Gesetzestext
§ 1 Abs. 4 PAngV
Wird außer dem Entgelt für eine Ware oder Leistung eine rückerstattbare Sicherheit gefordert, so ist deren Höhe neben dem Preis für die Ware oder Leistung anzugeben und kein Gesamtbetrag zu bilden.
Richtlinienkonformität
Eine § 1 Abs. 4 PAngV entsprechende Regelung in der Preisangaben-Richtlinie und der Dienstleistung-Richtlinie gibt es nicht. Die Richtlinie 2011/83/EU über die Rechte der Verbraucher enthält in Art. 7 die Verpflichtung zur Angabe „sonstiger Kosten“, bezieht sich aber nur auf Fernabsatzverträge. Eine entsprechende Formulierung findet sich in Art. 6 der Richtlinie für alle sonstigen Verträge nicht. Auch Art. 7 Abs. 4 lit. c) der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken kann eine entsprechende Regelung nicht entnommen werden.
Allerdings erlaubt die Verbraucher-Richtlinie in Art. 5 Abs. 4 für andere als Fernabsatzgeschäfte, dass die Mitgliedstaaten strengere vorvertragliche Informationspflichten vorsehen. Nach Art. 6 Abs. 8 sind bei Fernabsatzgeschäften ebenfalls strengere Regelungen möglich, solange sie im Einklang mit der Dienstleistung-Richtlinie und der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr stehen.
Aufgrund dieser Bestimmungen in der Verbraucher-Richtlinie dürfte § 1 Abs. 4 PAngV beim Angebot von Waren oder Dienstleistungen richtlinienkonform sein. Zweifelhaft ist aber, ob die vorvertraglichen Informationspflichten, die von den Mitgliedstaaten ergänzend eingeführt oder aufrecht erhalten werden dürfen, auch schon in jeder Werbung für Waren oder Dienstleistungen mit Preisen enthalten sein müssen. Die Verbraucher-Richtlinie verlangt nur, dass der Verbraucher vor einem Vertragsschluss, d.h. aber nicht unbedingt in der Werbung informiert wird.
Nun aber
KG Berlin, Urt. v. 21.6.2017, 5 U 185/16, Tz. 63, 66 – Lieferservice-Portal
Die Vorschrift des § 1 Abs. 4 PAngV stellt, indem sie die gesonderte Ausweisung des Pfands neben dem Preis fordert, keine Marktverhaltensregelung i.S. von § 3a UWG (= § 4 Nr. 11 UWG aF) dar. Denn es fehlt insoweit an einer hinreichenden Grundlage im Unionsrecht (vgl. Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl., § 1 PAngV Rn. 28). ...
Wegen einer fehlenden unionsrechtliche Grundlage insbesondere in der PAngRL kann das erstrebte Verbot auch nicht auf § 5a Abs. 2 UWG gestützt werden. Gegenstand der PAngRL ist nicht allein der Schutz der Verbraucher bei der Preisangabe von Waren unter Bezugnahme auf unterschiedliche Maßeinheiten (EuGH GRUR 2016, 945, Rn. 30-35 - Citroën/ZLW). Die PAngRL regelt deshalb im Zusammenhang mit der Angabe des Verkaufspreises von Erzeugnissen in Verkaufsangeboten besondere Aspekte i.S. von Art. 3 Abs. 4 der UGP-RL und geht damit den entsprechenden Vorschriften in der UGP-RL vor (EuGH GRUR 2016, 945, Rn. 42-45 - Citroën/ZLW). Die Bestimmung des § 1 Abs. 4 PAngV hat aber keine unionsrechtliche Grundlage in der (demzufolge allein einschlägigen, vgl. auch BGH GRUR 2017, 286, Rn. 11 - Hörgeräteausstellung) PAngRL (s.o.).
Ebenso OLG Schleswig, Urt. v. 30.7.2020, 6 U 49/19, Tz. 43
Dagegen jetzt
OLG Köln, Urt. v. 6.3.2020, 6 U 89/19; Tz. 29
§ 1 Abs. 4 PAngV hat zwar keine Grundlage im Unionsrecht. Weder die Preisangaben-RL noch die UGP-RL kennen eine entsprechende Vorschrift. § 1 Abs. 4 PAngV könnte daher als gegenüber Art. 7 Abs. 4 lit c) der UGP-RL strengere Klausel anzusehen sein und damit der Verfallklausel des Art. 3 Abs. 5 (a.F.) UGP-RL unterliegen, nach der die Mitgliedsstaaten in dem durch die UGP-RL angeglichenen Bereich nur bis zum 12.06.2013 nationale Vorschriften beibehalten konnten, die milder oder strenger als die UGP-RL sind (und außerdem zur Umsetzung von Richtlinien erlassen wurden und Klauseln über eine Mindestangleichung enthalten).
Ebenso OLG Köln, Urt. v. 6.3.2020, 6 U 90/19
OLG Köln, Urt. v. 6.3.2020, 6 U 89/19; Tz. 43
1 Abs. 4 PAngV steht außerhalb des vollharmonisierten Regelungsbereichs der UGP-RL , so dass die o.a. Frage, ob die Norm der Verfallklausel des Art. 3 Abs. 5 (a.F.) der UGP-RL unterfällt und vom Gesetzgeber hätte gestrichen werden müssen, zu verneinen ist. Die UGP-RL stammt aus dem Jahr 2005, § 1 Abs. 4 PAngV aus dem Jahr 1997. § 1 Abs. 4 PAngV ist nicht zur Umsetzung von Richtlinien erlassen worden, sondern allenfalls bei der Umsetzung von Richtlinien beibehalten worden. Die Norm beinhaltet auch keine Ausnahmeregelung zu § 1 Abs. 1 PAngV, sondern eine Klarstellung des Gesetzgebers als Reaktion auf eine zuvor abweichende Auslegung des BGH. Sinn und Zweck der Norm ist die Beseitigung der optischen Benachteiligung von Mehrweggebinden gegenüber Einweggebinden. Mit der Pfandregelung sind insbesondere auch umweltpolitische Zielsetzungen verfolgt worden. Diese liegen außerhalb des Angleichungsbereichs der UGP-RL.
Ebenso OLG Köln, Urt. v. 6.3.2020, 6 U 90/19
Dagegen
OLG Schleswig, Urt. v. 30.7.2020, 6 U 49/19, Tz. 47
Dem ist entgegenzuhalten, dass die entscheidende Zielsetzung der Pfandregelung nicht die umweltpolitische war. Der Verordnungsgeber nennt insoweit die Vereinfachung der Preisangabevorschriften sowie die Verbesserung der Preistransparenz insbesondere für Mehrweggebinde (BR-Drucks. 238/97 Präambel lit. A und S. 6). Mit der Änderung wollte der Verordnungsgeber der von ihm nicht gewünschten Auswirkung des BGH-Urteils vom 14.10.1993 auf die Preistransparenz entgegenwirken (BR-Drucks. 238/97 S. 8). Die Herstellung der Preistransparenz ist aber Kern der PAng-RL.
Der BGH hat die Rechtsfrage mittlerweile dem EuGH vorgelegt:
BGH, Beschl. v. 29.7.2021, I ZR 135/20 – Flaschenpfand III
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden … folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist der Begriff des Verkaufspreises im Sinne von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 98/6/EG dahin auszulegen, dass er den Pfandbetrag enthalten muss, den der Verbraucher beim Kauf von Waren in Pfandflaschen oder Pfandgläsern zu zahlen hat?
2. Für den Fall, dass Frage 1 bejaht wird: Sind die Mitgliedsstaaten nach Art. 10 der Richtlinie 98/6/EG berechtigt, eine von Art. 3 Abs. 1 und 4 in Verbindung mit Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 98/6/EG abweichende Regelung wie die in § 1 Abs. 4 PAngV beizubehalten, wonach für den Fall, dass außer dem Entgelt für eine Ware eine rückerstattbare Sicherheit gefordert wird, deren Höhe neben dem Preis für die Ware anzugeben und kein Gesamtbetrag zu bilden ist, oder steht dem der Ansatz der Vollharmonisierung der Richtlinie 2005/29/EG entgegen?
Rückerstattbare Sicherheit
§ 1 Abs. 4 PAngV gilt als Pfandregelung. Eine rückerstattbare Sicherheit ist jedes Pfand, das beim Erwerb einer Ware oder der Inanspruchnahme einer Dienstleistung (z.B. der Miete eines Gegenstandes) hinterlegt werden muss und das der Kunde bei der Rückgabe der Ware oder des mit der Dienstleistung verbunden Gegenstands zurückerhält.
Beim Angebot der Ware oder Dienstleistung oder der Werbung für die Ware oder Dienstleistung muss das Pfand gesondert ausgewiesen werden. Es darf nicht in den Gesamtpreis (Endpreis) einbezogen werden.