Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1924/2006 und (EG) Nr. 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 87/250/EWG der Kommission, der Richtlinie 90/496/EWG des Rates, der Richtlinie 1999/10/EG der Kommission, der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinien 2002/67/EG und 2008/5/EG der Kommission und der Verordnung (EG) Nr. 608/2004 der Kommission
Art. 1 Gegenstand und Anwendungsbereich
2. ALLGEMEINE GRUNDSÄTZE DER INFORMATION ÜBER LEBENSMITTEL
Art. 4 Grundsätze für verpflichtende Informationen über Lebensmittel
Art. 5 Anhörung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit
Art. 6 Grundlegende Anforderung
Art. 7 Lauterkeit der Informationspraxis
Verantwortlicher Lebensmittelunternehmer oder Importeur
KAPITEL I
ALLGEMEINE VORSCHRIFTEN
Artikel 1
Gegenstand und Anwendungsbereich
(1) Diese Verordnung bildet die Grundlage für die Gewährleistung eines hohen Verbraucherschutzniveaus in Bezug auf Informationen über Lebensmittel unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Erwartungen der Verbraucher und ihrer unterschiedlichen Informationsbedürfnisse bei gleichzeitiger Gewährleistung des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts.
(2) Diese Verordnung legt allgemeine Grundsätze, Anforderungen und Zuständigkeiten für die Information über Lebensmittel und insbesondere für die Kennzeichnung von Lebensmitteln fest. Unter Berücksichtigung der Notwendigkeit einer hinreichenden Flexibilität, damit künftigen Entwicklungen und neuen Informationserfordernissen Rechnung getragen werden kann, legt sie die Mittel zur Wahrung des Rechts der Verbraucher auf Information und die Verfahren für die Bereitstellung von Informationen über Lebensmittel fest.
(3) Diese Verordnung gilt für Lebensmittelunternehmer auf allen Stufen der Lebensmittelkette, sofern deren Tätigkeiten die Bereitstellung von Information über Lebensmittel an die Verbraucher betreffen. Sie gilt für alle Lebensmittel, die für den Endverbraucher bestimmt sind, einschließlich Lebensmitteln, die von Anbietern von Gemeinschaftsverpflegung abgegeben werden, sowie für Lebensmittel, die für die Lieferung an Anbieter von Gemeinschaftsverpflegung bestimmt sind.
Diese Verordnung gilt für durch Verkehrsunternehmen erbrachte Verpflegungsdienstleistungen, wenn der Abfahrtsort innerhalb der Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten liegt, für die die Verträge gelten.
(4) Diese Verordnung gilt unbeschadet der in speziellen Rechtsvorschriften der Union für bestimmte Lebensmittel enthaltenen Kennzeichnungsvorschriften.
Artikel 2
Begriffsbestimmungen
(1) Für die Zwecke dieser Verordnung gelten folgende Begriffsbestimmungen:
a) die Begriffsbestimmungen für "Lebensmittel", "Lebensmittelrecht", "Lebensmittelunternehmen", "Lebensmittelunternehmer", "Einzelhandel", "Inverkehrbringen" und "Endverbraucher" in Artikel 2 und Artikel 3 Absätze 1, 2, 3, 7, 8 und 18 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002;
b) die Begriffsbestimmungen für "Verarbeitung", "unverarbeitete Erzeugnisse" und "Verarbeitungserzeugnisse" in Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben m, n und o der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Lebensmittelhygiene [27];
c) die Begriffsbestimmung für "Lebensmittelenzym" in Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 1332/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über Lebensmittelenzyme [28];
d) die Begriffsbestimmungen für "Lebensmittelzusatzstoff" und "Verarbeitungshilfsstoff" und "Trägerstoff" in Artikel 3 Absatz 2 Buchstaben a und b und Anhang I Ziffer 5 der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über Lebensmittelzusatzstoffe [29];
e) die Begriffsbestimmung für "Aroma" in Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 1334/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über Aromen und bestimmte Lebensmittelzutaten mit Aromaeigenschaften zur Verwendung in und auf Lebensmitteln [30];
f) die Begriffsbestimmungen für "Fleisch", "Separatorenfleisch", "Fleischzubereitungen", "Fischereierzeugnisse" und "Fleischerzeugnisse" in Anhang I Nummern 1.1, 1.14, 1.15, 3.1 und 7.1 der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 mit spezifischen Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs [31];
g) die Begriffsbestimmung für "Werbung" in Artikel 2 Buchstabe a der Richtlinie 2006/114/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über irreführende und vergleichende Werbung;
(2) Ferner bezeichnet der Ausdruck
a) "Information über Lebensmittel" jede Information, die ein Lebensmittel betrifft und dem Endverbraucher durch ein Etikett, sonstiges Begleitmaterial oder in anderer Form, einschließlich über moderne technologische Mittel oder mündlich, zur Verfügung gestellt wird;
BGH, Urt. v. 2.6.2022, I ZR 93/21, Rn. 49 - 7x mehr
Für die Darlegung, dass Informationen über Lebensmittel gegeben sind, ist kein Vortrag dazu erforderlich, welche konkreten Eigenschaften der angesprochene Verkehr dem Produkt aufgrund der beanstandeten Aussage beimisst.
b) "Lebensmittelinformationsrecht" die Unionsvorschriften auf dem Gebiet der Information über Lebensmittel, insbesondere Kennzeichnungsvorschriften, einschließlich Vorschriften allgemeiner Art, die unter bestimmten Umständen für alle Lebensmittel oder für bestimmte Klassen von Lebensmittel gelten, sowie Vorschriften, die nur für bestimmte Lebensmittel gelten;
c) "verpflichtende Informationen über Lebensmittel" diejenigen Angaben, die dem Endverbraucher aufgrund von Unionsvorschriften bereitgestellt werden müssen;
d) "Anbieter von Gemeinschaftsverpflegung" Einrichtungen jeder Art (darunter auch Fahrzeuge oder fest installierte oder mobile Stände) wie Restaurants, Kantinen, Schulen, Krankenhäuser oder Catering-Unternehmen, in denen im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit Lebensmittel für den unmittelbaren Verzehr durch den Endverbraucher zubereitet werden;
e) "vorverpacktes Lebensmittel" jede Verkaufseinheit, die als solche an den Endverbraucher und an Anbieter von Gemeinschaftsverpflegung abgegeben werden soll und die aus einem Lebensmittel und der Verpackung besteht, in die das Lebensmittel vor dem Feilbieten verpackt worden ist, gleichviel, ob die Verpackung es ganz oder teilweise umschließt, jedoch auf solche Weise, dass der Inhalt nicht verändert werden kann, ohne dass die Verpackung geöffnet werden muss oder eine Veränderung erfährt; Lebensmittel, die auf Wunsch des Verbrauchers am Verkaufsort verpackt oder im Hinblick auf ihren unmittelbaren Verkauf vorverpackt werden, werden von dem Begriff "vorverpacktes Lebensmittel" nicht erfasst;
BVerwG, Urt. v. 9.3.2023, 3 C 15.21, Tz. 15
Bei einem vorverpackten Lebensmittel i. S. d. Art. 2 Abs. 2 Buchst. e LMIV muss die Vorverpackung das Lebensmittel nicht unmittelbar umschließen. Ein solches Unmittelbarkeitserfordernis findet im Wortlaut der Norm keine Stütze. Es wäre auch nicht mit der Voraussetzung in Anhang IX Nr. 4 LMIV vereinbar, dass eine Vorverpackung mehrere einzelne Packungen enthalten kann, die als solche keine Verkaufseinheit darstellen, d. h. als solche nicht an den Endverbraucher abgegeben werden. In diesen Fällen kann die Vorverpackung - als die Verpackung, in der das Produkt zur Abgabe an den Verbraucher bestimmt ist - nicht unmittelbar mit dem Lebensmittel verbunden sein.
BVerwG, Urt. v. 9.3.2023, 3 C 15.21, Tz. 20
Die für den Verpackungsbegriff maßgeblichen Elemente können Art. 2 Abs. 2 Buchst. e LMIV entnommen werden. Während dort bei der Definition des vorverpackten Lebensmittels zum Teil ausschließlich für die Vorverpackung Geltung beanspruchende Merkmale - insbesondere die zeitliche Komponente und die Bestimmung als Verkaufseinheit - aufgeführt sind, stellen die Voraussetzungen der (teilweisen) Umhüllung des Lebensmittels und der Notwendigkeit, diese Umhüllung zu öffnen oder zu verändern, um an den Inhalt zu gelangen, Kennzeichen eines allgemeinen - von der Beschreibung der Vorverpackung notwendigerweise umfassten - Begriffs der Verpackung dar.
f) "Zutat" jeden Stoff und jedes Erzeugnis, einschließlich Aromen, Lebensmittelzusatzstoffen und Lebensmittelenzymen, sowie jeden Bestandteil einer zusammengesetzten Zutat, der bei der Herstellung oder Zubereitung eines Lebensmittels verwendet wird und der — gegebenenfalls in veränderter Form — im Enderzeugnis vorhanden bleibt; Rückstände gelten nicht als "Zutaten";
g) "Herkunftsort" den Ort, aus dem ein Lebensmittel laut Angabe kommt und der nicht sein "Ursprungsland" im Sinne der Artikel 23 bis 26 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 ist; der Name, die Firma oder die Anschrift des Lebensmittelunternehmens auf dem Etikett gilt nicht als Angabe des Ursprungslands oder Herkunftsorts von Lebensmitteln im Sinne dieser Verordnung;
h) "zusammengesetzte Zutat" eine Zutat, die selbst aus mehr als einer Zutat besteht;
i) "Etikett" alle Aufschriften, Marken- oder Kennzeichen, bildlichen oder anderen Beschreibungen, die auf die Verpackung oder das Behältnis des Lebensmittels geschrieben, gedruckt, geprägt, markiert, graviert oder gestempelt werden bzw. daran angebracht sind;
j) "Kennzeichnung" alle Wörter, Angaben, Hersteller- oder Handelsmarken, Abbildungen oder Zeichen, die sich auf ein Lebensmittel beziehen und auf Verpackungen, Schriftstücken, Tafeln, Etiketten, Ringen oder Verschlüssen jeglicher Art angebracht sind und dieses Lebensmittel begleiten oder sich auf dieses Lebensmittel beziehen;
k) "Sichtfeld" alle Oberflächen einer Verpackung, die von einem einzigen Blickpunkt aus gelesen werden können;
l) "Hauptsichtfeld" das Sichtfeld einer Verpackung, das vom Verbraucher beim Kauf höchstwahrscheinlich auf den ersten Blick wahrgenommen wird und ihm ermöglicht, die Beschaffenheit oder die Art und gegebenenfalls die Handelsmarke eines Produkts sofort zu erkennen. Hat eine Verpackung mehrere identische Hauptsichtfelder, gilt das vom Lebensmittelunternehmen ausgewählte Sichtfeld als Hauptsichtfeld;
m) "Lesbarkeit" das äußere Erscheinungsbild von Informationen, durch das die Informationen für die Allgemeinheit visuell zugänglich sind und das von verschiedenen Faktoren bestimmt wird, so u. a. der Schriftgröße, dem Buchstabenabstand, dem Zeilenabstand, der Strichstärke der Schrift, der Schriftfarbe, der Schriftart, dem Verhältnis zwischen Buchstabenbreite und -höhe, der Materialoberfläche und dem Kontrast zwischen Schrift und Hintergrund;
n) "rechtlich vorgeschriebene Bezeichnung" die Bezeichnung eines Lebensmittels, die durch die für dieses Lebensmittel geltenden Rechtsvorschriften der Union vorgeschrieben ist, oder, wenn es keine derartigen Unionsvorschriften gibt, die Bezeichnung, welche in den Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Mitgliedstaats vorgesehen ist, in dem das Lebensmittel an die Endverbraucher oder Anbieter von Gemeinschaftsverpflegung verkauft wird;
o) "verkehrsübliche Bezeichnung" eine Bezeichnung, die von den Verbrauchern in dem Mitgliedstaat, in dem das Lebensmittel verkauft wird, als Bezeichnung dieses Lebensmittels akzeptiert wird, ohne dass eine weitere Erläuterung notwendig wäre;
p) "beschreibende Bezeichnung" eine Bezeichnung, die das Lebensmittel und erforderlichenfalls seine Verwendung beschreibt und die hinreichend genau ist, um es den Verbrauchern zu ermöglichen, die tatsächliche Art des Lebensmittels zu erkennen und es von Erzeugnissen zu unterscheiden, mit denen es verwechselt werden könnte;
q) "primäre Zutat" diejenige Zutat oder diejenigen Zutaten eines Lebensmittels, die über 50 % dieses Lebensmittels ausmachen oder die die Verbraucher üblicherweise mit der Bezeichnung des Lebensmittels assoziieren und für die in den meisten Fällen eine mengenmäßige Angabe vorgeschrieben ist;
r) "Mindesthaltbarkeitsdatum eines Lebensmittels" das Datum, bis zu dem dieses Lebensmittel bei richtiger Aufbewahrung seine spezifischen Eigenschaften behält;
s) "Nährstoff" Eiweiße, Kohlenhydrate, Fett, Ballaststoffe, Natrium, Vitamine und Mineralien, die in Anhang XIII Teil A Nummer 1 dieser Verordnung aufgeführt sind, sowie Stoffe, die zu einer dieser Klassen gehören oder Bestandteil einer dieser Klassen sind.
t) "technisch hergestelltes Nanomaterial" jedes absichtlich hergestellte Material, das in einer oder mehreren Dimensionen eine Abmessung in der Größenordnung von 100 nm oder weniger aufweist oder deren innere Struktur oder Oberfläche aus funktionellen Kompartimenten besteht, von denen viele in einer oder mehreren Dimensionen eine Abmessung in der Größenordnung von 100 nm oder weniger haben, einschließlich Strukturen, Agglomerate und Aggregate, die zwar größer als 100 nm sein können, deren durch die Nanoskaligkeit bedingte Eigenschaften jedoch erhalten bleiben.
Zu den durch die Nanoskaligkeit bedingten Eigenschaften gehören
i) diejenigen Eigenschaften, die im Zusammenhang mit der großen spezifischen Oberfläche des betreffenden Materials stehen, und/oder
ii) besondere physikalisch-chemische Eigenschaften, die sich von den Eigenschaften desselben Materials in nicht nanoskaliger Form unterscheiden.
u) "Fernkommunikationstechnik" jedes Kommunikationsmittel, das zum Abschluss eines Vertrags zwischen einem Verbraucher und einem Lieferer ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit der Vertragsparteien eingesetzt werden kann.
(3) Für die Zwecke dieser Verordnung bezieht sich der Begriff "Ursprungsland eines Lebensmittels" auf den Ursprung eines Lebensmittels im Sinne der Artikel 23 bis 26 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92.
(4) Die speziellen Begriffsbestimmungen in Anhang I gelten ebenfalls.
BVerwG, Beschl. v. 19.12.2018, 3 B 39.18, Tz. 27, 29
Die Definition des "vorverpackten Lebensmittels" in Art. 2 Abs. 2 Buchst. e der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 weist nach ihrem Wortlaut zwar geringfügige Unterschiede zu ihrer Vorgängervorschrift auf. Dass damit inhaltliche Änderungen verbunden sein könnten, ist indes nicht ersichtlich. Auch die Entstehungsmaterialien geben hierauf keinen Hinweis. Worin der Unterschied zwischen einer Verkaufseinheit, die "ohne weitere Verarbeitung" abgegeben werden soll, und derjenigen, die "als solche" abgegeben wird, liegen sollte, ist nicht erkennbar. Auch das vom Gerichtshof der Europäischen Union im Urteil vom 22. September 2016 - C-113/15, Breitsamer und Ulrich - betonte Verkaufselement durch "Feilbieten" ist unverändert geblieben. …
… Auch wenn sie in einem verschlossenen Sammelkarton vertrieben werden, stellt jede Portionspackung, die in Form eines mit einem versiegelten Aluminiumdeckel verschlossenen Portionsbechers 20 g Honig enthält und dazu bestimmt ist, "verzehrfertig" ohne weitere Zubereitung abgegeben zu werden, ein vorverpacktes Lebensmittel im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. e der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 dar, das mit der Angabe des Ursprungslands versehen werden muss.
EuGH, Urt. v. 4.9.2019, C-686/17, Tz. 58 – Deutsche Champignons
Art. 23 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. b des Zollkodex der Gemeinschaften und Art. 60 Abs. 1 des Zollkodex der Union in Verbindung mit Art. 31 Buchst. b der Delegierten Verordnung 2015/2446 sind dahin auszulegen, dass das Ursprungsland von Kulturchampignons ihr Ernteland im Sinne dieser Vorschriften ist, und zwar unabhängig davon, ob wesentliche Produktionsschritte in anderen Mitgliedstaaten der Union erfolgt sind und ob die Kulturchampignons erst drei oder weniger Tage vor der ersten Ernte ins Erntegebiet verbracht worden sind.
KAPITEL II
ALLGEMEINE GRUNDSÄTZE DER INFORMATION ÜBER LEBENSMITTEL
Artikel 3
Allgemeine Ziele
(1) Die Bereitstellung von Informationen über Lebensmittel dient einem umfassenden Schutz der Gesundheit und Interessen der Verbraucher, indem Endverbrauchern eine Grundlage für eine fundierte Wahl und die sichere Verwendung von Lebensmitteln unter besonderer Berücksichtigung von gesundheitlichen, wirtschaftlichen, umweltbezogenen, sozialen und ethischen Gesichtspunkten geboten wird.
(2) Ziel des Lebensmittelinformationsrechts ist es, in der Union den freien Verkehr von rechtmäßig erzeugten und in Verkehr gebrachten Lebensmitteln zu gewährleisten, wobei gegebenenfalls die Notwendigkeit des Schutzes der berechtigten Interessen der Erzeuger und der Förderung der Erzeugung qualitativ guter Erzeugnisse zu berücksichtigen ist.
(3) Werden im Lebensmittelinformationsrecht neue Anforderungen eingeführt, so wird für die Zeit nach dem Inkrafttreten der neuen Anforderungen — außer in hinreichend begründeten Fällen — eine Übergangsfrist gewährt. Während dieser Übergangsfrist dürfen Lebensmittel, deren Etikett nicht den neuen Anforderungen entspricht, in Verkehr gebracht werden, und dürfen die Bestände solcher Lebensmittel, die vor dem Ablauf der Übergangsfrist in Verkehr gebracht wurden, bis zur Erschöpfung der Bestände verkauft werden.
(4) Bei der Erarbeitung, Bewertung und Überprüfung des Lebensmittelinformationsrechts ist unmittelbar oder über Vertretungsgremien in offener und transparenter Weise eine Konsultation der Öffentlichkeit, einschließlich der betroffenen Akteure, durchzuführen, es sei denn, dies ist aus Dringlichkeitsgründen nicht möglich.
EuGH, Urt. v. 24.3.2022, C-533/20, Tz. 45 - Upfield Hungary
Die Verordnung Nr. 1169/2011, wie sich aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 ergibt, zielt u.a. darauf ab, ein hohes Verbraucherschutzniveau in Bezug auf Informationen über Lebensmittel unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Erwartungen der Verbraucher zu gewährleisten, indem ihnen eine Grundlage für eine fundierte Wahl geboten wird.
Artikel 4
Grundsätze für verpflichtende Informationen über Lebensmittel
(1) Schreibt das Lebensmittelinformationsrecht verpflichtende Informationen über Lebensmittel vor, so gilt dies insbesondere für Informationen, die unter eine der folgenden Kategorien fallen:
a) Informationen zu Identität und Zusammensetzung, Eigenschaften oder sonstigen Merkmalen des Lebensmittels;
b) Informationen zum Schutz der Gesundheit der Verbraucher und zur sicheren Verwendung eines Lebensmittels. Hierunter fallen insbesondere Informationen zu
i) einer Zusammensetzung, die für die Gesundheit bestimmter Gruppen von Verbrauchern schädlich sein könnte;
ii) Haltbarkeit, Lagerung und sicherer Verwendung;
iii) den Auswirkungen auf die Gesundheit, insbesondere zu den Risiken und Folgen eines schädlichen und gefährlichen Konsums von Lebensmitteln;
c) Informationen zu ernährungsphysiologischen Eigenschaften, damit die Verbraucher — auch diejenigen mit besonderen Ernährungsbedürfnissen — eine fundierte Wahl treffen können.
(2) Bei der Prüfung, ob verpflichtende Informationen über Lebensmittel erforderlich sind, und um Verbraucher zu einer fundierten Wahl zu befähigen, ist zu berücksichtigen, ob ein weit verbreiteter, eine Mehrheit der Verbraucher betreffender Bedarf an bestimmten Informationen besteht, denen sie erhebliche Bedeutung beimessen, oder ob Verbrauchern durch verpflichtende Informationen nach allgemeiner Auffassung ein Nutzen entsteht.
Artikel 5
Anhörung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit
Alle Maßnahmen der Union auf dem Gebiet des Lebensmittelinformationsrechts, die sich auf die öffentliche Gesundheit auswirken können, werden nach Anhörung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit ("European Food Safety Agency — EFSA") erlassen.
KAPITEL III
ALLGEMEINE ANFORDERUNGEN AN DIE INFORMATION ÜBER LEBENSMITTEL UNDPFLICHTEN DER LEBENSMITTELUNTERNEHMER
Artikel 6
Grundlegende Anforderung
Jedem Lebensmittel, das für die Lieferung an Endverbraucher oder Anbieter von Gemeinschaftsverpflegung bestimmt ist, sind Informationen nach Maßgabe dieser Verordnung beizufügen.
Artikel 7
Lauterkeit der Informationspraxis
(1) Informationen über Lebensmittel dürfen nicht irreführend sein, insbesondere
a) in Bezug auf die Eigenschaften des Lebensmittels, insbesondere in Bezug auf Art, Identität, Eigenschaften, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprungsland oder Herkunftsort und Methode der Herstellung oder Erzeugung;
b) indem dem Lebensmittel Wirkungen oder Eigenschaften zugeschrieben werden, die es nicht besitzt;
c) indem zu verstehen gegeben wird, dass sich das Lebensmittel durch besondere Merkmale auszeichnet, obwohl alle vergleichbaren Lebensmittel dieselben Merkmale aufweisen, insbesondere durch besondere Hervorhebung des Vorhandenseins oder Nicht-Vorhandenseins bestimmter Zutaten und/oder Nährstoffe;
d) indem durch das Aussehen, die Bezeichnung oder bildliche Darstellungen das Vorhandensein eines bestimmten Lebensmittels oder einer Zutat suggeriert wird, obwohl tatsächlich in dem Lebensmittel ein von Natur aus vorhandener Bestandteil oder eine normalerweise in diesem Lebensmittel verwendete Zutat durch einen anderen Bestandteil oder eine andere Zutat ersetzt wurde;
(2) Informationen über Lebensmittel müssen zutreffend, klar und für die Verbraucher leicht verständlich sein.
(3) Vorbehaltlich der in den Unionsvorschriften über natürliche Mineralwässer und über Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind, vorgesehenen Ausnahmen dürfen Informationen über ein Lebensmittel diesem keine Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuschreiben oder den Eindruck dieser Eigenschaften entstehen lassen.
(4) Die Absätze 1, 2 und 3 gelten auch für
a) die Werbung;
b) die Aufmachung von Lebensmitteln, insbesondere für ihre Form, ihr Aussehen oder ihre Verpackung, die verwendeten Verpackungsmaterialien, die Art ihrer Anordnung und den Rahmen ihrer Darbietung.
Siehe zu Art. 7 LMIV die Kommentierung zu § 11 Abs. 1 LFGB.
Krankheitsbezogene Werbung (Art. 7 Abs. 3 LMIV)
Siehe dazu § 12 LFGB.
Artikel 8
Verantwortlichkeiten
(1) Verantwortlich für die Information über ein Lebensmittel ist der Lebensmittelunternehmer, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel vermarktet wird, oder, wenn dieser Unternehmer nicht in der Union niedergelassen ist, der Importeur, der das Lebensmittel in die Union einführt.
(2) Der für die Information über das Lebensmittel verantwortliche Lebensmittelunternehmer gewährleistet gemäß dem anwendbaren Lebensmittelinformationsrecht und den Anforderungen der einschlägigen einzelstaatlichen Rechtsvorschriften das Vorhandensein und die Richtigkeit der Informationen über das Lebensmittel.
(3) Lebensmittelunternehmer, deren Tätigkeiten die Informationen über Lebensmittel nicht beeinflussen, dürfen keine Lebensmittel abgeben, von denen sie aufgrund der ihnen im Rahmen ihrer Berufstätigkeit vorliegenden Informationen wissen oder annehmen müssen, dass sie dem anwendbaren Lebensmittelinformationsrecht und den Anforderungen der einschlägigen einzelstaatlichen Rechtsvorschriften nicht entsprechen.
(4) Lebensmittelunternehmer dürfen in den ihrer Kontrolle unterstehenden Unternehmen keine Änderung der Informationen zu einem Lebensmittel vornehmen, wenn diese Änderung den Endverbraucher irreführen oder in anderer Weise den Verbraucherschutz und die Möglichkeit des Endverbrauchers, eine fundierte Wahl zu treffen, verringern würde. Die Lebensmittelunternehmer sind für jede Änderung, die sie an den Informationen zu einem Lebensmittel vornehmen, verantwortlich.
(5) Unbeschadet der Absätze 2 bis 4 stellen die Lebensmittelunternehmer in den ihrer Kontrolle unterstehenden Unternehmen die Einhaltung der für ihre Tätigkeiten relevanten Anforderungen des Lebensmittelinformationsrechts und der einschlägigen einzelstaatlichen Rechtsvorschriften sicher und prüfen die Einhaltung dieser Vorschriften nach.
(6) Die Lebensmittelunternehmer stellen in den ihrer Kontrolle unterstehenden Unternehmen sicher, dass Informationen über nicht vorverpackte Lebensmittel, die für die Abgabe an Endverbraucher oder Anbieter von Gemeinschaftsverpflegung bestimmt sind, an den Lebensmittelunternehmer übermittelt werden, der die Lebensmittel erhält, damit erforderlichenfalls verpflichtende Informationen über das Lebensmittel an den Endverbraucher weitergegeben werden können.
(7) In folgenden Fällen stellen die Lebensmittelunternehmer in den ihrer Kontrolle unterstehenden Unternehmen sicher, dass die nach den Artikeln 9 und 10 verlangten verpflichtenden Angaben auf der Vorverpackung oder auf einem mit ihr verbundenen Etikett oder aber auf den Handelspapieren, die sich auf das Lebensmittel beziehen, erscheinen, sofern gewährleistet werden kann, dass diese Papiere entweder dem Lebensmittel, auf das sie sich beziehen, beiliegen oder aber vor oder gleichzeitig mit der Lieferung versendet wurden:
a) wenn vorverpackte Lebensmittel für den Endverbraucher bestimmt sind, aber auf einer dem Verkauf an den Endverbraucher vorangehenden Stufe vermarktet werden, sofern auf dieser Stufe nicht der Verkauf an einen Anbieter von Gemeinschaftsverpflegung erfolgt;
b) wenn vorverpackte Lebensmittel für die Abgabe an Anbieter von Gemeinschaftsverpflegung bestimmt sind, um dort zubereitet, verarbeitet, aufgeteilt oder geschnitten zu werden.
Ungeachtet des Unterabsatzes 1 stellen Lebensmittelunternehmer sicher, dass die in Artikel 9 Absatz 1 Buchstaben a, f, g und h genannten Angaben auch auf der Außenverpackung erscheinen, in der die vorverpackten Lebensmittel vermarktet werden.
(8) Lebensmittelunternehmer, die anderen Lebensmittelunternehmern Lebensmittel liefern, die nicht für die Abgabe an Endverbraucher oder Anbieter von Gemeinschaftsverpflegung bestimmt sind, stellen sicher, dass diese anderen Lebensmittelunternehmer ausreichende Informationen erhalten, um ihre Verpflichtungen nach Absatz 2 erfüllen zu können.
Verantwortlicher Lebensmittelunternehmer oder Importeur
Siehe auch hier.
OLG Brandenburg, Urt. v. 17.10.2023, 6 U 88/22, II.2.b.ee.3
Die Beklagte ist als Lebensmittelunternehmer im Sinne des Art. 8 Abs. 5 LMIV für die Erfüllung dieser Informationspflicht verantwortlich. Art. 8 Abs. 5 LMIV bestimmt, dass Lebensmittelunternehmer in den ihrer Kontrolle unterstehenden Unternehmen die Einhaltung der für ihre Tätigkeiten relevanten Anforderungen des Lebensmittelinformationsrechts sicherstellen. Für die Begriffsbestimmung des Lebensmittelunternehmers nimmt die LMIV in Art. 2 Abs. 1 lit. a) auf die VO (EG) Nr. 178/2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts [BasisVO] Bezug, deren Art. 3 Nr. 3 bestimmt, dass Lebensmittelunternehmer diejenigen natürlichen oder juristischen Personen sind, die dafür verantwortlich sind, dass die Anforderungen des Lebensmittelrechts in dem ihrer Kontrolle unterstehenden Lebensmittelunternehmen erfüllt werden. Art. 3 Nr. 2 BasisVO bezeichnet dabei als Lebensmittelunternehmen alle Unternehmen, gleichgültig ob auf Gewinnerzielung ausgerichtet oder nicht und gleichgültig ob öffentlich oder privat, die eine mit der Produktion, der Verarbeitung und dem Vertrieb von Lebensmitteln zusammenhängende Tätigkeit ausführen. Diese Anforderungen erfüllt die Beklagte als im Internet Lebensmittel zum Verkauf anbietende Unternehmerin.
OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.8.2015, 2 U 11/15, Tz. 138 f
Art. 8 Abs. 1 LMIV weist die Verantwortung für die Information über ein Lebensmittel demjenigen Lebensmittelunternehmer zu, unter dessen Namen oder Firma das Produkt vermarktet wird. Dabei ist nicht entscheidend, welcher Lebensmittelunternehmer das Produkt dem Endverbraucher anbietet oder zwischen welchen Parteien ein Kaufvertrag über den Erwerb des Lebensmittels zustande kommt, sondern unter wessen Namen es auf dem Endverbrauchermarkt erscheint. Damit sollen Handelsunternehmen entlastet und nicht für solche Umstände zur Verantwortung gezogen werden, die nicht in ihrem Geschäfts- bzw. Einflussbereich liegen; ihre Verantwortung soll sich auf den von ihnen kontrollierten Einflussbereich beschränken. Die in Deutschland bisher praktizierte „Kettenverantwortung“ ist im Rahmen der LMIV nicht anwendbar (vgl. Voit/Grube, LMIV, Art. 8 Rdnrn. 12 bis 16).
Das schließt allerdings nicht aus, auch im Rahmen des Art. 8 Abs. 1 LMIV Unternehmer für die Richtigkeit einer Produktinformation einstehen zu lassen, wenn diese die Produktinformation gemeinsam mit dem Vermarkter erstellt haben und auch gemeinsam mit ihm nach außen vertreten. In diesem Fall wirken sie bewusst und gewollt zusammen und haben als Mittäter auch gemeinsam für die Richtigkeit der Produktinformation einzustehen.
Siehe auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.12.2015, I-20 U 24/15, Tz. 25; OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.1.2016, I-20 U 22/15, Tz. 24
OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.12.2015, I-20 U 24/15, Tz. 26
Derjenige, der nicht selbst Adressat der dem Unlauterkeitsvorwurf nach § 4 Nr. 11 (alt) UWG zu Grunde liegenden Norm ist, kann … allenfalls als Teilnehmer (Anstifter oder Gehilfe) haften (BGH, GRUR 2015, 1025 Rnrn. 15, 16 - TV-Wartezimmer). Die Gehilfenhaftung setzt neben einer objektiven Beihilfehandlung zumindest einen bedingten Vorsatz in Bezug auf die Haupttat voraus, der das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit einschließen muss (BGH, GRUR 2011, 152 Rn. 30 - Kinderhochstühle im Internet).
Ebenso OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.1.2016, Tz. 25, I-20 U 25/15; OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.1.2016, I-20 U 22/15, Tz. 25
OLG Hamburg, Urt. v. 3.8.2017, 3 U 130/16 (MD 2017, 930)
Art. 8 Abs. 3 LMIV gilt nur für Lebensmittelunternehmer, deren Tätigkeit die Informationen über Lebensmittel nicht beeinflussen. … Auch normiert die Vorschrift allein ein Abgabeverbot und modifiziert nicht den Grad der Verantwortlichkeit.
Zu einem Lieferservice für Speisen und Getränken:
KG Berlin, Urt. v. 21.6.2017, 5 U 185/16, Tz. 78 – Lieferservice-Portal
Die Beklagte … ist “Normadressatin” der Vorschriften der LMIV. Dies folgt … aus Art. 8 Abs. 1 LMIV, da unter der Firma (auch) der Beklagten das Lebensmittel vermarktet wird. Die Beklagte ist in die Vermarktung und den Vertrieb der Lebensmittel in ganz erheblichem Ausmaß eingebunden. Ihre Tätigkeit betrifft die Bereitstellung von Informationen über Lebensmittel an die Verbraucher (Art. 1 Abs. 3 LMIV). Sie betreibt mithin in den Begrifflichkeiten der LMIV ein Lebensmittelunternehmen, das eine mit dem Vertrieb von Lebensmitteln zusammenhängende Tätigkeit ausführt, und sie ist demzufolge - als verantwortliche Betreiberin dieses Lebensmittelunternehmens - eine Lebensmittelunternehmerin, Art. 2 Abs. 1a LMIV i.V. mit Art. 3 VO (EG) Nr. 178/2002 (vgl. Grube a.a.O., Art. 2 Rn. 3).