1. Systematische Einordnung des § 5b Abs. 4 UWG im UWG-Gefüge
2. Gemeinschaftsrechtliche Vorschriften
Systematische Einordnung des § 5a Abs. 4 UWG im UWG-Gefüge
Nach § 5 a Abs. 4 UWG gelten Informationen, die dem Verbraucher aufgrund gemeinschaftsrechtlicher Verordnungen oder deutscher Gesetze oder Verordnungen, die auf Richtlinien der Europäischen Union beruhen, erteilt werden müssen, als wesentliche Informationen gemäß § 5a Abs. 1 UWG (BGH, Urt. v. 5.10.2017, I ZR 232/16, Tz. 27 – Energieausweis).
BGH, Urt. v. 10.11.2022, I ZR 241/19, Tz. 22 – Herstellergarantie IV
Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 2005/29/EG, auf dessen Grundlage § 5b Abs. 4 nF erlassen wurden (zu § 5a Abs. 4 UWG aF vgl. BGH, GRUR 2022, 930 [juris Rn. 19] - Knuspermüsli II; GRUR 2022, 1163 [juris Rn. 57] - Grundpreisangabe im Internet), bestimmt, dass die im Unionsrecht festgelegten Informationsanforderungen in Bezug auf kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung oder Marketing, auf die in der nicht erschöpfenden Liste des Anhangs II der Richtlinie verwiesen wird, als wesentlich gelten.
Die Informationspflichten werden von mir bei § 3a UWG kommentiert (siehe hier). Allerdings ist zu beachten, dass § 5a Abs. 1, 5b UWG nach Auffassung des BGH § 3a UWG bei Informationspflichten in Bezug auf die kommerzielle Kommunikation verdrängt (dazu hier)
Gesetzliche Vorschriften, die ihre Grundlage in einer europäischen Richtlinie haben, die den Mitgliedstaaten der Europäischen Union strengere nationale Regelungen erlaubt, als sie in der Richtlinie als ‚Mindeststandard vorgesehen werden, dürfen nach Art. 3 Abs. 4, 5 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken ab dem 12. Juni 2013 noch insoweit angewendet werden, als sie – insoweit entgegen der in der jeweiligen Richtlinie vorgesehenen Erlaubnis – der Mindestvorgabe der Richtlinie entsprechen. Strengere Vorschriften verstoßen gegen Art. 3 Abs. 5 (a.F.) der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken und können nicht mehr als Verstoß gegen §§ 5a Abs. 1, 5b Abs. 4 UWG angesehen werden. Näheres dazu hier.
Gibt es gemeinschaftsrechtliche Vorschriften gehen sie vor (§ 1 Abs. 2 UWG). Ein Rückgriff auf §§ 5a Abs. 1, 5b Abs. 4 UWG kommt aber auch in diesen Fällen noch in Betracht, wenn ein Komplex von diesen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften nicht oder nicht abschließend geregelt wird. Das ist im Wege der Auslegung zu ermitteln (vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 26.9.2018, 6 U 84/17)
Ob gegen eine Informationspflicht verletzt wurde, beurteilt sich nach der europäischen Vorgabe, nicht nach deren - möglicherweise fehlerhaften - Umsetzung in der deutsche Recht.
BGH, Urt. v. 5.10.2017, I ZR 232/16, Tz. 28 – Energieausweis
Nach Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 2005/29/EG sind die im Unionsrecht festgelegten Informationsanforderungen maßgeblich. Eine unzureichende Umsetzung einer Richtlinienbestimmung in deutsches Recht steht der Anwendung des § 5a Abs. 4 UWG (a.F., heute § 5b Abs. 4 UWG) nicht entgegen.
Gemeinschaftsrechtliche Vorschriften
Der Anhang II der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken enthält eine Liste gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften mit entsprechenden Informationspflichten. Diese Liste ist nicht abschließend (BGH, Vers-Urt. v. 23.3.2023, I ZR 17/22, Tz. 68 – Aminosäurekapseln). In der Liste aufgeführt werden:
- Artikel 4 und 5 der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. 5. 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (Fernabsatzrichtlinie); aufgehoben durch die Richtlinie 2011/83/EU über die Rechte der Verbraucher
- Artikel 3 der Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. 6. 1990 über Pauschalreisen (Pauschalreiserichtlinie)
- Artikel 3 Absatz 3 der Richtlinie 94/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. 10. 1994 zum Schutz der Erwerber im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Verträgen über den Erwerb von Teilzeitnutzungsrechten an Immobilien (Teilnutzungsrechterichtlinie)
- Artikel 3 Absatz 4 der Richtlinie 98/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. 2. 1998 über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse (Verbraucherschutzrichtlinie)
- Artikel 86 bis 100 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. 11. 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel
- Artikel 5 und 6 der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. 6. 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt ("Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr")
- Artikel 1 Buchstabe d der Richtlinie 98/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. 2. 1998 zur Änderung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit
- Artikel 3 und 4 der Richtlinie 2002/65/EG über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher
- Artikel 1 Nummer 9 der Richtlinie 2001/107/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. 1. 2002 zur Änderung der Richtlinie 85/611/EWG des Rates zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) zwecks Festlegung von Bestimmungen für Verwaltungsgesellschaften und vereinfache Prospekte
- Artikel 12 und 13 der Richtlinie 2002/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. 12. 2002 über Versicherungsvermittlung
- Artikel 36 der Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. 11. 2002 über Lebensversicherungen
- Artikel 19 der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. 4. 2004 über Märkte für Finanzinstrumente
- Artikel 31 und 43 der Richtlinie 92/49/EWG des Rates vom 18. 6. 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) (Dritte Richtlinie Schadenversicherung)
- Artikel 5, 7 und 8 der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. 11. 2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist
Nach Erlass der Richtlinie hinzugekommen sind u.a.
- Art. 22 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt.
- Art.6 ff der Richtlinie 2011/83/EU über die Rechte der Verbraucher , u.a. mit Aufhebung der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. 5. 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (Fernabsatzrichtlinie)
- Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel
Beispiele
Energieausweis bei Immobilien
BGH, Urt. v. 5.10.2017, I ZR 232/16, Tz. 27 – Energieausweis
Gemäß § 5a Abs. 4 UWG (a.F., heute § 5b Abs. 4 UWG) gelten als wesentlich im Sinne des Absatzes 2 (a.F., heute § 5a Abs. 1 UWG) Informationen, die dem Verbraucher aufgrund unionsrechtlicher Verordnungen oder nach Rechtsvorschriften zur Umsetzung unionsrechtlicher Richtlinien für kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung und Marketing nicht vorenthalten werden dürfen. Zu den Informationspflichten im Sinne des § 5a Abs. 4 UWG zählen die in Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2010/31/EU vorgesehenen Angaben. Nach dieser Bestimmung verlangen die Mitgliedstaaten, dass bei Verkauf oder Vermietung von Gebäuden oder Gebäudeteilen in einem Gebäude, für die ein Ausweis über die Energieeffizienz vorliegt, in Verkaufs- und Vermietungsanzeigen in kommerziellen Medien der in dem Ausweis über die Gesamtenergieeffizienz des Gebäudes oder Gebäudeteils angegebene Indikator der Gesamtenergieeffizienz genannt wird. Die Bestimmung nimmt von dieser Verpflichtung keinen bestimmten Personenkreis aus. Von Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2010/31/EU sind deshalb auch Verkaufs- und Vermietungsanzeigen erfasst, die ein Immobilienmakler aufgegeben hat.
Lebensmittelinformationsverordnung
BGH, Urt. v. 7.4.2022, I ZR 143/19, Tz. 27 – Knuspermüsli II
Die von der Lebensmittelinformationsverordnung vorgeschriebenen Angaben auf der Verpackung von Lebensmitteln sind wesentliche Informationen im Sinne von Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 2005/29/EG (§ 5a Abs. 4 UWG (a.F., heute § 5b Abs. 4 UWG)), da es sich um im Unionsrecht festgelegte Informationsanforderungen in Bezug auf kommerzielle Kommunikation handelt.