Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 

 

 

Aktivierung von Prüfungspflichten

Die Frage, ob Prüfungspflichten bestehen, stellt sich immer nur, wenn die Verantwortung eines Unternehmers für die Rechtsverletzung eines Dritten zu beurteilen ist. Die Frage stellt sich nicht, wenn der Unternehmer die Rechtsverletzung selber begangen hat. Es geht also stets darum, ob ein Unternehmer verpflichtet ist, die Rechtsverletzung eines Dritten zu verhindern oder jedenfalls nicht zu fördern. Beispiel: Wer Dritte auf seiner Internetplattform ein rechtswidriges Produkt verkaufen lässt, ist erst verpflichtet, den Verkauf zu verhindern, wenn er ausreichend konkret auf die Rechtswidrigkeit des Produkts hingewiesen wurde. Wer das Produkt aber selber anbietet, haftet für die Rechtswidrigkeit auch ohne einen Hinweis.

In aller Regel bestehen Prüfungspflichten nur im Einzelfall, nachdem der Unternehmer auf eine konkrete Rechtsverletzung hingewiesen wurde.

BGH, Urt. v. 22.7.2021, I ZR 194/20, Tz. 81 - Rundfunkhaftung

Auch wenn bei der erstmaligen Verbreitung einer rechtswidrigen Werbung keine wettbewerbsrechtliche Prüfungspflicht verletzt worden ist, kann eine Haftung des Verbreitenden begründet sein, wenn die Handlung aufrechterhalten bleibt, obwohl nach dem Hinweis auf eine klare Rechtsverletzung in einer Abmahnung eine nunmehr zumutbare Prüfung ergeben hätte, dass damit ein rechtswidriges Handeln gefördert wird.

Ebenso OLG Frankfurt, Urt. v. 18.8.2022, 6 U 56/22, II.8.c

BGH, Urt. v. 22.7.2021, I ZR 194/20, Tz. 94 - Rundfunkhaftung

Wird eine wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht zur Unterbindung eines rechtswidrigen Angebots erst durch den Hinweis auf die Rechtsverletzung in einer Abmahnung oder einer sonstigen Mitteilung ausgelöst, so liegt in der Handlung, die Gegenstand der Mitteilung ist, noch keine Verletzungshandlung, die eine Wiederholungsgefahr im Sinne eines Verletzungsunterlassungsanspruchs begründet. Für die Annahme von Wiederholungsgefahr ist vielmehr eine vollendete Verletzung nach Begründung der wettbewerbsrechtlichen Pflicht zur Verhinderung weiterer derartiger Rechtsverletzungen erforderlich.

Wie konkret der Hinweis gestaltet sein muss, ist ebenfalls eine Frage des Einzelfalls.

1. Betreiber eines legitimen, wenn auch gefahrgeneigten Geschäftsmodells

2. Verlinkungen

Betreiber eines legitimen, wenn  auch gefahrgeneigten Geschäftsmodells

OLG Frankfurt, Urt. v. 24.6.2021, 6 U 244/19, II.2.h.dd

Für Diensteanbieter wie Betreiber von Internet-Marktplätzen ist zunächst die Privilegierung des § 7 Abs. 2 Satz 1 TMG zu beachten, die einer allgemeinen Prüfungspflicht von Diensteanbietern im Sinne der §§ 8 bis 10 TMG für die von Nutzern auf ihre Server eingestellten Dateien entgegensteht (BGH, Urteil vom 18.6.2015 - I ZR 74/14, Rn 23 - Haftung für Hyperlink). Danach sind Diensteanbieter nicht verpflichtet, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hindeuten. Der Beklagten als Betreiberin einer Internethandelsplattform ist es daher insbesondere nicht zuzumuten, jedes Angebot vor Veröffentlichung im Internet auf eine mögliche Rechtsverletzung hin zu untersuchen (vgl. EuGH, GRUR 2011, 1025 Rn 109 ff. und 139 - L'Oréal/eBay; BGHZ 191, 19Rn 21 - Stiftparfüm). Daran ändert auch die EuGH-Rechtsprechung nichts, wonach die Haftungsprivilegierung für Zugangsprovider einen zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch nicht ausschließt (EuGH GRUR 2016, 1146 Rn 79 - McFadden/Sony Music). Für Host-Provider wie die Beklagte sieht Art. 14 Abs. 1 der E-Commerce-Richtlinie (RL 2000/31/EG) vor, dass sie für die im Auftrag eines Nutzers gespeicherten Informationen grundsätzlich nicht verantwortlich sind, solange sie keine Kenntnis von ihrem rechtswidrigen Inhalt erlangt haben. Nicht ausgeschlossen sind dagegen Überwachungspflichten in spezifischen Fällen (Köhler/Bornkamm/Feddersen UWG, 38. Aufl., § 8 Rn 2.28). Diensteanbieter, die von Nutzern bereitgestellte Informationen speichern, müssen die nach vernünftigem Ermessen von ihnen zu erwartende Sorgfalt aufwenden, um bestimmte Arten rechtswidriger Tätigkeiten aufzudecken und zu verhindern (BGH, Urteil vom 5.2.2015 - I ZR 240/12 = GRUR 2015, 485 Rn 51 - Kinderhochstühle im Internet III).

§ 7 TMG wurde durch § 7 Abs. 1 DDG iVm Art. 4 bis 8 der Artikel 4 bis 8 der Verordnung (EU) 2022/2065 (Digital Service Act) ersetzt.

BGH, Urt. v. 17.8.2011, I ZR 57/09, Tz. 28 - Stiftparfum

Die Funktion des Hinweises auf Rechtsverletzungen besteht darin, den grundsätzlich nicht zur präventiven Kontrolle verpflichteten Betreiber einer Internethandelsplattform in die Lage zu versetzen, in der Vielzahl der ohne seine Kenntnis von den registrierten Mitgliedern der Plattform mit Hilfe der zur Verfügung gestellten Plattform-Software eingestellten Verkaufsangebote diejenigen auffinden zu können, die Rechte Dritter verletzen. Dies setzt voraus, dass der Hinweis so konkret gefasst ist, dass der Adressat des Hinweises den Rechtsverstoß unschwer - das heißt ohne eingehende rechtliche oder tatsächliche Überprüfung - feststellen kann. Dabei hängt das Ausmaß des insoweit vom Betreiber einer Internethandelsplattform zu verlangenden Prüfungsaufwandes von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere vom Gewicht der angezeigten Rechtsverletzungen auf der einen und den Erkenntnismöglichkeiten des Betreibers auf der anderen Seite.

OLG Hamburg, Urteil vom 30. Juni 2016, 5 U 58/13

Ob ein Hinweis auf eine klare Rechtsverletzung gegeben ist, wird stets von den Umständen des Einzelfalles abhängig sein. ... Der Hinweis an den Betreiber eines Internetportals muss so konkret gefasst sein, dass sich die Rechtsverletzung ohne nähere Prüfung unschwer erkennen lässt. Ein solcher Hinweis wird dem Portalbetreiber zugleich ermöglichen, erforderlichenfalls eine fundierte Stellungnahme des Nutzers einzuholen.

BGH, Urt. v. 17.8.2011, I ZR 57/09, Tz. 31 - Stiftparfum

Zwischen dem für die Entstehung einer Prüfungspflicht erforderlichen Hinweis auf eine klare Rechtsverletzung und dem Beleg der dazu im Hinweis mitgeteilten Umstände ist zu unterscheiden. Ein Beleg ist nur dann erforderlich, wenn schutzwürdige Interessen der Beklagten dies rechtfertigen. Dies kann der Fall sein, wenn die Beklagte nach den Umständen des Einzelfalls berechtigte Zweifel am Bestehen eines Schutzrechts, an der Befugnis zur Geltendmachung dieses Schutzrechts durch den Hinweisenden oder aber am Wahrheitsgehalt der mitgeteilten tatsächlichen Umstände einer Rechtsverletzung haben darf und deshalb aufwendige eigene Recherchen anstellen müsste, um eine Rechtsverletzung hinreichend sicher feststellen zu können.

Ebenso OLG Köln, Urt. v. 19.2.2014, 6 U 49/13, Tz. 24

BGH, Urt. v. 17.8.2011, I ZR 57/09, Tz. 36 - Stiftparfum

Für die Offenkundigkeit einer mitgeteilten Rechtsverletzung kommt es nicht auf den formellen Gesichtspunkt an, aus welcher Erkenntnisquelle sich die die Rechtsverletzung kennzeichnenden tatsächlichen und rechtlichen Umstände entnehmen lassen, sondern allein darauf, ob diese Umstände zur Kenntnis der Beklagten gelangen und für sie unschwer zu erkennen und zu bewerten sind. Davon zu unterscheiden ist wiederum die Frage, ob und inwieweit die Beklagte ein berechtigtes Interesse daran hat, dass der Rechteinhaber auf konkrete Anforderung bestimmte aus seiner Sphäre stammende Umstände belegen muss.

Wenn der Betreiber des Geschäftsmodells Zweifel am Rechtsverstoß oder an der Berechtigung, desjenigen, der einen Rechtsverstoß geltend macht, hat, ist er nach Treu und Glauben gehalten, auf diese Zweifel hinzuweisen und nach den Umständen angemessene Belege für die behaupteten klaren Rechtsverletzungen und die Befugnis zur Verfolgung dieser Verletzungen zu verlangen (BGH, Urt. v. 17.8.2011, I ZR 57/09, Tz. 32 - Stiftparfum).

Die Intensität der Prüfungspflichten hängt allerdings auch davon ab, inwieweit der Inanspruchgenommene Rechtsverletzungen fördert.

BGH, Urt. v. 15.8.2013, I ZR 80/12, Tz. 45 - File-Hosting-Dienst

Eine Prüfpflicht der Beklagten im Hinblick auf die zugunsten der Klägerin geschützten Musikwerke, deren Verletzung die Wiederholungsgefahr begründen kann, konnte erst entstehen, nachdem sie von der Klägerin auf eine klare Rechtsverletzung in Bezug auf die konkreten Musikwerke hingewiesen worden war (BGHZ 194, 339 Rn. 28 - Alone in the Dark). Der Umstand, dass die Beklagte durch eigene Maßnahmen die Gefahr einer rechtsverletzenden Nutzung ihres Dienstes fördert, ist jedoch bei der Bestimmung des Umfangs ihrer Prüfpflichten zu berücksichtigen.

Das OLG Köln hat diese Rechtsprechung allgemein auf Fallkonstellationen ausgeweitet, in denen ein Unternehmen von einer Rechtsverletzung erfährt und keine geeigneten Maßnahmen ergreift, dagegen vorzugehen.

OLG Köln, Urt. v. 12.12.2014, 6 U 101/14, Tz. 21

Die Antragsgegnerin haftet jedenfalls wegen Verletzung einer wettbewerblichen Verkehrspflicht für die fehlerhaften Einträge. Unstreitig war ihr aufgrund der Beanstandung der Ordnungsbehörde Anfang 2013 bekannt, dass die für sie geschalteten Einträge in den Verzeichnissen fehlerhaft waren und einen Verstoß gegen § 49 Abs. 4 S. 5 PBefG darstellten. Dann entsprach es aber dem Gebot fachlicher Sorgfalt (§ 3 Abs. 2 S. 1 UWG), dafür zu sorgen, dass die Einträge berichtigt wurden. … Wenn die Antragsgegnerin eine Pflicht traf, den in ihrem Namen geschalteten fehlerhaften Eintrag zu korrigieren, dann war sie auch verpflichtet, die Einhaltung ihrer Weisungen zu kontrollieren. … Wenn dennoch rechtswidrige Einträge ein Jahr in öffentlichen Verzeichnissen verbleiben konnten, ist die Antragsgegnerin hierfür verantwortlich.

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Verlinkungen

Prüfungspflichten können sich auch beim Setzen eines Links auf Seiten oder Angebote Dritter ergeben.

BGH, Urt. v. 18.6.2015, I ZR 74/14, Tz. 25 ff - Haftung für Hyperlink

Zur Konkretisierung der Prüfungspflichten im Zusammenhang mit dem Setzen von Hyperlinks kann im Ausgangspunkt auf die vom Senat im Zusammenhang mit Internet-Marktplätzen entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden. ... Hyperlinks sind aus der Sicht der Internetnutzer unerlässlich, um die unübersehbare Informationsflut im Internet zu erschließen. Es ist daher gerechtfertigt, regelmäßig auch für einen Unternehmer eine proaktive Überwachungspflicht hinsichtlich der von ihm verlinkten Inhalte zu verneinen. Sofern ein rechtsverletzender Inhalt der verlinkten Internetseite nicht deutlich erkennbar ist, haftet derjenige, der den Link setzt, für solche Inhalte grundsätzlich erst, wenn er von der Rechtswidrigkeit der Inhalte selbst oder durch Dritte Kenntnis erlangt.

Wenn keine Grundlage für die Annahme erhöhter Pflichten des Beklagten etwa unter dem Aspekt eines von vornherein auf Rechtsverletzungen angelegten Geschäftsmodells oder der Förderung rechtsverletzender Nutzung durch eigene Maßnahmen besteht (vgl. dazu BGHZ 194, 339 Rn. 22 - Alone in the Dark; BGH, Urt. v. 15.8.2013, I ZR 80/12, Tz. 31 - File-Hosting-Dienst), setzt eine Haftung des Beklagten für den von ihm gesetzten Link voraus, dass er - etwa durch einen Hinweis des Klägers - Kenntnis von rechtswidrigen Inhalten erhielt, die über diesen Link erreichbar waren.

Soweit der Senat insoweit bei Internet-Marktplätzen oder File-Hosting-Diensten eine klare Rechtsverletzung verlangt (vgl. BGHZ 194, 339 Rn. 28 - Alone in the Dark; BGH, GRUR 2015, 485 Rn. 52 - Kinderhochstühle im Internet III), ergibt sich diese Anforderung unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit, weil weitergehende Prüfungspflichten das von der Rechtsordnung grundsätzlich gebilligte Geschäftsmodell dieser Anbieter in Frage stellen könnten. Eine vergleichbare Interessenlage besteht nicht bei Hyperlinks, die kommerziellen Internetseiten lediglich ein zusätzliches Informationsangebot hinzufügen, das für die dort angebotenen Waren oder Dienstleistungen weder essentiell ist noch ihren Wert oder Nutzen steigert. Zudem handelt es sich dabei im Gegensatz zu Internet-Marktplätzen oder File-Hosting-Diensten regelmäßig um eine begrenzte Anzahl von Hyperlinks, die vom Inhaber der Internetseite bewusst gesetzt werden. Es ist deshalb sachgerecht, das Risiko der rechtlichen Beurteilung, ob eine beanstandete Äußerung auf dem durch den Link erreichbaren Internetauftritt tatsächlich rechtswidrig ist oder nicht, demjenigen zuzuordnen, der den Link setzt. Dadurch werden die wettbewerbsrechtlich geschützten Interessen Dritter angemessen gegen die Verbreitung rechtswidriger Inhalte im Internet durch Hyperlinks geschützt. Der Unternehmer, der den Hyperlink setzt, ist also bei einem Hinweis auf Rechtsverletzungen auf der verlinkten Internetseite zur Prüfung verpflichtet, ohne dass es darauf ankommt, ob die Rechtsverletzung klar erkennbar ist.

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