaftsbauers, sind typischer Bestandteil in einer derartigen Anlage und können auch von einem Landschaftsgärtner ausgeführt werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.3.1993, 1 C 26/91, Tz. 24).

Wann eine landschaftsgärtnerische Prägung vorliegt, ist an Hand des Gesamtcharakters der Anlage nach ihrem äußeren Erscheinungsbild zu beurteilen (vgl. BVerwG Urt. v. 30.3.1993, 1 C 26/91, Tz. 24; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 17.3.1986, 4 A 401/84; OVG Koblenz, Urt. v. 22.1.1991, 6 A 11945/90).

Nach der Rechtsprechung des BVerwG (Urt. v. 30.3.1993, 1 C 26/91, Tz. 24) ist es unerheblich, ob Erd- und Wegearbeiten und gärtnerische Arbeiten separat oder zusammen ausgeschrieben werden. Das gilt sowohl in räumlicher als auch in zeitlicher Hinsicht. Maßgebend ist für die Beurteilung die Anlage in ihrer Gesamtheit, d.h. ob sich die betreffenden Verkehrswegeflächen räumlich innerhalb einer landschaftsgärtnerischen Anlage befinden oder sich bei natürlicher Betrachtungsweise doch zumindest in sonstiger Weise als Teil einer solchen Anlage darstellen (vgl. auch OLG Hamm, Beschl. v. 11.7.2006, 4 Ss OWi 375/06; Beschl. v. 3.5.2000, 1 Ss OWi 417/00).

zurück nach oben

Weitere Beispiele

OLG Hamm, Urt. v. 27.8.2020, 4 U 48/19, Tz. 64

Die „Korrektionsgläserberatung“ und die Pupillendistanzmessung auf der „Brillenparty“ stellen weder für sich allein betrachtet noch zusammen betrachtet „wesentliche Tätigkeiten“ des Augenoptikerhandwerks iSd § 1 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 HwO dar.

zurück nach oben