OLG Nürnberg, Urt. v. 25.6.2019, 3 U 821/18, D. I. 1
Wird in der Werbung die Auflagenhöhe angegeben, handelt es sich um eine Beschaffenheitsangabe nach § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG (Bornkamm/Feddersen, in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl. 2019, § 5 Rn. 2.168).
Der Begriff der „Auflage“ ist mehrdeutig. Gemeint sein kann die „gedruckte Auflage“, die „verkaufte Auflage“, also die im Einzelverkauf und an Abonnenten abgegebenen Exemplare, oder auch die „verbreitete Auflage“, die neben den verkauften Exemplaren die Werbeexemplare und Freistücke einschließt. Für den Käufer (Leser-) Markt ist die Angabe der verkauften Auflage relevant, für den Anzeigenmarkt die Information über die verbreitete Auflage (Busche, in MüKoUWG, 2. Aufl. 2014, § 5 UWG Rn. 355). Bei der Werbung mit der Auflagenhöhe einer Zeitung ist wegen der Vieldeutigkeit des Begriffs der „Auflage" und dem jeweils unterschiedlichen Bedeutungsgehalt aus der Sicht der Werbeadressaten daher grundsätzlich ergänzend anzugeben, ob es sich hierbei um die gedruckte, die verbreitete oder die verkaufte Auflage handelt. Dieser Grundsatz ist jedoch im Fall der Bewerbung von kostenlosen Anzeigenblättern zu modifizieren (vgl. OLG Köln, Urteil vom 05.05.2006 - 6 U 211/05, Rn. 15). Denn bei einem kostenlos verteilten Anzeigenblatt kommt die verkaufte Auflage von vornherein nicht in Betracht. Wichtig für den Inserenten ist lediglich zu wissen, in die Hände wie vieler Personen und Haushaltungen eine Zeitschrift gerät (vgl. OLG Oldenburg, Urteil vom 13.07.1978 - 1 U 51/78, Rn. 36).
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass nicht allein die Mehrdeutigkeit einer Angabe den Vorwurf der Irreführung begründen kann. Stimmt jede Bedeutung mit der Wirklichkeit überein, ist die Verwendung eines mehrdeutigen Begriffs unbedenklich (Bornkamm/Feddersen, a.a.O. § 5 Rn. 1.109).
OLG Nürnberg, Urt. v. 25.6.2019, 3 U 821/18, D. II.
Die Werbung „Mit Ihrer Werbung im Gemeindeblatt erreichen Sie Tausende von Lesern im V...(Ort) Raum!“ ist nicht unlauter i.S.v. §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1 UWG.
Häufig werden die einzelnen Ausgaben einer Zeitung von mehr als einer Person gelesen. Für die Verlage liegt es daher nahe, anstatt mit der Höhe der Auflage mit den zum Teil wesentlich höheren Leserzahlen zu werben. Dies ist grundsätzlich zulässig. Jedoch darf die Zahl der Leser nicht geschätzt werden; sie muss vielmehr auf einer Untersuchung beruhen, die den wissenschaftlich anerkannten Methoden der Marktforschung entspricht (Löffler, in Löffler, Presserecht, 6. Aufl. 2015, Besonderer Teil, Recht der Anzeige, Rn. 328). Denn bei einer Werbung mit Leserzahlen, die ein Vielfaches der verbreiteten Auflage betragen, wird ein nicht unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Anzeigenkunden den Schluss ziehen, die Zahl beruhe auf konkreten Ermittlungen (LG Düsseldorf, Urteil vom 07.01.1970 - 17 O 384/69, WRP 1971, 82).
Der Begriff Leseranalyse ist ein technischer Begriff, der in der Werbung präzise verwendet werden muss. Wird mit einer Leseranalyse geworben, erwarten die angesprochenen Verkehrskreise eine Untersuchung nicht bloß der Empfänger einer Zeitung, sondern der Leser, also derjenigen, die die Zeitung tatsächlich lesen; beide Gruppen sind nicht identisch. Alleine durch die Verwendung der Wörter „Leser“ oder „Leserschaft“ wird allerdings nicht der Eindruck erweckt, dass eine echte Leseranalyse durchgeführt wurde (Bornkamm/Feddersen, in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl. 2019, § 5 Rn. 2.173). Denn allein durch die Verwendung der Worte "Leser" oder "Leserschaft" kommt nicht zum Ausdruck, dass eine Leseranalyse in Sinne der ZAW-Richtlinien vorliegt (OLG München, Urteil vom 13.01.1977 - 6 U 3820/76, Rn. 18).
Unter Berücksichtigung dieses rechtlichen Maßstabs suggeriert die angegriffene Werbebehauptung nicht, dass die Leserzahlen des „V...(Ort) Gemeindeblatts“ deutlich höher sind als die Auflagenhöhe. Denn die Auflage wird mit 3.200 Stück beworben, was „Tausenden von Lesern“ entspricht. Die angesprochenen Verkehrskreise erwarten daher nicht, dass eine echte Leseranalyse durchgeführt wurde. Etwas anderes ergibt sich - nach Maßgabe der obigen Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt - auch nicht durch die Verwendung des Wortes „Leser“.