Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 

 

 

Abrenzungen zu anderen Produktarten

Zur Abgrenzung von Lebensmitteln zu Arzneimitteln siehe hier.

Lebensmittel / Biozid

OLG Frankfurt, Urt. v. 9.9.2021, 6 U 61/21, II.1.a

Biozid ist nach Art. 3 (1) a) BiozidVO „jeglicher Stoff oder jegliches Gemisch in der Form, in der er/es zum Verwender gelangt, und der/das aus einem oder mehreren Wirkstoffen besteht, diese enthält oder erzeugt, der/das dazu bestimmt ist, auf andere Art als durch bloße physikalische oder mechanische Einwirkung Schadorganismen zu zerstören, abzuschrecken, unschädlich zu machen, ihre Wirkung zu verhindern oder sie in anderer Weise zu bekämpfen“. Der Begriff des Biozids ist weit auszulegen und kann sogar reine Naturprodukte umfassen (OLG Hamburg NJOZ 2007, 3421). Entscheidend ist nicht Zusammensetzung oder Herstellung, sondern nur, ob die fragliche Substanz chemisch oder biologisch auf den Schadorganismus wirkt und vom Hersteller hierzu bestimmt ist (OLG Hamburg a.a.O.). Zudem kommt es nicht auf die konkrete Wirkung im Einzelfall, sondern nur darauf an, wozu diese Wirkstoffe „bestimmt sind”. Diese weite Begriffsbestimmung erfasst - insbesondere durch das Auffang-Tatbestandsmerkmal „in anderer Weise zu bekämpfen” - letztlich jede Art von chemischer bzw. biologischer Wirkung, die zu einem jedenfalls hemmenden Effekt auf den Schadorganismus führt.

Nach Auffassung des Senats ist indes eine objektive, für den Verkehr erkennbare Zweckbestimmung zu verlangen (vgl. auch Bendias ZLR 2021, 129, 130). Die bloße Bewerbung von biozidären Eigenschaften in Werbespots führen demnach nicht zwangsläufig zu einer Einstufung als Biozid-Produkt, wenn das Produkt selbst nicht mit Angaben versehen ist.

OLG Frankfurt, Urt. v. 9.9.2021, 6 U 61/21, II.1.c

Eine Einschränkung der Anwendbarkeit der BiozidVO im Hinblick auf die Tatsache, dass das Produkt der Antragsgegnerin auch die Voraussetzungen des Lebensmittelbegriffs erfüllt, kommt nicht in Betracht.

Das Produkt der Antragsgegnerin erfüllt zwar grundsätzlich auch die Definition des Lebensmittels in Art. 2 der BasisVO: „Im Sinne dieser Verordnung sind „Lebensmittel“ alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden.“ Unabhängig von der Bestimmung wird jedenfalls nach vernünftigem Ermessen erwartet werden, dass das Erzeugnis der Antragsgegnerin von Menschen aufgenommen wird.

Ein Biozid, das auch unter den Begriff des Lebensmittels fällt, muss jedoch auch den Anforderungen der BiozidVO unbeschränkt genügen.

Hierfür spricht zunächst der Schutzzweck der BiozidVO, nämlich die Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt. Die Bestimmungen der Verordnung beruhen nach Art. 1 (1) auf dem Vorsorgeprinzip, mit dem der Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier sowie der Umwelt sichergestellt werden solle. Eine vorrangige Einstufung als bloßes Lebensmittel - und nicht (auch) als Biozid - würde aber gerade nicht zu einer Erhöhung, sondern zu einer Absenkung des Schutzniveaus führen, da die Produkte dann von strengeren Deklarationspflichten der BiozidVO befreit wären, die dem Gesundheitsschutz dienen. Daher muss ein Produkt, welches als Zweckbestimmung zugleich die Funktion als Biozid hat, selbst wenn dies nicht die überwiegende Zweckbestimmung sein sollte, auch immer den Anforderungen der BiozidVO entsprechen. Hieraus folgt, dass bei „Dual-Use“-Produkten immer auch die strengen Deklarationspflichten der BiozidVO einzuhalten sind, selbst wenn die Biozid-Funktion untergeordnet ist. Im Ergebnis unterfällt ein „Dual-Use“-Produkt dieser Art dann sowohl den Regelungen für Lebensmittel als auch denen für Biozide (vgl. auch Bendias ZLR 2021, 129, 134).