"wissenschaftlich erwiesen"
"Seine Entdeckungen sind wissenschaftlich und klinisch erwiesen" bei gesundheitsbezogener Werbung
KG Berlin, Urt. v. 14.8.2012, 5 U 92/07, IV.
Der angesprochene Verkehr versteht diese Aussage dahin, dass die "Entdeckungen" des Beklagten zu den "allgemeinen Zellmechanismen, die der Ausbreitung von Krebs und Viruserkrankungen im menschlichen Körper zu Grunde liegen", nach den anerkannten Standards in der medizinischen Wissenschaft und Technik in vollem Umfang und ohne verbleibende Zweifel (schulmedizinisch) bewiesen worden sind. Dieser Beweis muss dabei insbesondere auch durch wissenschaftlichen Ansprüchen vollständig genügende (klinische) Studien am Menschen erbracht worden sein. Einem solchen Verständnis entgegenstehende Einschränkungen lässt diese Werbeaussage nicht erkennen.
Danach können zwanglos ausreichende klinische Prüfungen in einem Umfang gefordert werden, wie sie für die Zulassung von Medikamenten Voraussetzung sind, § 25 Abs. 2 Nr. 2 AMG. Denn die Zulassung eines Medikaments erfordert einen sicheren Nachweis der Wirksamkeit des Arzneimittels (Deutsch/Lippert, AMG, 3. Auflage, § 40 Rn. 1). Sollen die "Entdeckungen" des Beklagten wissenschaftlich und klinisch erwiesen sein, müssen sie einem solchen sicheren Nachweis entsprechen. Dem angesprochenen Verkehr ist der Nachweis medizinischer Entdeckungen im Zusammenhang mit der Zulassung neuer Arzneimittel durchaus geläufig. Dies wird umso mehr seine Vorstellung prägen.
Die klinischen Prüfungen der Phasen I bis III werden in der Regel als Blindprüfungen durchgeführt (Rehmann/Greve, AMG, 3. Auflage, Vor §§ 40 - 42a Rn. 4). Ein Blindversuch ist eine klinische Prüfung, in der die Patienten nicht wissen, ob sie zur Therapie- oder zur Kontrollgruppe gehören (Rehmann/Greve, a.a.O.). Für eine hinreichend genaue Einschätzung der Wirksamkeit und Sicherheit eines Arzneimittels sind oftmals vergleichende Studien notwendig (Franken in: Fuhrmann/Klein/Fleischfresser, ArzneimittelR, Kapitel 12 Rn. 19). Durch die Wahl von einer (oder mehreren) geeigneten Vergleichsgruppe(n) im Studiendesign kann eventuellen Verzerrungen begegnet werden. Die in einer Studie untersuchten Gruppen sollten jedoch hinsichtlich ihrer demographischen und anamnestischen Charakteristika vergleichbar sein. Üblicherweise wählt man eine randomisierte Zuteilung der Patienten zu den verschiedenen Behandlungsgruppen (Franken, a.a.O.). Eine Verblindung wird in der Regel eingesetzt, wenn in einer Studie neben dem eigentlichen zu prüfenden neuen Arzneimittel als Vergleichsgröße noch ein Placebo und/oder ein zugelassenes Arzneimittel als Vergleichspräparat eingesetzt wird (Franken, a.a.O., Kapitel 12 Rn. 21). Phase-III-Studien sind das wichtigste Instrument zur Erforschung und Dokumentation der Sicherheit und Wirksamkeit eines Wirkstoffes. Sie stellen hohe Anforderungen an eine ordnungsgemäße statistische Auswertung, da sie oft mit mehreren 1000 Patienten durchgeführt werden (Franken, a.a.O., Kapitel 12 Rn. 35f). Der gleichzeitige Einsatz von Placebo und/oder einem bereits etablierten Vergleichspräparat in derselben Studie liefert direkte Vergleichsdaten. Fünf bis zehn solcher Studien stellen eine übliche Zahl dar, in Einzelfällen können es deutlich mehr sein, um die erstrebte Zulassung eines Medikaments zu erreichen (Franken, a.a.O., 36). Die kontrollierte klinische Prüfung (Aufteilung der Prüfungsteilnehmer in mehrere, mindestens aber zwei Gruppen) ist heute als wissenschaftlicher Standard anzusehen, weil ihre Ergebnisse Auskunft darüber geben, was geschehen wäre, wenn die Patienten eine als wirksam bekannte Standardtherapie erhalten oder ohne Therapie gelassen worden wären (Kloesel/Cyran, ArzneimittelR, 2011, § 40 AMG Anm. 19). Randomisierte kontrollierte Studien waren und sind das aufklärerische Instrument, um Vorurteilen und gefährlichen Praktiken zu begegnen (Kloesel/Cyran, a.a.O., m.w.N.).
Danach sind auch vorliegend für einen hinreichend sicheren Nachweis (wie er in der streitgegenständlichen Werbung versprochen wurde) mehrere randomisierte Blindstudien mit einer statistisch ausreichend großen Zahl von Probanden, die nach dem Zufallsprinzip und ohne Kenntnis jedenfalls der Probanden auf Behandlungsgruppen und Kontrollgruppe verteilt wurden, erforderlich.