OLG Karlsruhe, Beschl. v. 23.3.2016, 6 U 38/16, Tz. 18
Im Fall der durch Urteil erlassenen einstweiligen Verfügung ist die Parteizustellung zwar ein möglicher und „sicherer“, aber nicht der einzige Weg zur wirksamen Vollziehung. Die Zustellung im Parteibetrieb schreiben die §§ 936, 922 Abs. 2 ZPO nur für die ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss angeordnete einstweilige Verfügung vor. Für die durch verkündetes Urteil erlassene einstweilige Verfügung enthält das Gesetz dagegen keine von den §§ 317 Abs. 1 Satz 1, 750 Abs. 1 ZPO abweichenden Vorschriften.
BGH, Urt. v. 13.4.1989, IX ZR 148/88 (= NJW 1990, 122)
Die Ansicht, zur wirksamen Vollziehung einer durch Urteil ergangenen Unterlassungsverfügung bedürfe es stets einer Zustellung im Parteibetrieb, vermag der Senat nicht zu teilen. Die Zustellung im Parteibetrieb schreiben die §§ 936, 922 Abs. 2 ZPO nur für die ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß angeordnete einstweilige Verfügung vor. Für die durch verkündetes Urteil erlassene einstweilige Verfügung enthält das Gesetz dagegen keine von den §§ 317 Abs. 1, 750 Abs. 1 ZPO abweichenden Vorschriften. Die Notwendigkeit einer Parteizustellung ergibt sich insoweit auch nicht aus dem Sinn und Zweck der Vorschriften über die Vollziehung einer einstweiligen Verfügung, insbesondere über die Vollziehungsfrist (§ 929 Abs. 2 ZPO). Auch wenn eine Unterlassungsverfügung, die die Androhung von Ordnungsmitteln enthält, wirksam vollzogen werden kann, indem der Verfügungskläger sie dem Verfügungsbeklagten im Parteibetrieb zustellen läßt, folgt daraus nicht, daß die Parteizustellung der einzige Weg ist, um eine Unterlassungsverfügung wirksam zu vollziehen.
Maßgeblich kommt es darauf an, ob der Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner durch offizielle Maßnahmen zum Ausdruck bringt, dass er auf die Beachtung der einstweiligen Verfügung wert legt. Dafür reichen irgendwelche privaten Äußerungen und Aktionen nicht aus. Erforderlich sind in jedem Fall einer Zustellung ähnliche formalisierte oder urkundlich belegte Maßnahmen.
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 23.3.2016, 6 U 38/16, Tz. 20
Wegen dieser Besonderheiten ist eine Ungewissheit oder Unklarheit darüber, ob eine (fristgerechte) Vollziehung stattgefunden hat, tunlichst zu vermeiden. Es geht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht an, die Beantwortung dieser Frage von den Umständen des Einzelfalls, einer Interessenabwägung oder einer Ermessensentscheidung abhängig zu machen. Ebenso wenig darf die Auslegung einer Willenserklärung den Ausschlag geben. Wenn die Vollziehung einer einstweiligen Verfügung/Anordnung auch auf andere Weise als durch Zustellung im Parteibetrieb denkbar ist, muss es sich also immer um ähnlich formalisierte oder urkundlich belegte, jedenfalls leicht feststellbare Maßnahmen handeln.
Für ausreichend wird es gehalten, dass innerhalb der Vollziehungsfrist ein Antrag auf Festsetzung einer Ordnungsstrafe wegen des Verstoßes gegen die einstweilige Verfügung gestellt wird, auch wenn dieser dem Antragsgegner erst nach der Vollziehungsfrist zugeht.
BGH, Urt. v. 13.4.1989, IX ZR 148/88 (= NJW 1990, 122)
Dem Sinn und Zweck der Frist des § 929 Abs. 2 ZPO, eine Vollziehung der einstweiligen Verfügung nach längerer Zeit und unter veränderten Umständen zu verhindern, ist genügt, wenn der Verfügungskläger innerhalb der Vollziehungsfrist die Festsetzung von Ordnungsmitteln gegen den Verfügungsbeklagten beantragt und damit von der einstweiligen Verfügung Gebrauch macht.
Ebenso OLG Karlsruhe, Beschl. v. 23.3.2016, 6 U 38/16, Tz. 18
OLG München, Beschl. v. 26.4.2023, 29 W 1697/21, Tz. 4
Die Vollziehungsfrist nach § 929 Abs. 2 ZPO gilt nicht als versäumt, weil der Ordnungsmittelantrag vom 17.09.2020 noch innerhalb der Vollziehungsfrist zugestellt und der Vollstreckungswille damit deutlich zum Ausdruck gebracht wurde (vgl. BGH WRP 1989, 514, 517; Feddersen in Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 12. Aufl., § 55 Rn. 42 m.w.N.).
KG, Urt. v. 4.9.2012, 5 U 14/12
Es leuchtet nicht ein, warum die Zustellung einer auf Unterlassung gerichteten Urteilsverfügung im Parteibetrieb stets notwendige und unverzichtbare Voraussetzung der Vollziehung sein sollte. Die Zwangsvollstreckung aus der Urteilsverfügung durch Stellung eines Ordnungsgeldantrages gemäß § 890 ZPO ist der vom Gesetz vorgesehene Weg der Vollziehung. Nur weil dieser Weg dem Unterlassungsgläubiger nicht zur Verfügung steht, wenn der Schuldner sich während der Vollziehungsfrist an das Unterlassungsgebot hält, ist die Parteizustellung als Behelfslösung anerkannt. (vgl. Vohwinkel GRUR 2010, 977, 979).
Bei einer einstweiligen Verfügung, die durch Urteil ohne Androhung von Ordnungsmitteln erlassen wurde, wurde es für ausreichend gehalten, dass innerhalb der Vollziehungsfrist ein Antrag auf Androhung von Ordnungsmitteln gestellt wird.
BGH, Urt. v. 13.4.1989, IX ZR 148/88 (= NJW 1990, 122)
Der Beklagte hat es nicht bei der Erwirkung des Urteils vom 5. 3. 1986 und dessen Amtszustellung bewenden lassen. Er hat vielmehr einen Antrag auf Festsetzung von Ordnungsgeld gem. § 890 Abs. 1 ZPO gestellt und außerdem die Parteizustellung der einstweiligen Verfügung von Anwalt zu Anwalt betrieben. Beide innerhalb der Vollziehungsfrist (§§ 936, 929 Abs. 2 ZPO) eingeleiteten Maßnahmen waren bei ordnungsmäßiger Durchführung geeignet, die einstweilige Verfügung zu vollziehen.
Wer auf die Zustellung verzichtet, handelt mit großem Risiko, da er sich nicht unbedingt darauf verlassen kann, dass ein Gericht ihm die mangelnde Zustellung nachsieht.
Auch nach Stellung eines Ordnungsmittelantrags ist die einstweilige Verfügung nach § 929 Abs. 3 ZPO binnen einer Woche nachzuholen.
OLG Dresden, Urt. v. 7.2.2017, 4 U 1422/16 (GRUR-RR 2017, 360)
Dem Sinn und Zweck der Frist des § 929 Abs. 2 ZPO, eine Vollziehung der einstweiligen Verfügung nach längerer Zeit und unter veränderten Umständen zu verhindern, ist vielmehr auch dann genügt, wenn der Verfügungskläger innerhalb der Vollziehungsfrist die Festsetzung von Ordnungsmitteln gegen den Verfügungsbeklagten beantragt oder eine formlose Abschrift im Parteibetrieb zustellt und damit von der einstweiligen Verfügung Gebrauch macht.
Der Antrag auf Festsetzung von Ordnungsmitteln unterbrach zwar zunächst die Vollziehungsfrist, war jedoch gem. § 929 Abs. 3 ZPO ohne Wirkung, nachdem der Kl. nicht innerhalb einer Woche eine Zustellung auch der einstweiligen Verfügung veranlasst hatte.
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