Das HWG findet nur Anwendung auf die Werbung für Arzneimittel, Medizinprodukte und andere Mittel, Verfahren, Behandlungen und Gegenstände, soweit sich die Werbeaussage auf die Erkennung, Beseitigung oder Linderung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden bei Mensch oder Tier oder bestimmt sowie operative plastisch-chirurgische Eingriffe bezieht. Das macht es erforderlich, den Begriff der Krankheit näher zu bestimmen.
BGH, Urt. v. 26.9.2002, I ZR 101/00, II.1 – Anlagebedingter Haarausfall
Eine Krankheit liegt vor, wenn eine auch nur unerhebliche oder vorübergehende Störung der normalen Beschaffenheit oder der normalen Tätigkeit des Körpers besteht, die geheilt werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 2.10.1997 - I ZR 94/95, GRUR 1998, 961, 962 = WRP 1998, 312 - Lebertran I)
KG, Urt. v. 11.2.2020, 5 U 58/16 (MD 2020, 498)
Eine Krankheit ist jede Störung der normalen Beschaffenheit oder der normalen Tätigkeit des Körpers, die geheilt, d. h. beseitigt oder gelindert werden kann. Dass die betreffenden Erscheinungen erheblich, schwer oder dauerhaft sind, ist für die Bejahung einer Krankheit nicht erforderlich. Gleichwohl kann schon nach dem Wort Verständnis einer „Krankheit“ – in Abgrenzung zum Begriff der Gesundheit – nicht jede Art von Störungen oder Beschwerden als normal eingestuft werden. Gewisse Beeinträchtigungen der Zustände und Funktionen treten naturgemäß auch bei einem gesunden Körper auf und sind als normal anzusehen. Aus dem Krankheitsbegriff auszuklammern sind insbesondere solche Erscheinungen oder Schwankungen der Funktionen, denen jeder Körper ausgesetzt ist und die seiner Natur oder den natürlichen auf und ab seiner Leistungsfähigkeit entsprechen, wie etwa die Menstruation, die Schwangerschaft, das Greisenalter, Ermüdungserscheinungen oder Hunger, solange diese nicht über das allgemeine und übliche Maß hinausgehen. Kennzeichnend für nicht krankhafte Beschwerden ist, dass es sich um körperliche oder psychische Zustände oder Vorgänge handelt, die ihrer Natur und ihrem Ursprung nach noch nicht von der gesundheitlichen Norm abweichen, sondern als natürlich oder altersadäquat anzusehen sind, wie etwa leichte oder vorübergehende Müdigkeit, Abgespanntheit, Konzentrationsschwäche sowie Lampenfieber oder leichte Flugangst.
OLG Karlsruhe, Urt. v. 11.10.2017, 6 U 59/16 (MD 2018, 133)
Der Begriff „Krankheit“ ist unionsrechtlich nicht definiert. Daher kann und muss auf die durch die nationale Rechtsprechung entwickelte Definition zurückgegriffen werden. Demnach ist Krankheit jede Störung der normalen Beschaffenheit oder der normalen Tätigkeit des Körpers, auch wenn sie nur vorübergehend ist. Unter dem Begriff der Krankheit können auch unheilbare Abweichungen von der körperlichen Beschaffenheit und Mangelerscheinungen subsumiert werden, nicht aber normal verlaufende Erscheinungen wie Greisenalter oder Ermüdungserscheinungen. Problematisch und umstritten ist die Beurteilung von Krankheitssymptomen (z. B. Müdigkeit, Kopfschmerzen, Fieber) als krankheitsbezogene Angaben. Krankheitssymptome fallen jedenfalls dann in den Anwendungsbereich der Vorschrift, wenn ein mittelbarer Bezug zu einer bestimmten Krankheit hergestellt wird. Auf jeden Fall wird ein Bezug zu einer bestimmten Krankheit gefordert und nicht nur allgemeine Hinweise, z. B. auf die Förderung des Zellstoffwechsels oder das Immunsystem.
Ebenso KG, Urteil vom 25.4.2018, 5 U 82/17 (MD 2018, 530)
Übergewicht
Übergewicht kann zwar eine Ursache in einer Krankheit haben, ist an sich aber keine Krankheit (OLG München, Urt. v. 19.4.2012, 6 U 2576/11 (= MD 2012, 759)). Richtet sich eine Werbung für ein Mittel oder eine Behandlung zur Gewichtsreduktion auch (vorrangig = OLG Köln, Urt. v. 1.4.2016, 6 U 108/15, Tz. 27) an krankhaft Fettleibige, findet das HWG allerdings Anwendung.
OLG Oldenburg, Urt. v. 21.12.12, 6 U 103/12 – Reduktion von Fettpolstern (= MD 2013, 235)
Aus Sicht der angesprochenen Verbraucher wendet sich die Werbung auch an krankhaft fettleibige Menschen, die sich von dem Verfahren eine potenzielle Linderung ihres Leidens versprechen werden. Die Werbung beschreibt damit auch eine potenzielle Heilwirkung und ist gesundheitsbezogen, so dass das HWG anwendbar ist.
OLG Hamm, Urt. v. 18.11.2010, 4 U 148/10
Für die Anwendung des HWG kommt es darauf an, ob man entscheidend darauf abgestellt, dass von dem beworbenen Fettabbau in bestimmten Problemzonen jedenfalls aus Sicht der angesprochenen Verbraucher eine Gewichtsreduzierung nicht zu trennen ist und damit auch krankhaft fettleibige Menschen angesprochen werden. In diesem Falle geht es auch um eine Heilwirkung. Anders könnte es aussehen, wenn man in den Vordergrund stellt, dass es (erkennbar) nicht um die Gewichtsreduzierung gehen soll, sondern die kosmetische Korrektur der Körperkontur im Sinne eines besseren Erscheinungsbildes beworben werden soll. Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls.
Schwangerschaft
OLG Hamm, Urt. v. 13.12.2012, I-4 U 141/12, Tz. 52
Zu den Krankheiten und krankhaften Beschwerden zählt die normal verlaufende Schwangerschaft nicht. Sie ist keine Krankheit, sondern lediglich ein schonungsbedürftiger natürlicher Zustand.
Außerhalb des Anwendungsbereichs des HWG kommt ein Rückgriff auf andere gesetzliche Bestimmungen in Betracht, bei irreführenden Angaben bspw. auf § 5 UWG.
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Omsels, Online-Kommentar zum UWG: