b. durch sonstiges unseriöses Verhalten
b) Verpflichtung, das Geschäftsgeheimnis nicht offenzulegen (Vertraulichkeitsvereinbarung)
c) vertragliche oder sonstige Verpflichtung
5. Mittelbare Geheimnisschutzverletzung
6. Herstellen, Anbieten, Inverkehrbringen rechtsverletzender Produkte
7. Zustimmung des Geheimnisinhabers
Gesetzestext
§ 4 Handlungsverbote
(1) Ein Geschäftsgeheimnis darf nicht erlangt werden durch
1. unbefugten Zugang zu, unbefugte Aneignung oder unbefugtes Kopieren von Dokumenten, Gegenständen, Materialien, Stoffen oder elektronischen Dateien, die der rechtmäßigen Kontrolle des Inhabers des Geschäftsgeheimnisses unterliegen und die das Geschäftsgeheimnis enthalten oder aus denen sich das Geschäftsgeheimnis ableiten lässt, oder
2. jedes sonstige Verhalten, das unter den jeweiligen Umständen nicht dem Grundsatz von Treu und Glauben unter Berücksichtigung der anständigen Marktgepflogenheit entspricht.
(2) Ein Geschäftsgeheimnis darf nicht nutzen oder offenlegen, wer
1. das Geschäftsgeheimnis durch eine eigene Handlung nach Absatz 1
a) Nummer 1 oder
b) Nummer 2
erlangt hat,
2. gegen eine Verpflichtung zur Beschränkung der Nutzung des Geschäftsgeheimnisses verstößt oder
3. gegen eine Verpflichtung verstößt, das Geschäftsgeheimnis nicht offenzulegen.
(3) Ein Geschäftsgeheimnis darf nicht erlangen, nutzen oder offenlegen, wer das Geschäftsgeheimnis über eine andere Person erlangt hat und zum Zeitpunkt der Erlangung, Nutzung oder Offenlegung weiß oder wissen müsste, dass diese das Geschäftsgeheimnis entgegen Absatz 2 genutzt oder offengelegt hat. Das gilt insbesondere, wenn die Nutzung in der Herstellung, dem Anbieten, dem Inverkehrbringen oder der Einfuhr, der Ausfuhr oder der Lagerung für diese Zwecke von rechtsverletzenden Produkten besteht.
Richtlinie
Artikel 4
Rechtswidriger Erwerb, rechtswidrige Nutzung und rechtswidrige Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen
(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Inhaber von Geschäftsgeheimnissen berechtigt sind, die in dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe zu beantragen, um einen rechtswidrigen Erwerb, eine rechtswidrige Nutzung oder eine rechtswidrige Offenlegung ihres Geschäftsgeheimnisses zu verhindern oder eine Entschädigung zu erlangen.
(2) Der Erwerb eines Geschäftsgeheimnisses ohne Zustimmung des Inhabers des Geschäftsgeheimnisses gilt als rechtswidrig, wenn er erfolgt durch
a) unbefugten Zugang zu, unbefugte Aneignung oder unbefugtes Kopieren von Dokumenten, Gegenständen, Materialien, Stoffen oder elektronischen Dateien, die der rechtmäßigen Kontrolle durch den Inhaber des Geschäftsgeheimnisses unterliegen und die das Geschäftsgeheimnis enthalten oder aus denen sich das Geschäftsgeheimnis ableiten lässt;
b) jedes sonstige Verhalten, das unter den jeweiligen Umständen als mit einer seriösen Geschäftspraxis nicht vereinbar gilt.
(3) Die Nutzung oder Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses gilt als rechtswidrig, wenn sie ohne Zustimmung des Inhabers des Geschäftsgeheimnisses durch eine Person erfolgt, von der sich erweist, dass auf sie eine der folgenden Bedingungen zutrifft:
a) Sie hat das Geschäftsgeheimnis auf rechtswidrige Weise erworben;
b) Sie verstößt gegen eine Vertraulichkeitsvereinbarung oder eine sonstige Verpflichtung, das Geschäftsgeheimnis nicht offenzulegen;
c) Sie verstößt gegen eine vertragliche oder sonstige Verpflichtung zur Beschränkung der Nutzung des Geschäftsgeheimnisses.
(4) Ebenfalls als rechtswidrig gilt der Erwerb, die Nutzung oder die Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses, wenn eine Person zum Zeitpunkt des Erwerbs, der Nutzung oder der Offenlegung wusste oder unter den gegebenen Umständen hätte wissen müssen, dass sie unmittelbar oder mittelbar über eine andere Person in den Besitz des Geschäftsgeheimnisses gelangt war, die dieses rechtswidrig im Sinne des Absatzes 3 genutzt oder offengelegt hat.
(5) Das Herstellen, Anbieten oder Inverkehrbringen von rechtsverletzenden Produkten oder die Einfuhr, Ausfuhr oder Lagerung von rechtsverletzenden Produkten für diese Zwecke stellt ebenfalls eine rechtswidrige Nutzung eines Geschäftsgeheimnisses dar, wenn die Person, die diese Tätigkeiten durchführt, wusste oder unter den gegebenen Umständen hätte wissen müssen, dass das Geschäftsgeheimnis rechtswidrig im Sinne des Absatzes 3 genutzt wurde.
Erwerb
Unter dem Erwerb ist die Erlangung der Information(en) zu verstehen, aus denen das Geschäftsgeheimnis besteht. Erlangen ist die Kenntnisnahme, die den Erwerber in die Lage versetzt, faktisch über die Information zu verfügen. Wie, mit welchen Mitteln oder durch welche Handlungen die Information erlangt wird, ist unmaßgeblich, ebenso ob die Information rechtsmäßig oder rechtswidrig erlangt wurde.
durch unbefugtes Verhalten
Ein Geschäftsgeheimnis darf nicht erlangt werden durch
1. unbefugten Zugang zu, unbefugte Aneignung oder unbefugtes Kopieren von Dokumenten, Gegenständen, Materialien, Stoffen oder elektronischen Dateien, die der rechtmäßigen Kontrolle des Inhabers des Geschäftsgeheimnisses unterliegen und die das Geschäftsgeheimnis enthalten oder aus denen sich das Geschäftsgeheimnis ableiten lässt
OLG Frankfurt, Beschl. v. 27.11.2020, 6 W 113/20, II. 4.b.1
Das Verbot des § 4 Abs. 1 GeschGehG erfasst Verhaltensweisen, mit denen sich eine Person unbefugt den Zugriff auf das Geschäftsgeheimnis selbst oder einen (körperlichen oder unkörperlichen) Geheimnisträger verschafft.
Unbefugt ist das Erlangen, wenn der Geheimnisinhabers dem Erlangen durch den konkreten Täter nicht zugestimmt hat und der Täter sich auch auf keinen gesetzlichen Erlaubnistatbestand (z.B. nach § 5 GeschGehG) berufen kann.
OLG Frankfurt, Beschl. v. 27.11.2020, 6 W 113/20, II. 4.b.2
„Zugang“ liegt nicht schon dann vor, wenn eine E-Mail empfangen wird, da der Empfänger hierzu keinerlei Beitrag leistet. Vielmehr ist zu verlangen, dass in dem „Zugang“ ein aktives Element enthalten sein muss. D.h., der Empfänger muss auch eine Form von Aktivität entfaltet haben.
Nach Köhler/Bornkamm/Feddersen zu § 17 UWG entspricht die Regelung weitgehend § 17 Abs. 2 Nr. 1 UWG, wobei allerdings auf subjektive Tatbestandselemente wie Eigennutz oder eine Schädigungsabsicht verzichtet wird. Dazu aus der Rechtsprechung des BGH:
BGH, Urt. v. 23.2.2012, I ZR 136/10, Tz. 14 - MOVICOL-Zulassungsantrag
Sichern im Sinne von § 17 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b UWG erfordert, dass eine schon vorhandene Kenntnis genauer oder bleibend verfestigt wird (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, § 17 Rn. 31; MünchKomm-UWG/Brammsen, § 17 Rn. 73; Fezer/Rengier, UWG, 2. Aufl., § 17 Rn. 54). Ein Sichern liegt deshalb nicht vor, wenn ein Mitarbeiter beim Ausscheiden aus einem Dienstverhältnis die Kopie eines Betriebsgeheimnisse des bisherigen Dienstherrn enthaltenden Dokuments mitnimmt, die er im Rahmen des Dienstverhältnisses befugt angefertigt oder erhalten hat. Ebenso wenig stellt ein solcher Vorgang eine Wegnahme im Sinne von § 17 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c UWG dar.
BGH, Urt. v. 23.2.2012, I ZR 136/10, Tz. 14 - MOVICOL-Zulassungsantrag
Eine Wegnahme ... liegt nicht vor, wenn der Täter bereits Alleingewahrsam an der Verkörperung hat (BayObLG, WRP 1992, 174, 175 f.; Köhler in Köhler/Bornkamm aaO § 17 Rn. 35).
durch sonstiges unseriöses Verhalten
Der Erwerb eines Geschäftsgeheimnisses durch sonstiges unseriöses Verhalten ist auf vielfältige Weise möglich wie Täuschung, Nötigung, Vertragsbruch oder Verleiten zum Vertragsbruch. Köhler/Bornkamm/Feddersen zählen dazu auch die Kenntnisnahme des Inhalts einer Mail, der - etwa durch einen Disclaimer - zu entnehmen ist, dass sie an einen falschen Adressaten gesandt wurde. Ein sonstiger zufälliger Erwerb der Kenntnis ist jedenfalls nicht 'unseriös'.
§ 4 Abs. 1 Nr. 2 GeschGehG weicht in seinem Wortlaut ("Grundsatz von Treu und Glauben unter Berücksichtigung der anständigen Marktgepflogenheit entspricht") vom Richtlinientext ab ("unter den jeweiligen Umständen als mit einer seriösen Geschäftspraxis nicht vereinbar"), der wiederum auf Art. 39 TRIPS zurückgeht, der seinerseits Art. 10bis PVÜ in Bezug nimmt.
Nutzung und Offenlegung
Die einzelnen Tatbestände unterscheiden sich danach, ob der Rechtsverletzer das Geheimnis durch eine eigene rechtswidrige Handlung erlangt hat oder nur ein rechtmäßig erlangtes Geheimnis unbefugt nutzt oder offenlegt. Nutzung oder Offenlegung stellen einen selbstständigen Eingriff dar.
Eine Nutzung ist anzunehmen, wenn eine Person das Geschäftsgeheimnis in irgendeiner Form verwertet. Lediglich die Verwertung in Form der Offenlegung ist ausgenommen, weil sie gesondert erfasst wird. Inwieweit die Verwertung wirtschaftlichen Zwecken dienen muss, ist noch offen (Köhler/Bornkamm/Feddersen, § 17 UWG vs. Alexander, WRP 2017, 1034, Tz. 96).
OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.3.21, 15 U 6/20, Tz. 86
Nutzen bedeutet jede Verwendung des Geschäftsgeheimnisses, solange es sich nicht um eine Offenlegung handelt. Hierunter fällt insbesondere die geschäftliche oder gewerbliche Einholung oder Gestaltung eines Angebots unter Zuhilfenahme von in Plänen, Programmen, Zeichnungen, Rezepturen etc. verkörperten Geschäftsgeheimnissen zwecks Gewinnerzielung oder Kostensenkung. Wem gegenüber das Geschäftsgeheimnis verwendet wird, ist ohne Belang. Es kommt insbesondere, anders als bei der Offenlegung, nicht darauf an, dass der Dritte bislang keinen Zugang zu dem Geschäftsgeheimnis hatte.
OLG Schleswig, Urt. v. 28.4.2022, 6 U 39/21, Tz. 125
Die Beklagte hat die Tabelle allein schon dadurch genutzt, dass sie gegenüber D. C. angekündigt hat, diese zur nächsten Besprechung mitbringen zu können. Sie hat damit ihre Kenntnis der Teil-Kostenrechnung in - nicht näher bekannte - Verhandlungen mit D. C. eingebracht. Unverkennbar sollte sie als Druckmittel dienen, sei es ihm gegenüber, sei es in den Vergleichsgesprächen mit der Klägerin.
Unter Offenlegung versteht die Richtlinie Handlungen, durch die das Geschäftsgeheimnis einem oder mehreren Dritten oder der Öffentlichkeit zugänglich oder bekannt gemacht wird (Alexander, WRP 2017, 1034, Tz. 97), denen die Information bislang nicht bekannt war. Bei einer Gesamtheit oder Vielzahl von Informationen reicht die Offenlegung von Einzelheiten aus, soweit auch diese bereits ein Geschäftsgeheimnis im Sinne der Richtlinie sind.
OLG Stuttgart, Urt. v. 19.11.2020, 2 U 575/19, D.6.b
Hinsichtlich der einzelnen Begehungsformen entspricht der Begriff der Offenlegung der Mitteilung im Sinne von § 17 Absatz 2 Nr. 2 UWG a.F. (Hiéramente, in Beck'scher Online-Kommentar zum GeschGehG, § 4 GeschGehG Rn. 45). Die Begehungsformen, die eine Nutzung voraussetzen, sind in dem Tatbestandsmerkmal der Verwertung im Sinne von § 17 Absatz 2 Nr. 2 UWG a.F. enthalten.
rechtswidriger Erwerb
siehe oben
Verpflichtung, das Geschäftsgeheimnis nicht offenzulegen (Vertraulichkeitsvereinbarung)
Vertraulichkeitsvereinbarungen (Non Disclosure Agreement (NDA) oder Confidential Disclosure Agreements (CDA)) kommen im Wirtschafts- und Arbeitsleben in vielfältiger Weise und häufig vor. Sie sind oft die einzige Möglichkeit, ein Geschäftsgeheimnis einem Dritten, sei es einem Arbeitnehmer, Geschäftspartner oder Investor, bekannt zu machen, und gleichzeitig das Geschäftsgeheimnis möglichst zu wahren. Sie gehören auch zu den angemessenen Maßnahmen zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen, die ihrerseits Voraussetzung für den Geheimnisschutz sind.
Ein rechtlicher Grund, Vertraulichkeitsvereinbarungen zeitlich zu beschränken, besteht nicht. Vertraulichkeitsvereinbarungen dürfen allerdings nicht einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot gleichkommen, das in der Regel, und auch das oft nur gegen eine Kompensation, nur für einen bestimmten nachvertraglichen Zeitraum (bis zu 2 Jahren) vereinbart werden kann. Sind Vertraulichkeitsvereinbarungen ausdrücklich oder aus rechtlichen Gründen mittelbar zeitlich beschränkt, endet mit deren Ablauf aber die Verpflichtung zur Vertraulichkeit.
Vertraulichkeitsvereinbarungen können Nutzungsverbote beinhalten, sich aber auch darauf beschränken, dass ausgetauschte Informationen nicht an Dritte oder gar die Öffentlichkeit weitergeben werden. Bei solch einer Beschränkung kann die Nutzung des Geschäftsgeheimnisses für eigene Zwecke des Informationsempfängers erlaubt sein. Darin läge dann auch keine unzulässige Nutzung im Sinne von § 4 Abs. 2 Nr. 3 GeschGehG (Art. 4 Abs. 3 b) der Richtlinie (EU) Nr. 943/2016).
Arbeitnehmer
Arbeitnehmer sind nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH (EuGH, Urt. v. 03.07.1986 – 66/85, ECLI:EU:C:1986:284, Rn. 17 – Lawrie-Blum; EuGH, 10.09.2014 – C-270/13, ECLI:EU:C:2014:2185, Rn. 28 f. – Haralambidis.) nur Personen, die während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisungen Leistungen erbringen, für die diese als Gegenleistung eine Vergütung erhalten.
Arbeitnehmer sind aufgrund ihrer Treuepflicht, die im Arbeitsvertrag begründet ist, zur Geheimhaltung von vertraulichen Informationen ihres Arbeitgebers verpflichtet. Diese Treupflicht endet aber mit Beendigung des Arbeitsvertrags. Sie kann vertraglich nur in den Grenzen der §§ 138, 242 und 307 BGB sowie §§ 74 ff HGB verlängert werden. Bei ihrer Auslegung ist jedoch wiederum die Richtlinie (EU) Nr. 943/2016 zu beachten. Nach Art. 1 Abs. 3 darf die Mobilität der Arbeitnehmer nicht beschränkt werden. Ihnen darf insbesondere nicht verboten werden, Erfahrungen weiter zu nutzen, die sie im normalen Verlauf ihrer Tätigkeit ehrlich erworben haben. Ihnen dürfen in Arbeitsverträgen auch keine Beschränkungen auferlegt werden, die keine Grundlage im Unionsrecht oder nationalen Recht haben. Siehe dazu Wunner, WRP 2019, 710.
OLG Stuttgart, Urt. v. 19.11.2020, 2 U 575/19, D.II.2.a
Ein ausgeschiedener Mitarbeiter darf die während der Beschäftigungszeit redlich erworbenen Kenntnisse auch später unbeschränkt verwenden, wenn er keinem Wettbewerbsverbot unterliegt (BGH, Urt. v. 22.3.2018, I ZR 118/16, Tz. 46 – Hohlfasermembranspinnanlage II). Dies bezieht sich indessen nur auf Informationen, die der frühere Mitarbeiter in seinem Gedächtnis bewahrt (BGH, Urt. v. 27.7.2006, I ZR 126/03, Tz. 13 – Kundendatenprogramm). Die Berechtigung, erworbene Kenntnisse nach Beendigung des Dienstverhältnisses auch zum Nachteil des früheren Dienstherrn einzusetzen, bezieht sich dagegen nicht auf Informationen, die dem ausgeschiedenen Mitarbeiter nur deswegen noch bekannt sind, weil er auf schriftliche Unterlagen zurückgreifen kann, die er während der Beschäftigungszeit angefertigt hat (BGH, Urt. v. 22.3.2018, I ZR 118/16, Tz. 46 – Hohlfasermembranspinnanlage II).
OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.3.21, 15 U 6/20, Tz. 92
Nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 GeschGehG darf ein Geschäftsgeheimnis nicht offenlegen oder nutzen, wer gegen eine Verpflichtung zur Beschränkung der Nutzung des Geschäftsgeheimnisses verstößt. Hierunter fällt insbesondere die Konstellation, dass zur Geheimhaltung verpflichtete Angestellte, die während eines Angestelltenverhältnisses berechtigt Zugang zu einem Geschäftsgeheimnis erlangt haben, dieses nach Beendigung des Angestelltenverhältnisses für eigene oder fremde Zwecke nutzen.
Verpflichtung zur Beschränkung der Nutzung (vertragliche oder sonstige Verpflichtung)
Eine Pflicht, Informationen vertraulich zu behandeln und/oder nicht für eigene Zwecke zu nutzen, kann sich ausdrücklich oder konkludent auch aus anderen vertraglichen Vereinbarungen ergeben. Als vertragliche Grundlage kommen u.a. Lizenz- oder Arbeitsverträge in Betracht (Büscher/McGuire, UWG, § 4 GeschGehG, Rn. 27, 29). Vom Tatbestand erfasst wird jede Nutzung eines Geschäftsgeheimnisses, die nicht (mehr) vom Vertrag gedeckt ist.
Ehemalige Arbeitnehmer
Literatur: Werner, Rüdiger, Verrat von Geschäftsgeheimnissen durch ausgeschiedene Mitarbeiter, WRP 2019, 1428
Der Tatbestand erfasst auch den Fall, dass der ausgeschiedene Arbeitnehmer auf Informationen seines ehemaligen Arbeitgebers (Unterlagen, Dateien etc.) zurückgreift, die nicht zu seinem Erfahrungswissen gehören (Büscher/McGuire, UWG, § 4 GeschGehG, Rn. 25).
Zur nachvertraglichen Nutzung von Geschäftsgeheimnissen durch ehemalige freie oder feste Mitarbeiter hieß es unter Geltung des § 17 UWG:
BGH, Urt. v. 23.2.2012, I ZR 136/10, Tz. 17 - MOVICOL-Zulassungsantrag
Liegen einem ausgeschiedenen Mitarbeiter schriftliche Unterlagen vor, die er während der Beschäftigungszeit befugt angefertigt hat, und entnimmt er ihnen ein Betriebsgeheimnis seines früheren Dienstherrn, verschafft er sich damit dieses Betriebsgeheimnis „sonst unbefugt“ im Sinne von § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG (BGH, Urteil vom 26. Februar 2009 - I ZR 28/06, GRUR 2009, 603 Rn. 15 = WRP 2009, 613 - Versicherungsuntervertreter, mwN). Stellt er dieses Betriebsgeheimnis einem Dritten, etwa seinem neuen Dienstherrn, zur Verfügung, verschafft sich auch dieser das Geheimnis unbefugt.
BGH, Urt. v. 26. 2. 2009, I ZR 28/06 - Versicherungsuntervertreter
Ein ausgeschiedener Mitarbeiter darf zwar die während der Beschäftgungszeit erworbenen Kenntnisse auch später unbeschränkt verwenden, wenn er keinem Wettbewerbsverbot unterliegt. Dies gilt allerdings nur für Informationen, die er in seinem Gedächtnis bewahrt (BGH, Urt. v. 14.1.1999 – I ZR 2/97, GRUR 1999, 934, 935 = WRP 1999, 912 – Weinberater) oder auf die er aufgrund anderer Quellen zugreifen kann, zu denen er befugtermaßen Zugang hat. Die Berechtigung, erworbene Kenntnisse nach Beendigung des Dienstverhältnisses auch zum Nachteil des früheren Dienstherrn einzusetzen, bezieht sich dagegen nicht auf Informationen, die dem ausgeschiedenen Mitarbeiter nur deswegen noch bekannt sind, weil er auf schriftliche Unterlagen zurückgreifen kann, die er während der Beschäftigungszeit angefertigt hat (BGH, Urt. v. 19.12.2002 – I ZR 119/00 – Verwertung von Kundenlisten).
Zu den sonstigen Verpflichtungen können auch Konstellationen gerechnet werden, die als Anvertrauen im Sinne § 18 Abs. 1 UWG gelten (Büscher/McGuire, UWG, § 4 GeschGehG, Rn. 28).
"Wer die ihm im geschäftlichen Verkehr anvertrauten Vorlagen oder Vorschriften technischer Art, insbesondere Zeichnungen, Modelle, Schablonen, Schnitte, Rezepte, zu Zwecken des Wettbewerbs oder aus Eigennutz unbefugt verwertet oder jemandem mitteilt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."
Eine Vorlage oder Vorschrift technischer Art wird einem anderen 'anvertraut' im Sinne des § 18 Abs. 1 UWG, wenn sie ihm mit der Maßgabe zur Kenntnis gegegen wird, sie nicht gegen das Interesse des Anvertrauenden, also z.B. nicht ohne seine Zustimmung für eigene Zwecke oder die Zwecke eines Dritten zu nutzen. Es reicht aus, wenn sich für den anderen aus den Umständen ergibt, dass ihm die Vorlage oder Vorschrift technischer Art vertraulich an die Hand gegeben wird. Es ist allerdings stets empfehlenswert, wenn die Vertraulichkeit möglichst schriftlich zum Ausdruck gebracht wird.
KG, Urt. v. 9.6.1987, 5 U 6153/85 - Corporate Identity
"Anvertraut" sind Vorlagen, die vertraglich oder außervertraglich mit der ausdrücklichen oder aus den Umständen folgenden Verpflichtung überlassen werden, sie nur im Interesse des Anvertrauenden zu verwerten.
Was im allgemeinen jedermann ohne größere Mühen zugänglich ist, kann nicht anvertraut werden.
BGH, Urt. v. 10.7.1963, Ib ZR 21/62 - Petromax II
Das Wettbewerbsgesetz bietet keine Handhabe dazu, den Empfänger technischer Zeichnungen durch einseitige Äußerung eines auf vertrauliche Behandlung gerichteten Willens des Überlassenden oder im Rahmen von Vertragsverhandlungen irgendwelchen Beschränkungen in der Verwendung dessen zu unterwerfen, was ihm auch anderweitig ohne weiteres zugänglich ist. Auch nach voraufgegangenen Vertragsverhandlungen ist daher frei, was in seiner konkreten Erscheinungsform jedem Interessenten ohne größere Schwierigkeiten und Opfer zugänglich ist.
Wirksamkeit der Beschränkung
§ 4 Abs. 2 Nr. 2 setzt eine wirksame Beschränkung der Nutzung des Geheimnisträgers voraus.
Rechtsverletzer
Rechtsverletzer ist nach § 2 Nr. 3 GeschGehG jede natürliche oder juristische Person, die entgegen § 4 ein Geschäftsgeheimnis rechtswidrig erlangt, nutzt oder offenlegt; Rechtsverletzer ist nicht, wer sich auf eine Ausnahme nach § 5 berufen kann.
Täter eines Geheimnisverrats kann auch jemand sein, der das Geschäftsgeheimnis von jemandem erlangt, der es selber entgegen § 4 Abs. 2 GeschGehG nutzt oder offengelegt hat. Voraussetzung für diese Täterschaft ist aber, dass er zum Zeitpunkt des eigenen Erwerbs, der eigenen Nutzung oder der eigenen Offenlegung weiß oder wissen müsste, dass es sich um ein Geschäftsgeheimnis handelt, dass der Informant nicht offenlegen durfte oder dürfte. Der Tatbestand ist auch für alle zukünftigen Tathandlungen erfüllt, wenn der Täter später von der illegalen Herkunft des Geschäftsgeheimnisses erfährt.
Der Geheimnisverrat nach Art. 4 Abs. 4 setzt über die Tathandlung subjektive Tatbestandelemente (Kenntnis oder Kennenmüssen) voraus. Die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis muss sich nach nur auf die Vortat, sondern auch deren Rechtswidrigkeit beziehen.
Wann von einem Kennenmüssen auszugehen ist, hängt vom maßgeblichen Sorgfaltsmaßstab ab. Eine allgemeine Nachforschungspflicht wird abgelehnt (Alexander, WRP 2017, 1034, Tz. 103). Eine Nachforschungspflicht kann aber bestehen, wenn dem Informationsempfänger am seriösen Erwerb der Information durch den Informanten Zweifel kommen (müssen), die auch nachträglich entstehen können.
Zu Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie (EU) Nr. 2016/943 siehe auch deren Erwägungsgrund 29:
Eine Person könnte ein Geschäftsgeheimnis ursprünglich in gutem Glauben erworben haben, aber erst zu einem späteren Zeitpunkt — zum Beispiel aufgrund einer entsprechenden Mitteilung des ursprünglichen Inhabers des Geschäftsgeheimnisses — erfahren, dass ihre Kenntnis des betreffenden Geschäftsgeheimnisses auf Quellen zurückgeht, die dieses Geschäftsgeheimnis auf unrechtmäßige Weise genutzt oder offengelegt haben. Damit in solchen Fällen die vorgesehenen gerichtlichen Abhilfemaßnahmen oder Anordnungen der betreffenden Person keinen unverhältnismäßig großen Schaden zufügen, sollten die Mitgliedstaaten für entsprechende Fälle als alternative Maßnahme die Möglichkeit einer finanziellen Entschädigung für die geschädigte Partei vorsehen. Diese Entschädigung sollte jedoch nicht den Betrag der Lizenzgebühren übersteigen, die bei einer genehmigten Nutzung des betreffenden Geschäftsgeheimnisses für den Zeitraum angefallen wären, für den der ursprüngliche Inhaber des Geschäftsgeheimnisses dessen Nutzung hätte verhindern können. Würde die rechtswidrige Nutzung des Geschäftsgeheimnisses jedoch einen Verstoß gegen andere Rechtsvorschriften als die in dieser Richtlinie enthaltenen darstellen oder zu einer Gefahr für die Verbraucher werden, sollte eine solche rechtswidrige Nutzung nicht gestattet werden.
Mittelbare Geheimnisschutzverletzung
§ 4 Abs. 3 S. 1 GeschGehG erfasst Fälle des mittelbaren Geheimnisverrats, der im früheren Recht nicht geregelt war.
Ein rechtsverletzende Produkt ist nach § 2 Nr. 4 GeschGehG (Art. 2 Nr. 4 der Richtlinie (EU) Nr. 2016/943)
ein Produkt, dessen Konzeption, Merkmale, Funktionsweise, Herstellungsprozess oder Marketing in erheblichem Umfang auf einem rechtswidrig erlangten, genutzten oder offengelegten Geschäftsgeheimnis beruht.
OLG Frankfurt, Beschl. v. 27.11.2020, 6 W 113/20, II. 4.b
§ 4 Abs. 3 GeschGehG erfasst auch mittelbare Verletzungshandlungen, bei denen die handelnde Person das Geschäftsgeheimnis entweder von einem Dritten bezieht bzw. ableitet oder mit rechtsverletzenden Produkten umgeht. In beiden Fällen ist in der Person des Handelnden indes ein subjektives Element erforderlich (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Alexander, 38. Auflage 2020, GeschGehG § 4 Rn 60).
Es ist erforderlich, dass die handelnde Person das Geschäftsgeheimnis von diesem Dritten erlangt, wobei sie gewusst hat oder hätte wissen müssen, dass der Dritte einen Rechtsverstoß begangen hat. Das Gesetz nennt drei Formen der unzulässigen Kenntniserlangung: Zugang, Aneignung, Kopieren. Die Aufzählung ist abschließend und stellt klar, dass nicht jede Kenntniserlangung als Handlungsverbot nach dem GeschGehG einzustufen ist (BeckOK GeschGehG/Hiéramente, 5. Ed. 15.9.2020, GeschGehG § 4 Rn 14-19).
Es ist noch offen, inwieweit zu den rechtsverletzenden Produkten auch Kundenlisten zur Bewerbung eines konkreten Produkt etc. gehören, die keine Eigenschaften des Produkts im eigentlichen Sinne darstellen. Dafür spricht, dass in Art. 2 Nr. 4 der Richtlinie auch das Marketing erwähnt wird, das ebenfalls eigentlich keine Produkteigenschaft darstellt.
Der Tatbestand hat mehrere Voraussetzungen:
1.
Es muss eine rechtswidrige Nutzung oder Weitergabe des Geschäftsgeheimnisses durch einen unmittelbaren Verletzer vorliegen. Es ist nicht erforderlich, dass der Täter die Information vom unmittelbaren Rechtsverletzer erhalten hat. 'Vortäter' kann jedes Glied in der Informationskette sein (Büscher/McGuire, UWG, § 4 GeschGehG, Rn. 35).
2.
Der Rechtsverletzer muss eine Tathandlung begehen. Er muss die relevante Information erlangen, d.h. zur Kenntnis nehmen oder sich zu Eigen machen. Dafür reicht nicht aus, dass er lediglich ein Produkt erwirbt, nutzt oder veräußert, in dem das Geschäftsgeheimnis verkörpert ist.
3.
Der Geheimnisverrat muss sich in erheblichem Umfange in einer Ware oder Dienstleistung niederschlagen.
Ein erheblicher Umfang soll nur dann zu bejahen sein, wenn sich der Gesamtanteil des für die Produktentwicklung, Produktherstellung oder den Produktvertrieb erforderlichen Aufwands mindestens zur Hälfte auf das Geschäftsgeheimnis zurückführen lässt (Alexander WRP 2018, 1034, Tz. 106). Ich halte einen solchen prozentualen Ansatz zum einen für das falsche Kriterium, zum anderen 50 % für zu streng. Entscheidend sollte sein, ob der Wettbewerb zwischen den Waren oder Dienstleistungen erheblich oder mehr als nur unerheblich beeinflusst wird, weil das Geschäftsgeheimnis in dem anderen Produkt oder seiner Vermarktung genutzt wurde.
4.
Darüber hinaus ist ein subjektives Tatbestandsmerkmal erforderlich. Der Täter muss vom Geheimnisverrat wissen oder müsste davon wissen und er muss oder müsste wissen, dass er bei der Ware oder Dienstleistung ausgenutzt wurde. Diese Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis kann auch nachträglich herbeigeführt werden. Daraus resultierende Unbilligkeiten können durch den Verhältnismäßigkeitsvorbehalt des § 9 GeschGehG abgefedert werden.
Herstellen, Anbieten, Inverkehrbringen rechtsverletzender Produkte
§ 4 Abs. 3 S. 2 GeschGehG verbietet das Herstellen, Anbieten oder Inverkehrbringen von rechtsverletzenden Produkten oder die Einfuhr, Ausfuhr oder Lagerung von rechtsverletzenden Produkten. Voraussetzung ist wiederum, dass die Person, die diese Tätigkeiten durchführt, wusste oder unter den gegebenen Umständen hätte wissen müssen, dass das Geschäftsgeheimnis rechtswidrig im Sinne des Absatzes 3 genutzt wurde.
§ 4 Abs. 3 S. 2 GeschGehG soll trotz des einleitenden Worts 'insbesondere' kein Regelbeispiel für § 4 Abs. 3 S. 1 GeschGehG sein, sondern ein eigener Tatbestand, die in der Richtlinie ebenfalls getrennt erfasst wird. Die Tatbestände unterscheiden sich dadurch, dass § 4 Abs. 3 S. 2 GeschGehG Kein Erlangen des Geheimnisses durch den mittelbaren Täter voraussetzt und im bloßen Herstellen, Anbieten, Inverkehrbringen oder Einführen eines rechtsverletzenden Produkts liegen kann. Praktische Bedeutung kann das im Falle einer arbeitsteiligen Produktion haben (Büscher/McGuire, UWG, § 4 GeschGehG, Rn. 41 f).
Zustimmung des Geheimnisinhabers
Die Rechtswidrigkeit sämtliche Handlungsweisen, die in Art. 4 der Richtlinie genannt werden, entfällt, wenn sie mit Zustimmung des Inhabers des Geschäftsgeheimnisses erfolgen. Die Befugnis zur Vornahme dieser Handlungen kann sich aber auch aus den Umständen ergeben, die in Art. 3 oder 5 der Richtlinie genannt werden.