Nr. 17 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG (= Nr. 31 des Anhangs zu Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftsparktiken) wird in der Richtlinie unter den aggressiven Geschäftspraktiken geführt. Die Vorschrift lautet in der Richtlinie:
Aggressive Geschäftspraktiken
Erwecken des fälschlichen Eindrucks, der Verbraucher habe bereits einen Preis gewonnen, werde einen Preis gewinnen oder werde durch eine bestimmte Handlung einen Preis oder einen sonstigen Vorteil gewinnen, obwohl:
- es in Wirklichkeit keinen Preis oder sonstigen Vorteil gibt, oder
-
die Möglichkeit des Verbrauchers, Handlungen in Bezug auf die Inanspruchnahme des Preises oder eines sonstigen Vorteils vorzunehmen, in Wirklichkeit von der Zahlung eines Betrags oder der Übernahme von Kosten durch den Verbraucher abhängig gemacht wird.
EuGH, Urt. v. 18.10.2011, C‑428/11, Tz. 49 - Purely Creative Ltd u.a./Office of fair trading
Die in Nr. 31 des Anhangs I der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken genannte Praktik gilt nach der Richtlinie als aggressiv, weil durch die Erwähnung eines Preises die psychologische Wirkung ausgenützt werden soll, die die Aussicht auf einen Gewinn beim Verbraucher hat, und dieser zu einer Entscheidung veranlasst werden soll, die nicht immer rational ist und die er andernfalls nicht getroffen hätte.
Nr. 17 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG ist richtlinienkonform auszulegen. Die Bestimmung verbietet in der Auslegung des EuGH jede Auslobung eines Preises, die für den Verbraucher mit Kosten gleich welcher Art oder Höhe verbunden ist.
EuGH, Urt. v. 18.10.2011, C‑428/11, Tz. 30 - Purely Creative Ltd u.a./Office of fair trading
Nach dem Wortlaut der Nr. 31 stellt es eine unlautere Geschäftspraktik dar, vom Verbraucher die Zahlung eines Betrags oder die Übernahme von Kosten zu verlangen, wenn er eine Handlung in Bezug auf die Inanspruchnahme des Gegenstands vornimmt, der ihm als Preis oder sonstiger Vorteil präsentiert wurde. Diese Bestimmung sieht keinerlei Ausnahme vor, so dass die Formulierung „Übernahme von Kosten“ es offensichtlich nicht zulässt, dem Verbraucher auch noch so geringe Kosten aufzuerlegen, gleich, ob es sich um Kosten handelt, die im Verhältnis zum Wert des Preises geringfügig sind, oder um Kosten, die dem Gewerbetreibenden keinerlei Vorteil bringen, wie die Kosten einer Briefmarke.
In Tz. 42 werden dann auch noch die Kosten eines gewöhnlichen Telefonats erwähnt.
EuGH, Urt. v. 18.10.2011, C‑428/11, Tz. 31, 34 - Purely Creative Ltd u.a./Office of fair trading
Das Verbot, dem Verbraucher auch nur die geringsten Kosten aufzuerlegen, gilt absolut, gleich, ob es um die Kosten einer Briefmarke oder eines gewöhnlichen Telefonats geht.
Eine Irreführung ist nicht erforderlich.
EuGH, Urt. v. 18.10.2011, C‑428/11, Tz. 28, 37 - Purely Creative Ltd u.a./Office of fair trading
28. Aus der Satzstruktur … geht hervor, dass der „fälschliche Eindruck“ kein Merkmal ist, das gegenüber den in den beiden Gedankenstrichen der Nr. 31 des Anhangs I der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken beschriebenen Sachverhalten als eigenständig anzusehen ist. ...
37. Nr. 31 im Anhang I der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken steht unter der Überschrift „Aggressive Geschäftspraktiken“, so dass ein irreführender Charakter der Geschäftspraktik irrelevant ist. Eine aggressive Praktik ist nämlich, …, eine Praktik, die aufgrund ihrer Merkmale einen Verbraucher tatsächlich oder voraussichtlich dazu veranlasst, eine geschäftliche Entscheidung zu treffen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
Im übrigen ist es egal, welche Handlung der Verbraucher vornehmen muss, um möglicherweise an den Preis zu kommen. Es können auch mehrere Handlungsalternativen sein. Die Unlauterkeit entfällt auch dann nicht, wenn eine kostenlose Beteiligung als eine Handlungsalternative angeboten wird
EuGH, Urt. v. 18.10.2011, C‑428/11, Tz. 31, 34 - Purely Creative Ltd u.a./Office of fair trading
Die Formulierung „Handlungen in Bezug auf die Inanspruchnahme des Preises“ ist inhaltlich unscharf und kann u. a. jeden Schritt erfassen, mit dem der Verbraucher sich über die Art seines Preises erkundigt oder diesen entgegennehmen möchte.
Der Vorschlag mehrerer Möglichkeiten kann angesichts der absoluten Geltung des Verbots, Kosten aufzuerlegen, die Unlauterkeit einer Praktik nicht beseitigen, wenn einige dieser Möglichkeiten den Verbraucher zur Übernahme von Kosten verpflichten, auch wenn diese im Verhältnis zum Wert des Preises geringfügig sind.
Zu Informationspflichten bei Gewinnspielen und Preisausschreibungen siehe hier
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