BGH, Urt. v. 11.2.2021, I ZR 227/19, Tz. 42 - Rechtsberatung durch Architektin
Mit der in § 1 Abs. 5 Satz 1 Architektengesetz Rheinland-Pfalz aufgeführten "Vertretung", die auch in den Architektengesetzen anderer Bundesländer in den für die Berufsaufgaben maßgeblichen Bestimmungen vergleichbar vorgesehen ist, wird keine Vertretung in rechtlichen Angelegenheiten gegenüber Behörden angesprochen. Dies wäre allerdings erforderlich, um eine ausdrückliche Rechtsdienstleistungsbefugnis annehmen zu können. Der Umstand, dass nach Satz 2 der Vorschrift "rechtliche … Belange Beachtung" finden, verdeutlicht lediglich, dass die Aufgaben der Architektinnen und Architekten auch Tätigkeiten zur Überwachung der Einhaltung insbesondere öffentlich-rechtlicher Vorschriften bei der Planung und Ausführung von Bauvorhaben umfassen (…). Dass ein Architekt auch befugt ist, für den Bauherrn dessen subjektiv-öffentliche Rechte gegenüber Behörden in einem Widerspruchsverfahren durchzusetzen, folgt daraus hingegen nicht.
Bestätigung von OLG Koblenz, Urt. v. 4.12.2019, 9 U 1067/19, Tz. 54 ff (siehe unten)
BGH, Urt. v. 11.2.2021, I ZR 227/19, Tz. 43 - Rechtsberatung durch Architektin
Der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure lässt sich keine Rechtsdienstleistungsbefugnis außerhalb des Rechtsdienstleistungsgesetzes entnehmen, da sie keine hinreichend konkreten Regelungen enthält, die Rechtsdienstleistungen gestatten. Die innerhalb der jeweiligen Leistungsphasen zu erbringenden Leistungen (§ 34 Abs. 4 HOAI in Verbindung mit Anlage 10 Nr. 10.1) können lediglich bei der Frage Bedeutung erlangen, ob die Rechtsdienstleistungen nach § 5 Abs. 1 RDG erlaubt sind, weil sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild der Architektin gehören.
BGH, Urt. v. 11.2.2021, I ZR 227/19, Tz. 52 f - Rechtsberatung durch Architektin
Zwar hat das Aufgabengebiet der Architekten in vielfacher Hinsicht Berührungen zu Rechtsdienstleistungen (vgl. OLG Koblenz, NJW-RR 2020, 1067 [juris Rn. 11]; BeckOK.RDG/Hirtz aaO § 5 Rn. 74). Die Architektin und der Architekt sind sachkundige Berater und Betreuer des Bauherrn auf dem Gebiet des Bauwesens und müssen über nicht unerhebliche Kenntnisse des Werkvertragsrechts, des Bürgerlichen Gesetzbuchs und der Vorschriften der VOB/B verfügen (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 1979 - VII ZR 190/78, BGHZ 74, 235, 238 [juris Rn. 14]). Die Beratungs- und Betreuungstätigkeit der Architekten dient dazu, dem Bauherrn das planerische, wirtschaftliche und rechtliche Umfeld des Vorhabens zu erläutern. Im Rahmen der Grundlagenermittlung etwa hat ein Architekt deshalb Aufklärungs- und Beratungspflichten gegenüber seinem Auftraggeber, die sich auch auf öffentlich-rechtliche Vorschriften zum Bauplanungs- und Bauordnungsrecht beziehen (vgl. Beckscher HOAI- und Architektenrechtskommentar/ Sonntag, 2. Aufl., vor §§ 650p ff. BGB Abschnitt G Rn. 28). So kann eine Beratung darüber geschuldet sein, ob sich ein Gebäude - wie im Streitfall - in Ermangelung eines Bebauungsplans gemäß § 34 BauGB in die nähere Umgebung einfügt, und eine Bauvoranfrage zu empfehlen sein (zum Umfang der Beratungspflichten vgl. auch Krenzler, RDG, 2. Aufl., § 5 Rn. 24). Die Betreuungs- und Beratungspflichten der Architekten können dabei auch nach außen tretende rechtsberatende Elemente enthalten. Denkbar ist dies insbesondere dann, wenn im Zuge der Betreuung und Beaufsichtigung von Fertigstellungs- und Mängelbeseitigungsarbeiten für den Bauherrn Ansprüche gegenüber dem Werkunternehmer geltend zu machen sind (vgl. OLG Düsseldorf, NJW-RR 2006, 562 f. [juris Rn. 13 bis 15]; BT-Drucks. 16/3655, S. 54).
Aus all dem folgt jedoch nicht, dass zum Tätigkeitsbild der Architektinnen und Architekten bezogen auf Fragen des öffentlichen Rechts mehr als die fachliche, technische Begleitung und gegebenenfalls damit zusammenhängende Empfehlungen rechtlicher Art gehören. Mit einem Rechtsberater des Bauherrn ist der Architekt nämlich nicht gleichzusetzen (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 1984 - III ZR 80/83, NJW 1985, 1692, 1693 [juris Rn. 35]; Urteil vom 29. März 1990 - III ZR 145/88, VersR 1990, 789, 790 [juris Rn. 7] mwN). Das Berufungsgericht ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass eine Vertretung des Bauherrn im Rahmen gerichtlicher (Vor-)Verfahren über die typischerweise mit der beratenden Rolle des Architekten verbundenen Aufgaben hinausgeht (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 1976 - I ZR 55/75, NJW 1976, 1635, 1636 [juris Rn. 21] - Sonderberater in Bausachen, mwN; OVG Lüneburg, NJW 1972, 840; OVG Münster, NJW 1979, 2165, 2166; Schwentek, IBR 2020, 189). Sie erfordert in der Regel qualifizierte Rechtskenntnisse, wie sie grundsätzlich nur bei Rechtsanwälten und registrierten Personen im Sinne des § 10 RDG vorausgesetzt werden können (vgl. dazu allgemein BT-Drucks. 16/3655, S. 52, 54; zum Steuerberater BSGE 115, 18 Rn. 48).
Vorstehendes Urteil bestätigt materiell-rechtlich:
OLG Koblenz, Urt. v. 4.12.2019, 9 U 1067/19, Tz. 52
Die Stellung einer Bauvoranfrage erfolgt - wie sich § 72 Satz 1 LBauO Rh.-Pf. entnehmen lässt - im wirtschaftlichen Interesse des Bauherrn und dient der Sicherung seiner Rechte. Bauherr ist, wer - wie hier durch Stellung einer Bauvoranfrage - nach außen zu erkennen gibt, dass er ein bestimmtes Vorhaben auf seine Verantwortung verwirklichen oder verwirklichen lassen will (vgl. BVerwG, NVwZ 2010, 779, 780, Rdnr. 19, m.w.N.). Hier ist die Beklagte indes - sowohl im Verfahren der Bauvoranfrage als auch im nachfolgenden Widerspruchsverfahren - in offener Stellvertretung für die Grundstückseigentümer ...[A]/...[B] aufgetreten und hat damit zum Ausdruck gebracht, dass sie das betreffende Bauvorhaben nicht selbst auf ihre Verantwortung verwirklichen oder verwirklichen lassen wollte, sondern dass dies die von ihr benannten Auftraggeber sein sollten. Nach dem nach außen erkennbaren Willen der Beklagten ging es ihr also gerade darum, fremde und nicht eigene Rechte zu sichern, weshalb sie damit in fremden Angelegenheiten tätig wurde (vgl. BGH, NJW 2016, 3441, 3443 - Rechtsberatung durch Entwicklungsingenieur, m.w.N.; Krenzler-Krenzler, RDG, 2. Aufl. 2017, § 2, Rdnr. 53; Deckenbrock/Henssler- Deckenbrock/Henssler, RDG, 4. Aufl. 2015, § 2, Rdnr. 22). Insoweit hat sie sich auch nicht als wirtschaftlich Betroffene neben den als solchen benannten Bauherren zu erkennen gegeben.
OLG Koblenz, Urt. v. 4.12.2019, 9 U 1067/19, Tz. 54 ff
Die Vertretung ihrer Auftraggeber im Widerspruchsverfahren nebst Geltendmachung entsprechender Kostenerstattungsansprüche ist der Beklagten nicht nach § 5 Abs. 1 RDG erlaubt.
Nach der vorzitierten Bestimmung sind Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit gestattet, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören. Ob eine Nebenleistung vorliegt, ist nach ihrem Inhalt, Umfang und sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit unter Berücksichtigung der Rechtskenntnisse zu beurteilen, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind (§ 5 Abs. 1 Satz 2 RDG). …
Ausgehend von diesen Grundsätzen handelt es sich bei der Vertretung seiner Auftraggeber im Widerspruchsverfahren nebst Geltendmachung entsprechender Kostenerstattungsansprüche nicht um Nebenleistungen, die zum Berufs- oder Tätigkeitsbild eines Architekten gehören. Denn dem Widerspruchsverfahren in Angelegenheiten des öffentlichen Baurechts kommt ein so erhebliches Gewicht zu, dass die darauf bezogene Rechtsdienstleistung für einen Architekten nicht den Charakter einer Nebenleistung hat. Als Vorstufe eines Gerichtsverfahrens (vgl. § 68 VwGO) erfordert das Widerspruchsverfahren typischerweise qualifizierte Rechtskenntnisse, wie sie grundsätzlich nur bei Rechtsanwälten vorausgesetzt werden können (vgl. BSG, a.a.O., Rdnr. 48, m.w.N.).