Unzulässig ist eine Werbung, wenn
1. Gutachten oder Zeugnisse veröffentlicht oder erwähnt werden, die nicht von wissenschaftlich oder fachlich hierzu berufenen Personen erstattet worden sind und nicht die Angabe des Namens, Berufes und Wohnortes der Person, die das Gutachten erstellt oder das Zeugnis ausgestellt hat, sowie den Zeitpunkt der Ausstellung des Gutachtens oder Zeugnisses enthalten
OLG Hamburg, Urt. v. 16.5.2024, 3 U 59/23, Tz. 62
Nach zutreffender h. M. besteht mit der 1. Alt. trotz des Wortes „und“ keine kumulative Verknüpfung (BeckOK HWG/Doepner/Reese, 11. Ed. 1.10.2023, HWG § 6 Rn. 65).
Sinn und Zweck
OLG Hamburg, Urt. v. 27.6.2002, 3 U 136/00, II.1 (= GRUR-RR 2002, 365)
Die Regelung des § 6 HWG verfolgt u.a. den Zweck, es demjenigen, an den sich eine solche Werbung wendet, mit Hilfe der gesetzlich vorgegeben Angaben (Name, Beruf, Wohnort des Gutachters oder Ausstellers des Zeugnisses sowie Zeitpunkt der Ausstellung des Gutachtens) zu ermöglichen, sich ein eigenes Urteil über den Inhalt und den Beweiswert des Gutachtens usw. zu bilden. Das Fachpublikum, an das sich die Werbung richtet, soll mit Hilfe der Quellenangaben in die Lage versetzt werden, die mitgeteilten Ergebnisse kritisch und selbständig zu überprüfen.
OLG Hamburg, Urt. v. 16.5.2024, 3 U 59/23, Tz. 64
Die durch § 6 HWG für die Werbung verlangten Daten sollen dem Werbeadressaten, insbesondere aus Kreisen der Fachwelt, weitere Informationen über den behandelten Themenkomplex liefern und ein Urteil über den Inhalt und Beweiswert des Gutachtens oder Zeugnisses erleichtern, denn die Werbeadressaten werden in die Lage versetzt, anhand der durch § 6 HWG vorgeschriebenen bzw. formal fixierten Daten den Aussagegehalt der in Bezug auf das beworbene Heilmittel mitgeteilten Ergebnisse selbstständig und kritisch zu überprüfen und sich so ein Bild von dem therapeutischen Wert des beworbenen Heilmittels zu machen. Dazu genügt es nicht, dass etwaige Studienergebnisse bei den Zulassungsbehörden oder dem pharmazeutischen Unternehmer abgerufen werden könnten. … Der Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens ist insofern wichtig, weil aufgrund des raschen Fortschritts der Pharmaforschung ältere in der Werbung publizierte wissenschaftliche Erkenntnisse durch neuere Forschungen überholt sein können (BeckOK HWG/Doepner/Reese, 11. Ed. 1.10.2023, HWG § 6 Rn. 8).
Gutachten
OLG Hamburg, Urt. v. 27.6.2002, 3 U 136/00, II.1 (= GRUR-RR 2002, 365)
Unter den Begriff des Gutachtens lassen sich sprachlich zwanglos auch die Bezeichnungen Studie, klinische Prüfung, Feldstudie oder Compliance-Studie fassen. Maßgeblicher Gesichtspunkt ist insoweit, dass die Beklagte mit fachlichen Daten wirbt, die den Eindruck vermitteln, sie seien in wissenschaftlicher Weise erhoben worden. Wissenschaftlichen Erkenntnissen wird erfahrungsgemäß eine hohe Beweiskraft zugeschrieben, so dass sie besonders werbewirksam sind.
OLG Hamburg, Urt. v. 16.5.2024, 3 U 59/23, Tz. 63
Die werbliche Verwertung von klinischen Studien, klinischen Prüfungen, Anwendungsbeobachtungen, Compliance-Studien und dergleichen fällt in den Anwendungsbereich von § 6 Nr. 1 HWG, ohne dass es einer abschließenden Prüfung bedarf, ob sie Gutachtencharakter haben, da die werbliche Verwertung der dort getätigten Beobachtungen bzw. dort gewonnenen Ergebnisse auf jeden Fall Zeugnischarakter hat (vgl. BeckOK HWG/Doepner/Reese, 11. Ed. 1.10.2023, HWG § 6 Rn. 47 m. w. Nachw.). Ein Zeugnis i.S. des § 6 HWG liegt bereits dann vor, wenn einzelne Ergebnisse und Beobachtungen bestätigt werden (Senat, GRUR-RR 2002, 365 - Quellenangaben). Maßgeblicher Gesichtspunkt ist insoweit, dass mit fachlichen Daten geworben wird, die den Eindruck vermitteln, sie seien in wissenschaftlicher Weise erhoben worden (Senat, a. a. O., 365).
Zeugnis
OLG Hamburg, Urt. v. 27.6.2002, 3 U 136/00, II.1 (= GRUR-RR 2002, 365)
Ein Zeugnis im Sinne des § 6 Nr. 1 HWG liegt bereits dann vor, wenn einzelne Ergebnisse und Beobachtungen bestätigt werden. Ein Zeugnis braucht also nicht eine eingehende Untersuchung, ja nicht einmal besondere Fachkenntnisse vorauszusetzen.
OLG Frankfurt, Beschl. v. 13.7.2021, 6 W 43/21
Klinischen Studien, Feldstudien oder Compliance-Studien fallen in den Anwendungsbereich des § 6 Nr. 1 HWG, ohne dass es einer abschließenden Prüfung bedürfte, ob sie Gutachtencharakter haben, da die werbliche Verwertung der dort getätigten Beobachtungen bzw. dort gewonnenen Ergebnisse auf jeden Fall Zeugnischarakter haben (OLG Hamburg GRUR-RR 2002, 365 - Quellenangaben; LG Baden-Baden MD 2007, 601; Fezer/Büscher/Obergfell, Lauterkeitsrecht: UWG, 3. Aufl., Lebensmittel-, Kosmetik- und Heilmittelwerbung, Rn 496; BeckOK HWG/Reese, 5. Ed. 1.2.2021, HWG § 6 Rn 45 - 47).
Erwähnen
OLG Frankfurt, Beschl. v. 13.7.2021, 6 W 43/21
Ausreichend ist insoweit, dass allgemein auf die Studie Bezug genommen wird oder ein Hinweis darauf erfolgt, ohne es ganz oder teilweise im Wortlaut wiederzugeben (LG Baden-Baden MD 2004, 433, 435; MD 2007, 601, 602; BeckOK HWG/Reese, 5. Ed. 1.2.2021, HWG § 6 Rn 55).
Fundstellenangabe
OLG Frankfurt, Beschl. v. 13.7.2021, 6 W 43/21
Die notwendige Angabe der Fundstelle hat die Antragsgegnerin nicht vorgenommen. Nicht ausreichend ist die Angabe der Fachinformation als Fundstelle, in der wiederum die „richtige“ Fundstelle aufgeführt ist. Der Regelungszweck des § 6 UWG, die unmittelbare Überprüfung der in Bezug genommenen Ergebnisse zu ermöglichen, würde nicht erreicht, wenn der angesprochene Verkehr erst die Fachinformation konsultieren müsste. Diese ist zwar für den Verkehr verfügbar und muss nicht erst angefordert werden. Notwendig wäre jedoch ein Suchen der Information in der fünfseitigen eng bedruckten Fachinformation, was ein unmittelbares und schnelles Überprüfen der Studienergebnisse erheblich erschwert. Zudem findet der interessierte Verkehr dort auch nicht die Studie selbst, sondern nur eine Zusammenfassung. Erst die dort enthaltenen bibliographischen Daten ermöglichen in einem weiteren Schritt das Auffinden der Studie.