4. VERPFLICHTENDE INFORMATIONEN ÜBER LEBENSMITTEL
Abschnitt 3 Nährwertdeklaration
Art. 29 Verhältnis zu anderen Rechtsvorschriften
Art. 32 Angabe je 100 g oder je 100 ml
Art. 33 Angabe je Portion oder je Verzehreinheit
Art. 35 Weitere Formen der Angabe und der Darstellung
5. FREIWILLIGE INFORMATIONEN ÜBER LEBENSMITTEL
Art. 36 Geltende Anforderungen
6. EINZELSTAATLICHE VORSCHRIFTEN
Art. 38 Einzelstaatliche Vorschriften
Art. 39 Einzelstaatliche Vorschriften über zusätzliche verpflichtende Angaben
Art. 40 Milch und Milcherzeugnisse
Art. 42 Angabe der Nettofüllmenge
Art. 43 Freiwillige Angabe von Referenzmengen für spezifische Bevölkerungsgruppen
Art. 44 Einzelstaatliche Vorschriften für nicht vorverpackte Lebensmittel
ABSCHNITT 3
Nährwertdeklaration
Artikel 29
Verhältnis zu anderen Rechtsvorschriften
(1) Dieser Abschnitt gilt nicht für Lebensmittel, die in den Geltungsbereich der folgenden Rechtsvorschriften fallen:
a) Richtlinie 2002/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Juni 2002 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Nahrungsergänzungsmittel [35];
b) Richtlinie 2009/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über die Gewinnung von und den Handel mit natürlichen Mineralwässern.
(2) Dieser Abschnitt gilt unbeschadet der Richtlinie 2009/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 über Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind [37], und der in Artikel 4 Absatz 1 dieser Richtlinie genannten speziellen Richtlinien.
BGH, Urt. v. 7.4.2022, I ZR 143/19, Tz. 27 – Knuspermüsli II
Die von der Lebensmittelinformationsverordnung vorgeschriebenen Angaben auf der Verpackung von Lebensmitteln sind wesentliche Informationen im Sinne von Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 2005/29/EG (§ 5a Abs. 4 UWG), da es sich um im Unionsrecht festgelegte Informationsanforderungen in Bezug auf kommerzielle Kommunikation handelt.
Artikel 30
Inhalt
(1) Die verpflichtende Nährwertdeklaration enthält folgende Angaben:
a) Brennwert und
b) die Mengen an Fett, gesättigten Fettsäuren, Kohlenhydraten, Zucker, Eiweiß und Salz.
Gegebenenfalls kann in unmittelbarer Nähe zur Nährwertdeklaration eine Angabe erscheinen, wonach der Salzgehalt ausschließlich auf die Anwesenheit natürlich vorkommenden Natriums zurückzuführen ist.
(2) Der Inhalt der verpflichtenden Nährwertdeklaration gemäß Absatz 1 kann durch die Angabe der Mengen eines oder mehrerer der nachfolgenden Stoffe ergänzt werden:
a) einfach ungesättigte Fettsäuren,
b) mehrfach ungesättigte Fettsäuren,
c) mehrwertige Alkohole,
d) Stärke,
e) Ballaststoffe;
f) jegliche in Anhang XIII Teil A Nummer 1 aufgeführten und gemäß den in Anhang XIII Teil A Nummer 2 angegebenen Werten in signifikanten Mengen vorhandenen Vitamine oder Mineralstoffe.
(3) Enthält die Kennzeichnung eines vorverpackten Lebensmittels die verpflichtende Nährwertdeklaration gemäß Absatz 1, so können die folgenden Angaben darauf wiederholt werden:
a) der Brennwert oder
b) der Brennwert zusammen mit den Mengen an Fett, gesättigten Fettsäuren, Kohlenhydraten, Zucker, Eiweiß und Salz.
OLG Hamburg, Beschl. v. 30.7.2024, 3 U 82/23, Tz. 27
Bei Art. 30 Abs. 3 LMIV handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG.
BGH, Urt. v. 7.4.2022, I ZR 143/19, Tz. 40 ff – Knuspermüsli II
Nach Art. 30 Abs. 1 Unterabs. 1 LMIV enthält die verpflichtende Nährwertdeklaration von Lebensmitteln, die in den Anwendungsbereich des Kapitels IV Abschnitt 3 dieser Verordnung fallen (vgl. Art. 29 LMIV), den Brennwert (Buchst. a) und die Mengen an Fett, gesättigten Fettsäuren, Kohlenhydraten, Zucker, Eiweiß und Salz (Buchst. b). ...
Enthält die Kennzeichnung eines vorverpackten Lebensmittels die verpflichtende Nährwertdeklaration gemäß Art. 30 Abs. 1 LMIV, kann auf der Verpackung nach Art. 30 Abs. 3 Buchst. b LMIV der Brennwert zusammen mit den Mengen an Fett, gesättigten Fettsäuren, Zucker und Salz wiederholt werden. …
Sowohl im Fall verpflichtender, als auch im Fall freiwilliger wiederholender Angaben sind grundsätzlich gemäß Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 1 LMIV der Brennwert und die Nährstoffmengen des Lebensmittels zum Zeitpunkt seines Verkaufs anzugeben. Davon abweichend können sich diese Informationen gemäß Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 2 LMIV "gegebenenfalls" auf das zubereitete Lebensmittel beziehen, sofern ausreichend genaue Angaben über die Zubereitungsweise gemacht werden und sich die Informationen auf das verbrauchsfertige Lebensmittel beziehen.
BGH, Urt. v. 7.4.2022, I ZR 143/19, Tz. 43 – Knuspermüsli II
Der Brennwert und die Nährstoffmengen sind nach Art. 32 Abs. 2 LMIV grundsätzlich je 100 g oder je 100 ml anzugeben. Davon abweichend bestimmt Art. 33 Abs. 2 Unterabs. 1 LMIV, dass in den Fällen freiwilliger wiederholender Angaben gemäß Art. 30 Abs. 3 Buchst. b LMIV die Nährstoffmengen - nicht aber der Brennwert - lediglich je Portion oder je Verzehreinheit ausgedrückt werden dürfen. Sofern von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wird, muss nach Art. 33 Abs. 2 Unterabs. 2 LMIV der Brennwert je 100 g oder je 100 ml und zusätzlich je Portion oder je Verzehreinheit ausgedrückt werden.
Verhältnis zu Art. 22 LMIV
OLG Rostock, Beschl. v. 16.2.2022, 2 U 24/21, Tz. 10
Bereits der jeweilige Normwortlaut bietet keinen Anhalt dafür, ein Produktbestandteil könne im Sinne wechselseitiger Exklusivität nur 'Zutat' oder Inhaltsstoff sein. Aber auch aus dem Blickwinkel einer gesetzessystematischen Auslegung erweisen sich Überlappungen zwischen beiden Regelungskreisen als naheliegend und vom Verordnungsgeber einkalkuliert. Exemplarisch deutlich wird dies in Art. 22 Abs. 2 LMIV i.V.m. Anhang VIII Nr. 2 lit. b), wonach Art. 22 Abs. 1 lit. a) und b) LMIV nicht gelten für – zugesetzte – Vitamine und Mineralstoffe, wenn diese Stoffe in eine Nährwertdeklaration aufgenommen werden müssen. Von diesem Ansatz geht auch das einschlägige Kommentarschrifttum aus: Treten die in Art. 30 LMIV genannten – oder sonstige – Inhaltsstoffe lediglich als natürlicher Bestandteil einer Zutat in Erscheinung, sind sie nicht zugleich selbst 'Zutat'. So ist z. B. das in der Kaffeebohne enthaltene und (nur) über deren Verarbeitung zum Bestandteil eines Kaffeeprodukts werdende Koffein auch dann keine 'Zutat', wenn es auf der Verpackung des Kaffeeprodukts 'hervorgehoben' wird und damit ansonsten die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 22 Abs. 1 lit. b) LMIV erfüllt sind. Gleiches würde etwa gelten für die in einem Apfel enthaltenen Vitamine, die im Apfelsaft zu finden sind. Ist das – andernorts extrahierte – Vitamin aber 'zugesetzt' (Art. 22 Abs. 2 LMIV i.V.m. Anhang VIII Nr. 2 lit. b)), stellt es eine 'Zutat' dar (vgl. Zipfel/Rathke/Meisterernst, Lebensmittelrecht, 179. EL – März 2021, LMIV Art. 22 Rn. 9). Mit dem hier zunächst aus der Lupinenpflanze extrahierten Eiweiß, dass anschließend mit Wasser zur 'Lupinenzubereitung' weiterverarbeitet wird und dann letztlich in das streitbegriffene Endprodukt '…' bzw. '…' einfließt, verhält es sich nicht anders.
Art. 31 Berechnung
(3) Der Brennwert und die Nährstoffmengen gemäß Artikel 30 Absätze 1 bis 5 sind diejenigen des Lebensmittels zum Zeitpunkt des Verkaufs.
Gegebenenfalls können sich diese Informationen auf das zubereitete Lebensmittel beziehen, sofern ausreichend genaue Angaben über die Zubereitungsweise gemacht werden und sich die Informationen auf das verbrauchsfertige Lebensmittel beziehen.
EuGH, Urt. v. 11.11.2021, C-388/20, Tz. 24, 27 f, 30 – Verbraucherzentrale / Dr. Oetker
Wie der Generalanwalt in Nr. 52 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ergibt sich aus den Erwägungsgründen 35 und 41 der Verordnung Nr. 1169/2011, dass Art. 31 dieser Verordnung die Vergleichbarkeit von Lebensmitteln und der Information der Verbraucher bezweckt. ...
Hieraus ergibt sich, dass dann, wenn ein Lebensmittel … auf unterschiedliche Weise zubereitet werden kann, die Informationen über den Brennwert und die Nährstoffmengen des Lebensmittels, wenn es gemäß dem Vorschlag des Herstellers zubereitet worden ist, keinen Vergleich mit den entsprechenden Lebensmitteln anderer Hersteller zulassen, da die Berechnung des Brennwerts und der Nährstoffmengen eines Erzeugnisses, das auf unterschiedliche Weise zubereitet werden kann, definitionsgemäß ungewiss ist, da sie zwangsläufig je nach Zubereitungsart variiert.
Die fehlende Vergleichbarkeit kann auch nicht dadurch geheilt werden, dass die Werte für eine Portion an anderer Stelle auf der Verpackung mit den Werten je 100 g des Erzeugnisses zum Zeitpunkt des Verkaufs angegeben werden. Wie der Gerichtshof im Urteil vom 4. Juni 2015, Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände (C‑195/14, EU:C:2015:361, Rn. 38 bis 40), festgestellt hat, kann der Umstand, dass das Verzeichnis der Zutaten auf der Verpackung des betreffenden Erzeugnisses angebracht ist, für sich allein nicht ausschließen, dass die Kennzeichnung dieses Erzeugnisses und die Art und Weise, in der sie erfolgt, geeignet sein könnten, den Käufer irrezuführen. Entsprechend lassen isolierte Informationen auf der Vorderseite der Verpackung keinen Produktvergleich zu, und die zusätzlichen Deklarationen an anderer Stelle auf der Verpackung mit anderen Referenzmengen sind lediglich geeignet, den Verbraucher hinsichtlich der Vergleichbarkeit mit anderen Erzeugnissen noch mehr zu verwirren. ...
Daher müssen Lebensmittel, die auf unterschiedliche Weise zubereitet werden können, vom Anwendungsbereich von Art. 33 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1169/2011 ausgenommen werden.
BGH, Urt. v. 7.4.2022, I ZR 143/19, Tz. 44 – Knuspermüsli II
Die für freiwillige wiederholende Angaben geltende Ausnahmeregelung des Art. 33 Abs. 2 LMIV erfasst beide Fälle des Art. 31 Abs. 3 LMIV (vgl. BGH, GRUR 2020, 1101 Rn. 21 - Knuspermüsli I).
Art. 34 Darstellungsform
Die Angaben gemäß Artikel 30 Absätze 1 und 2 müssen im selben Sichtfeld erscheinen. Sie müssen als Ganzes in einem übersichtlichen Format und gegebenenfalls in der in Anhang XV vorgegebenen Reihenfolge erscheinen.
Die Angaben gemäß Artikel 30 Absätze 1 und 2 sind, sofern genügend Platz vorhanden ist, in Tabellenform darzustellen, wobei die Zahlen untereinander stehen. Bei Platzmangel können sie hintereinander aufgeführt werden.
KG Berlin, Beschl. v. 22.10.2019, 5 U 2/19, Tz. 5
Art. 34 Abs. 1 und 2 LMIV stellt als verbraucherschützende Norm eine Marktverhaltensregel dar. Denn sie dient der Information und Aufklärung der Verbraucher über ernährungs- und gesundheitsbezogene Aspekte der Lebensmittel. Ausweislich der Erwägungsgründe der LMIV (vgl. insbesondere Nr. 2, 17, 34 bis 36, 46 und 47) sollen die Angaben gem. § 30 Abs. 1 und 2 LMIV den Verbraucher unterstützen, zum Schutz seiner Gesundheit zwischen verschiedenen Lebensmitteln eine Wahl zu treffen, die seinen individuellen Ernährungsbedürfnissen entspricht. Art. 34 Abs. 1 und 2 LMIV soll eine übersichtliche und vergleichbare Darstellung dieser Angaben sicherstellen, damit der Verbraucher seine Entscheidung eigenverantwortlich treffen kann.
KG Berlin, Beschl. v. 22.10.2019, 5 U 2/19, Tz. 9 ff
Art. 34 Abs. 2 LMIV räumt keinen Spielraum hinsichtlich der Gestaltung ein. Die beiden Sätze regeln zwei einander ausschließende Varianten: Entweder ist genügend Platz für eine Tabelle vorhanden. Dann sind die Angaben zwingend in Tabellenform darzustellen. Oder es ist nicht genügend Platz für eine Tabelle vorhanden. Dann können die Angaben hintereinander, d. h. nicht in Tabellenform aufgeführt werden. Eine Aufführung hintereinander und zugleich in Tabellenform ist schon vom Wortsinn her nicht möglich, weil sich beide Varianten ausschließen.
Der Senat vermag auch die Auffassung der Berufung nicht zu teilen, dass bei Platzmangel von der Reihenfolge des Anhangs XV abgewichen werden könne. Es ist bereits nicht ersichtlich, inwiefern bei einer – wie hier – rechteckigen Verpackung Platzmangel Einfluss auf die Reihenfolge haben kann. Denn unabhängig von ihrer Reihenfolge nehmen die Angaben insgesamt stets denselben Raum ein. Dies gilt auch für zwei nebeneinander stehende Tabellen. Bei einem Vertauschen der beiden Tabellen wird exakt der gleiche Raum ausgefüllt.
Die Einschränkung “gegebenenfalls” in Art. 34 Abs. 1 Satz 2 LMIV beruht darauf, dass einzelne Angaben freiwillig erfolgen können. Die Norm soll sicherstellen, dass diese Angaben – wenn sie erfolgen – in der Reihenfolge des Anhangs XV aufgeführt werden. Der Senat verkennt dabei nicht, dass die Vitaminangaben vorliegend obligatorisch sein mögen. Jedoch regeln § 30 Abs. 2 und § 34 Abs. 1 Satz 2 LMIV auch Fälle, in denen Vitaminangaben nicht obligatorisch sind. Es trifft daher nicht zu, dass Art. 34 Abs. 1 Satz 2 LMIV bei dem Verständnis des Landgerichts keinen Regelungsbereich hätte. Die von der Beklagten angeführte Verpflichtung zur Vitamindeklaration nach der Verordnung Nr. 1924/2006 besteht nur bei nährwertbezogenen oder gesundheitsbezogenen Angaben, also nach § 2 Abs. 2 Nr. 4 bzw. 5 dieser Verordnung nur bei Angaben, mit denen suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Lebensmittel besondere positive Nährwerteigenschaften besitzt oder ein Zusammenhang mit der Gesundheit besteht. Auch die Verpflichtung zur Vitamindeklaration nach Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1925/2006 besteht nur bei Erzeugnissen, denen Vitamine zugesetzt wurden. Art. 34 Abs. 1 LMIV geht in seinem Regelungsbereich über diese Fälle hinaus, weil er Anforderungen für die Kennzeichnung von Lebensmitteln allgemein festlegt (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 1 LMIV).