Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 

Textilien

Zur VERORDNUNG (EU) Nr. 1007/2011 über die Bezeichnungen von Textilfasern und die damit zusammenhängende Etikettierung und Kennzeichnung der Faserzusammensetzung von Textilerzeugnissen (TextilKennzVO)

Pflicht zur Information über die Faserzusammensetzung

 

OLG Düsseldorf, Urt. v. 4.12.2014, I-2 U 28/14, Tz. 37

Die TextilKennzVO verpflichtet Industrie und Handel dazu, Textilerzeugnisse mit Angaben über die Faserzusammensetzung zu versehen. Der Hauptzweck der gesetzlichen Etikettierungs- und Kennzeichnungspflicht besteht darin, den Verbraucher beim Kauf von Textilien darüber zu informieren, aus welchen Textilfasern ein Erzeugnis besteht (Lange/Quednau, Kommentar zur europäischen Textilkennzeichnungsverordnung, S. 23 und S. 56).

OLG Düsseldorf, Urt. v. 4.12.2014, I-2 U 28/14, Tz. 38

Die TextilKennzVO gilt gemäß ihrem Art. 2 Abs. 1 für Textilerzeugnisse sowie die in Abs. 2 der Bestimmung genannten Erzeugnisse, wenn sie auf dem Unionsmarkt bereitgestellt werden. Für den Begriff „Bereitstellung auf dem Markt“ gilt nach Art. 3 Abs. 2 TextilKennzVO die in Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 ... über die Vorschriften der Akkreditierung und Marktüberwachung im Zusammenhang mit der Vermarktung von Produkten ... festgelegte Definition. Nach der Legaldefinition in Art. 2 Nr. 1 dieser Verordnung ist „Bereitstellung auf dem Markt“ jede entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe eines Produkts zum Vertrieb, Verbrauch oder zur Verwendung auf dem Gemeinschaftsmarkt im Rahmen einer Geschäftstätigkeit. „Bereitstellung“ bedeutet danach im vorliegend relevanten Zusammenhang, dass Textilerzeugnisse von einem Wirtschaftsakteuer an einen anderen entgeltlich oder unentgeltlich abgegeben werden. Gleiches gilt für die Abgabe eines Wirtschaftsakteurs an den Verbraucher (Lange/Quednau, a.a.O., S. 46). Mit „Abgabe“ ist ein Besitzerwechsel der Textilerzeugnisse gemeint, und zwar dergestalt, dass ein anderer die tatsächliche Gewalt über die Textilerzeugnisse erlangt (vgl. Lange/Quednau, a.a.O., S. 46). In Übereinstimmung hiermit ist nach dem Leitfaden der EU-Kommission für die Umsetzung der nach dem neuen Konzept und dem Gesamtkonzept verfassten Richtlinien (Anlage B&B 7, 2.3.1, S. 18) unter „Bereitstellung“ die Überlassung eines Produkts nach der Herstellung mit dem Ziel des Vertriebs oder der Verwendung auf dem Gemeinschaftsmarkt zu verstehen. Unter den Begriff „Bereitstellen auf dem Markt“ fällt auch das „Inverkehrbringen“ (Lange/Quednau, a.a.O., S. 47). Hierunter ist nach der Legaldefinition in Art. 2 Nr. 2 der Verordnung (EG) Nr. 765/2008, auf die Art. 3 Abs. 2 TextilKennzVO verweist, die erstmalige Bereitstellung eines Produkts auf dem Gemeinschaftsmarkt zu verstehen (vgl. auch EG-Kommission, Leitfaden für die Umsetzung der nach dem neuen Konzept und dem Gesamtkonzept verfassten Richtlinien, Anlage B&B 7, 2.3.1, S. 18). Eine Bereitstellung am Markt ist noch nicht gegeben, wenn z.B. der textile Einzelhandel die Ware in Verkaufsabsicht durch Kataloge oder im Internet offeriert, weil zu diesem Zeitpunkt noch keine Abgabe vorliegt (Lange/Quednau, a.a.O., S. 46). Die Abgabe der Textilerzeugnisse an den anderen muss zum Vertrieb, Verbrauch oder zur Verwendung auf dem Gemeinschaftsmarkt erfolgen. Das bedeutet, dass die Abgabe entweder zum Zwecke des Weiterverkaufs (zum Vertrieb) oder der eigenen Benutzung (zum Verbrauch) oder zur Vornahme anderer Dienstleistungen (zur Verwendung), wie z.B. der Vermietung, durch den anderen erfolgt. Allen Fällen ist gemein, dass es zu einer tatsächlichen Übernahme der Textilerzeugnisse durch den Abnehmer kommt (Lange/Quednau, a.a.O., S. 47).

OLG Düsseldorf, Urt. v. 4.12.2014, I-2 U 28/14, Tz. 39f

Art. 4 TextilKennzVO postuliert die allgemeinen Voraussetzungen für die Bereitstellung von Textilerzeugnissen auf dem europäischen Markt (Lange/Quednau, a.a.O., S. 46). Textilerzeugnisse dürfen danach nur dann auf dem Markt bereitgestellt werden, wenn sie etikettiert oder gekennzeichnet sind oder in ihnen Handelsdokumente im Einklang mit der Verordnung beiliegen. Damit wird klargestellt, dass jede Abgabe von Textilerzeugnissen, sei es vom Hersteller zum Handel oder vom Handel zum Großhandel bzw. Einzelhandel oder vom Handel zum Verbraucher, den Voraussetzungen der TextilKennzVO entsprechen muss. Der jeweilige Abnehmer von Textilerzeugnissen soll – entsprechend dem Hauptziel der TextilkennzVO – durch die Etikettierung oder Kennzeichnung erkennen können, aus welchen Natur- oder Chemiefasern das Textilerzeugnis besteht (Lange/Quednau, a.a.O., S. 55).

Die schon in Art. 4 TextilKennzVO statuierte Verpflichtung, Textilerzeugnisse durch Etikettierung oder Kennzeichnung zu versehen, wenn sie auf dem Markt bereitgestellt werden, wird in Art. 14 TextilKennzVO wiederholt, wobei Absatz 1 Satz 1 der Bestimmung zusätzlich Vorgaben dazu macht, wie die Etikettierung bzw. Kennzeichnung zu erfolgen hat (Lange/Quednau, a.a.O., S. 119/120). Die Verpflichtung zur entsprechenden Etikettierung bzw. Kennzeichnung von Textilerzeugnisse besteht mit deren Bereitstellung auf dem Markt, wobei die Bereitstellung auf dem Markt im oben erläuterten Sinne zu verstehen ist (vgl. Lange/Quednau, a.a.O., S. 120).

OLG Düsseldorf, Urt. v. 4.12.2014, I-2 U 28/14, Tz. 41

Art. 15 Abs. 1 S. 1 TextilKennzVO bestimmt, dass ein Hersteller, der ein Erzeugnis in Verkehr bringt, die Etikettierung oder Kennzeichnung und die Richtigkeit der darin  enthaltenen Informationen sicherzustellen hat. Ein Händler gilt hierbei als Hersteller, wenn er ein Erzeugnis unter seinem Namen oder seiner Handelsmarke in Verkehr bringt, das Etikett selbst anbringt oder den Inhalt des Etiketts ändert (§ Art. 15 Abs. 2 TextilKennzVO). In Bezug auf einen Händler, der ein Textilerzeugnis auf dem Markt bereitstellt, sieht Art. 15 Abs. 3 TextilKennzVO vor, dass dieser sicherzustellen hat, dass es die entsprechende Etikettierung oder Kennzeichnung gemäß der TextilKennzVO trägt.

Art. 16 TextilKennzVO: Angaben vor dem Kauf

 

OLG Düsseldorf, Urt. v. 4.12.2014, I-2 U 28/14, Tz. 36

Art. 16 Abs. 1 TextilKennzVO stellt eine Marktverhaltensregelung i.S.v. § 4 Nr. 11 UWG dar (Köhler/Bornkamm, UWG, § 4 Rn. 11.130).

OLG Düsseldorf, Urt. v. 4.12.2014, I-2 U 28/14, Tz. 43

Art. 16 Abs. 1 S. 1 TextilKennzVO verlangt, dass, wenn ein Textilerzeugnis auf dem Markt bereitgestellt wird, die in den Art. 5, 7, 8 und 9 der TextilKennzVO genannten Beschreibungen der Textilfaserzusammensetzung in Katalogen, in Prospekten, auf Verpackungen, Etiketten und Kennzeichnungen in einer Weise angegeben werden, dass sie leicht lesbar, sichtbar und deutlich erkennbar sind, sowie in einem Schriftbild, das in Bezug auf Schriftgröße, Stil und Schriftart einheitlich ist. Diese Informationen müssen nach Art. 16 Abs. 1 S. 1 TextilKennzVO für Verbraucher vor dem Kauf deutlich sichtbar sein, wobei dies auch für Fälle gilt, in denen der Kauf auf elektronischem Wege erfolgt. Art. 16 Abs. 1 TextilKennzVO stellt damit besondere Anforderungen an die Etikettierung und Kennzeichnung von Textilerzeugnissen, sofern sie einem Verbraucher im Einzelhandel oder im Rahmen des Fernabsatzes zum Kauf angeboten werden. In einem solchen Fall müssen die Informationen zur Faserzusammensetzung nicht nur bei der Bereitstellung auf dem Markt, also bei der entgeltlichen oder unentgeltlichen Abgabe des Textilerzeugnisses zum Vertrieb, Verbrauch oder zur Verwendung auf dem Gemeinschaftsmarkt im Rahmen einer Geschäftstätigkeit (siehe oben), sondern schon vor dem Kauf deutlich sichtbar sein. Damit soll sichergestellt werden, dass der Verbraucher vor dem Kauf von Textilerzeugnissen den Fasergehalt richtig erkennen kann, um mit diesem Wissen eine Kaufentscheidung treffen zu können. Art. 16 Abs. 1 TextilKennzVO verlagert deshalb die Informationspflicht im Rahmen des Verbraucherkaufes nach vorn. Während Art. 14 Abs. 1 TextilKennzVO bereits Vorgaben hinsichtlich Art und Weise der Etikettierung und Kennzeichnung macht, werden in Art. 16 Abs. 1 TextilKennzVO insoweit weitere Vorgaben für den Fall gemacht, dass die Textilerzeugnisse dem Verbraucher zum Kauf angeboten werden. Die Vorgaben des Art. 14 Abs. 1 TextilKennzVO betreffen den Fall, dass die Textilerzeugnisse auf dem Markt bereitgestellt werden, also z.B. an den Käufer übergeben werden, wohingegen Art. 16 Abs. 1 TextilKennzVO im Fall des Verbraucherkaufes früher ansetzt, nämlich vor dem Kauf. Im Unterschied zu Art. 14 Abs. 1 TextilKennzVO fordert Art. 16 Abs. 1 TextilKennzVO hierbei insbesondere noch, dass die Mitteilung in Bezug auf Schriftgröße, Stil und Schriftart einheitlich ist. Dadurch soll es dem Verbraucher ermöglicht werden, ohne große Mühe die Angabe der Faserzusammensetzung lesen zu können.

OLG Düsseldorf, Urt. v. 4.12.2014, I-2 U 28/14, Tz. 44

Die vorgeschriebene Angabe der Faserzusammensetzung kann vor dem Verkauf der Ware an den Verbraucher auf unterschiedliche Weise erfolgen, und zwar abhängig davon, wie die Ware im Einzelhandel präsentiert wird bzw. ob sie im Versandhandel angeboten wird. Wird die Ware z.B. ohne Verpackung im Einzelhandel angeboten, muss der Verbraucher sich anhand des Etiketts bzw. der Kennzeichnung über den Fasergehalt informieren können. Ist die Ware verpackt, bedarf es der Angabe zur Faserzusammensetzung auf der Verpackung. Denn Art. 16 TextilKennzVO will sicherstellen, dass der Verbraucher auch von der Angabe der Faserzusammensetzung Kenntnis nehmen kann, wenn die Ware verpackt ist. In derartigen Fällen ist daher eine Angabe der Faserzusammensetzung auf der Verpackung zwingend erforderlich. Wird die Ware im Versandhandel angeboten, muss der Verbraucher schon im Katalog oder Prospekt die Angabe der Faserzusammensetzung erkennen können. Wie Art. 16 Abs. 1 S. 2 2. Halbs. TextilKennzVO klarstellt, wird dabei auch der Versandhandel auf elektronischem Wege von der Verpflichtung zur Angabe der Faserzusammensetzung vor dem Kauf erfasst. Wird die Ware im Online-Versand angeboten, muss der Verbraucher daher schon auf der Internetseite die Angabe der Faserzusammensetzung erkennen können.

OLG Düsseldorf, Urt. v. 4.12.2014, I-2 U 28/14, Tz. 45

Wenn Art. 16 Abs. 1 S. 2 TextilKennzVO von „vor dem Kauf“ spricht, ist hiermit gemeint, dass der Verbraucher aufgrund der Präsentation der Ware, z.B. mittels Prospekten, Katalogen oder im Internet, unmittelbar die Möglichkeit hat, die Ware zu kaufen bzw. eine Bestellung über Fernkommunikation (Brief, Telefon, Fax, E-Mail)  abzugeben. Dies kann z.B. dadurch erfolgen, dass dem Verbraucher mit dem Werbematerial ein Bestellformular ausgehändigt wird. Reine Werbeanzeigen oder Werbeprospekte ohne Bestellmöglichkeit werden von der Verpflichtung des Art. 16 Abs. 1 TextilKennzVO hingegen nicht erfasst. Denn in einem solchen Fall kann der Verbraucher die Information über die Faserzusammensetzung später, aber noch rechtzeitig vor dem Kauf erhalten, nämlich entweder im Verkaufsgeschäft oder an der Stelle, wo er die Ware bestellen kann. Erst in dieser Kaufsituation befindet sich der Verbraucher „vor dem Kauf“, so dass die Angabe über die Faserzusammensetzung auch erst dann erfolgen muss.