In bestimmten Branchen oder für bestimmte Berufsträger bestehen Werbeverbote oder Reglementierungen der Werbung. Danach darf für bestimmte Waren nicht oder nicht gegenüber bestimmten Personen geworben werden. Ein Per-se-Verbot der Werbung für bestimmte Dienstleistungen, wie es früher etwa bei Ärzten oder Rechtsanwälten galt, ist mit den europarechtlichen und verfassungsrechtlichen Vorgaben aber nicht mehr zu vereinbaren.
2. Verfassungsrechtliche Vorgaben
Europarechtliche Vorgaben
In erster Linie maßgeblich ist dafür
Artikel 24 der Richtlinie 2006/123/EG vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt
Kommerzielle Kommunikation für reglementierte Berufe
(1) Die Mitgliedstaaten heben sämtliche absoluten Verbote der kommerziellen Kommunikation für reglementierte Berufe auf.
(2) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die kommerzielle Kommunikation durch Angehörige reglementierter Berufe die Anforderungen der berufsrechtlichen Regeln erfüllt, die im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht je nach Beruf insbesondere die Unabhängigkeit, die Würde und die Integrität des Berufsstandes sowie die Wahrung des Berufsgeheimnisses gewährleisten sollen. Berufsrechtliche Regeln über die kommerzielle Kommunikation müssen nicht diskriminierend, durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt und verhältnismäßig sein.
Die Richtlinie über Dienstleistungen im Binnenmarkt muss in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union seit dem 28. Dezember 2009 beachtet werden. Werbeverbote oder -beschränkungen für einzelne Berufe müssen seitdem richtlinienkonform auszulegen. Ältere Gerichtsentscheidungen sind nur noch relevant.
BGH, Urt. v. 13.11.2013, I ZR 15/12, Tz. 17 f - Kommanditistenbrief
Gemäß Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2006/123/EG sind absolute Verbote der kommerziellen Kommunikation für reglementierte Berufe untersagt. Gemäß Erwägungsgrund 100 der Richtlinie 2006/123/EG sind mit absoluten Verboten nicht solche gemeint, die sich auf den Inhalt der kommerziellen Kommunikation beziehen, sondern solche, die diese allgemein und für ganze Berufsgruppen in einer oder mehreren Formen untersagen, beispielsweise ein Verbot von Werbung in einem bestimmten Medium oder in einer Reihe von Medien. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, dass von einem absoluten Verbot im Sinne des Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2006/123/EG auszugehen ist, wenn eine nationale Bestimmung eine kommerzielle Kommunikation unabhängig von ihrer Form, ihrem Inhalt oder den verwendeten Mitteln untersagt (EuGH, Urt. v. 5.4.2011, C-119/09, Tz. 41 f. - Société fiduciaire nationale d’expertise comptable).
Daraus ergibt sich, dass ein Werbeverbot nur in Betracht kommt, wenn sich ein Verbotsgrund im Einzelfall aus der Form, aus dem Inhalt oder aus dem verwendeten Mittel der Werbung ergibt.
Es ist Aufgabe der nationalen Gerichte, diese europarechtlichen Vorgaben auf die einzelnen Berufsgruppen, für die im Gesetz Werbeverbote bestehen umzusetzen. Generell lässt sich feststellen, dass Werbung für reglementierte Berufe seit Ende 2009 in wesentlich größerem Umfang möglich ist als früher.
BGH, Urt. v. 13.11.2013, I ZR 15/12, Tz. 14 - Kommanditistenbrief
Ein Werbeverbot ist nur bei einer durch eine Abwägung der Umstände des Einzelfalls festzustellenden konkreten Gefährdung der unionsrechtlich geschützten Interessen gerechtfertigt.
Verfassungsrechtliche Vorgaben
In zweiter Linie ist das Grundgesetz zu berücksichtigen:
BVerfG, Beschl. v. 7.3.2012, 1 BvR 1209/11, II. 1.
Ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit bedarf nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG einer gesetzlichen Grundlage, die ihrerseits den verfassungsrechtlichen Anforderungen an grundrechtseinschränkende Gesetze genügt (vgl. BVerfGE 94, 372 ; 111, 366 ). Beschränkungen der Berufsausübungsfreiheit sind nur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie vernünftigen Zwecken des Gemeinwohls dienen und den Berufstätigen nicht übermäßig oder unzumutbar treffen (vgl. BVerfGE 7, 377; 85, 248), also dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen.
BVerfG, Beschl. v. 7.3.2012, 1 BvR 1209/11, II. 1.dd
Werbebeschränkende Vorschriften in ... Berufsordnungen sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur verfassungsgemäß, sofern sie nicht jede, sondern lediglich die berufswidrige Werbung untersagen (vgl. BVerfGE 85, 248 ). Für interessengerechte und sachangemessene Informationen, die keinen Irrtum erregen, muss dagegen im rechtlichen und geschäftlichen Verkehr Raum bleiben (vgl. BVerfGE 85, 248 ). Daher darf einem Arzt oder Zahnarzt die Verwendung einer bestimmten Bezeichnung zur Beschreibung seiner beruflichen Tätigkeit nur verboten werden, wenn die Benutzung der Formulierung im konkreten Fall irreführend oder sachlich unangemessen ist, etwa weil sie das notwendige Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient gefährdet (vgl. auch BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 14. Juli 2011 - 1 BvR 407/11 ).
Zitiervorschlag zur aktuellen Seite
Omsels, Online-Kommentar zum UWG: