Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze

Klinik


 

klimaneutral

Literatur: Steuer, Sebastian, "Klimaneutrale" Produkte im Lauterkeitsrecht, GRUR 2022, 1408

Zu Informationspflichten bei der Werbung mit Umweltschutz, insbesondere einer Klimaneutralität siehe hier. Zur Umweltwerbung allgemein siehe hier.

BGH, Urt. v. 27.6.2024, I ZR 98/23, Tz. 40 – klimaneutral

Die Angabe klimaneutral ist mehrdeutig und umfasst, da die Beklagte in der Werbung selbst nicht eindeutig und klar die von ihr gemeinte konkrete Bedeutung einer bloßen Kompensation von CO2 erklärt hat, nach der Verkehrsanschauung auch das Versprechen einer auf den Produktionsprozess bezogenen CO2-Vermeidung.

BGH, Urt. v. 27.6.2024, I ZR 98/23, Tz. 29 – klimaneutral

Für die Beurteilung der im Streitfall vorliegenden Werbung mit Umweltschutzbegriffen und -zeichen gelten strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Werbeaussage. Es besteht ein gesteigertes Aufklärungsbedürfnis der angesprochenen Verkehrskreise über Bedeutung und Inhalt des Begriffs "klimaneutral" und an die zur Vermeidung einer Irreführung erforderlichen aufklärenden Hinweise sind strenge Anforderungen zu stellen. Diese Anforderungen bei einer Werbung, die einen mehrdeutigen umweltbezogenen Begriff verwendet, werden regelmäßig nur dann erfüllt sein, wenn bereits in der Werbung selbst eindeutig und klar erläutert wird, welche konkrete Bedeutung maßgeblich ist. Eine solche Erläuterung ist im Streitfall insbesondere deshalb zur Aufklärung erforderlich, weil die Reduktion und die Kompensation von CO2-Emissionen keine gleich-wertigen Maßnahmen zur Herstellung von Klimaneutralität sind. Vielmehr gilt der Grundsatz des Vorrangs der Reduktion gegenüber der Kompensation.

Verweise auf Informationen in externen Quellen sind entgegen der früheren Rechtsprechung der Instanzgerichte irrelevant.

BGH, Urt. v. 27.6.2024, I ZR 98/23, Tz. 36 – klimaneutral

Nach den für umweltbezogene Werbung geltenden strengen Maßstäben an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit einer solchen Werbeaussage (vgl. dazu Rn. 24) sind außerhalb der Werbung selbst erfolgende, vom Verbraucher erst durch eigene Tätigkeit zu ermittelnde aufklärende Hinweise nicht ausreichend. Der vom Berufungsgericht unter Hinweis auf § 5a Abs. 5 Nr. 1 UWG aF und § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG bei der Prüfung der Informationspflichtverletzung herangezogene Gesichtspunkt der räumlichen Beschränkung des vom Werbenden gewählten Kommunikationsmittels ist für die Prüfung der Irreführung gemäß § 5 Abs. 1 UWG ohne Bedeutung (Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 42. Aufl., § 5a Rn. 2.57; zu Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken vgl. EuGH, Urteil vom 26. Oktober 2016, GRUR 2016, 1307 [juris Rn. 42] = WRP 2017, 31 - Canal Digital Danmark).

Obsolet u.a. OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.7.2023, I-20 U 72/22, Tz. 30OLG Schleswig, Urt. v. 30.6.2022, 6 U 46/21, Tz. 28 f - klimaneutral

OLG Koblenz, Urt. v. 10.8.2011, 9 U 163/11

CO2-neutral": Der Verbraucher erwartet einen vollständigen Ausgleich der CO2-Belastungen. Dies steht im Einklang mit den Anforderungen des TÜV für eine Zertifizierung der Klimaneutralität. Danach ist ein Unternehmen oder ein Produkt dann als klimaneutral zu betrachten, wenn die entstandenen CO2-Emisionen, die entsprechend zuzurechnen sind, durch CO2-reduzierende Projekte kompensiert werden.

Das LG Karlsruhe hält die Werbung mit Klimaneutral (durch CO2-Kompensation) in der Regel für irreführend, wenn die Kompensation nur 'auf dem Papier' erreicht wird (LG Karlsruhe, Urt. v. 26.7.2022, 13 O 46/22, Tz. 74 ff). Klimaneutralität sei bei einer Kompensation durch ein Waldprojekt nicht gegeben, auch wenn dieses auf 100 Jahre berechnet würde. Denn das CO2, das durch ein Produkt in die Atmosphäre gelangt, verbleibt dort viel länger und schädigt auch nach 100 Jahren weiter das Klima.