Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 

§ 6 Nr. 2 HWG

Unzulässig ist eine Werbung, wenn

2. auf wissenschaftliche, fachliche oder sonstige Veröffentlichungen Bezug genommen wird, ohne daß aus der Werbung hervorgeht, ob die Veröffentlichung das Arzneimittel, das Verfahren, die Behandlung, den Gegenstand oder ein anderes Mittel selbst betrifft, für die geworben wird, und ohne daß der Name des Verfassers, der Zeitpunkt der Veröffentlichung und die Fundstelle genannt werden

Verhältnis zu § 11 Nr. 2 HWG

OLG Hamburg, Urt. v. 30.12.1999, 3 U 132/99, II.1 (= MD 2000. 622)

§ 6 Abs. 2 HWG setzt bei verständiger Würdigung als selbstverständlich voraus, dass eine Bezugnahme auf "wissenschaftliche, fachliche oder sonstige Veröffentlichungen" überhaupt zulässig ist und regelt (nur) für diesen Fall die Bedingungen (Quellenangabe usw.). Ist eine solche Form der Werbung außerhalb der Fachkreise gem. § 11 Nr. 1 HWG aber kategorisch untersagt, besteht der in § 6 Nr. 2 HWG vorausgesetzte zusätzliche Regelungsbedarf nicht. Deshalb hat § 6 Abs. 2 HWG in dem von § 11 HWG umschriebenen Anwendungsbereich nur insoweit Bedeutung, als es um die Regelung von § 11 HWG nicht (ausdrücklich) erfasster Sachverhaltsgestaltungen geht.

Anwendungsbereich

OLG Frankfurt, Urt. v. 10.8.2017, 6 U 63/17, II.2.c

Dafür, dass § 6 Nr. 2 HWG nur für Arzneimittel, nicht aber für Medizinprodukte gilt, besteht entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin kein Anhaltspunkt. Dem Wortlaut der Norm lässt sich diese Einschränkung nicht entnehmen. Er nimmt - im Gegenteil - auf "Gegenstände" und "andere Mittel" Bezug, auf die sich eine Werbung mit einer Veröffentlichung bezieht.

Sinn und Zweck

OLG Frankfurt, Urt. v. 10.8.2017, 6 U 63/17, II.2.c

Die Vorschrift des § 6 Nr. 2 HWG dient dazu, das von der Werbung angesprochene Fachpublikum in die Lage zu versetzen, die mitgeteilten Ergebnisse der Veröffentlichung kritisch und selbständig zu überprüfen.

Veröffentlichung

OLG Köln, Beschl. v. 11.3.2014, 6 W 217/13, II.1

§ 6 Nr. 2 HWG gilt lediglich für die Werbung mit veröffentlichten wissenschaftlichen Arbeiten. Unveröffentlichte Arbeiten fallen nicht unter § 6 Nr. 2 HWG; allerdings kann die Werbung mit unveröffentlichten Studien ohne den ausdrücklichen Hinweis auf die fehlende Veröffentlichung eine Irreführung im Sinn des § 3 HWG darstellen (Gröning, Heilmittelwerberecht, § 6 HWG Rn. 8, 21; Ring, in: Bülow/Ring/Voss, HWG, § 6 Rn. 14).

Angabe der Fundstelle

OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.01.2023, 6 U 373/22 (MD 2023, 417)

Es genügt nicht allein, dass etwaige Studienergebnisse bei dem Unternehmer (hier auf der Unternehmenswebsite) abgerufen werden können (OLG Hamburg GRUR-RR 2002, 365; OLG Frankfurt NJW-RR 2021, 1203, Rdnr. 12). Vielmehr soll die Angabe der genannten Daten das Publikum, an das sich die Werbung richtet, in die Lage versetzen, die mitgeteilten Ergebnisse kritisch und selbstständig zu überprüfen (Zimmermann in: Nomos-BR.HWG, 1. Aufl, § 6 HWG, Rdnr. 5). Diese Angaben müssen daher so beschaffen sein, dass damit die Veröffentlichung ohne Weiteres aufgefunden und besorgt werden kann (OLG Frankfurt, a.a.O.).

OLG Frankfurt, Urt. v. 10.8.2017, 6 U 63/17, II.2.c

Der Regelungszweck des § 6 Nr. 2 HWG wird nicht erreicht, wenn auf wissenschaftliche bzw. fachliche Veröffentlichungen Bezug genommen wird, ohne im konkreten Zusammenhang eindeutig deren Publikationsjahr anzugeben oder zumindest darauf zu verweisen, wo sich dieses sofort in Erfahrung bringen lässt.

OLG Frankfurt, Urt. v. 10.8.2017, 6 U 63/17, II.2.c

In Anlehnung an die gefestigte Rechtsprechung zur Werbung mit Testergebnissen ist auch für den Anwendungsbereich des § 6 Nr. 2 HWG davon auszugehen sein, dass im Zusammenhang mit dem Zitat ein eindeutiger Hinweis darauf erfolgen muss, wo sich Angaben zum Publikationsjahr sofort in Erfahrung bringen lassen. Diese müssen unmittelbar - ohne eine aktive Suche - auffindbar sein.

Testurteile, die Teil einer Werbung sind, müssen nach der Rechtsprechung leicht und eindeutig nachprüfbar sein. Dies setzt nicht nur voraus, dass überhaupt eine Fundstelle im Test angegeben wird, sondern auch, dass diese Angabe für den Verbraucher aufgrund der Gestaltung der Werbung leicht auffindbar ist. Es muss zumindest ein deutlicher Sternchenhinweis vorhanden sein, der ohne weiteres zur Fundstellenangabe führt.

Diese Anforderungen an Werbung mit Prüfzeichen oder Testergebnissen lassen sich auf § 6 Nr. 2 HWG übertragen. Die Zielsetzung beider Informationspflichten die gleiche: Dem Adressaten soll es ermöglicht werden, die Bewertung selbst zu überprüfen und in ihren Gesamtzusammenhang einzuordnen. Nur wenn man die Rechtsprechung zu Testergebnissen auf § 6 Nr. 2 HWG überträgt, ist es dem Fachpublikum möglich, die zitierte Veröffentlichung selbst zur Kenntnis nehmen, diese zu validieren und sich bei Bedarf anhand ihrer Lektüre nähere Informationen zu beschaffen. Hierzu muss sich das Publikationsjahr sofort feststellen lassen können.