1. Irreführende Werbung und berufswidrige Werbung
Irreführende Werbung und berufswidrige Werbung
BGH, Urt. v. 9.6.2011, I ZR 113/10, Tz. 21 - Zertifizierter Testamentsvollstrecker
Eine Werbung, die gegen § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG verstößt, verlässt den Rahmen berufsrechtlich zulässiger Werbung. Sie verletzt das Sachlichkeitsgebot und ist daher gemäß §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 43b BRAO, § 6 BORA unlauter. Ein auf einen solchen Verstoß gestütztes Unterlassungsgebot stellt keinen unzulässigen Eingriff in die verfassungsrechtlich garantierte Berufsausübungsfreiheit des Beklagten (Art. 12 Abs. 1 GG) dar (vgl. BVerfG, WRP 2001, 1284, 1285 Anwaltswerbung im Internet; GRUR 2003, 965, 966 Anwaltswerbung mit Sporterfolgen).
Werbung mit Titeln
BGH, Urt. v. 9.6.2011, I ZR 113/10, Tz. 12, 16 - Zertifizierter Testamentsvollstrecker
Die Führung eines Zertifikats durch einen Rechtsanwalt begegnet nicht stets wettbewerbsrechtlichen Bedenken. Zum einen hat der Gesetzgeber mit der Einführung der Fachanwaltsbezeichnungen keine abschließende Regelung des Werberechts der Rechtsanwaltschaft getroffen. Hinweise auf zusätzliche Qualifikationen sind dem Rechtsanwalt daher nicht etwa von vornherein versagt. Zum anderen ist eine Irreführung nicht schon deswegen zu bejahen, weil der Begriff der „Zertifizierung“ beim angesprochenen Verkehr eine Fehlvorstellung über eine amtliche Verleihung hervorrufen würde. Als Zertifizierung wird ein Verfahren bezeichnet, mit dessen Hilfe die Einhaltung bestimmter Anforderungen an Produkte oder Dienstleistungen einschließlich der Herstellungsverfahren nachgewiesen werden kann. Zertifizierungen werden von unabhängigen Stellen vergeben und müssen sich nach festgelegten Standards richten. Der Begriff der Zertifizierung besagt nicht, dass sie von einer amtlichen Stelle vergeben worden ist; es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Verkehr dies anders sähe.
Der mit der angegriffenen Bezeichnung konfrontierte Leser wird annehmen, dass die „Zertifizierung“ von der „AGT“ erteilt wurde. Wer sich hinter dieser Abkürzung verbirgt, wird der Durchschnittsverbraucher dagegen nicht erkennen. Er wird auch nicht wissen, dass das Zertifikat allein aufgrund von theoretischen Kenntnissen auf dem Gebiet der Testamentsvollstreckung vergeben wird. Vielmehr wird er annehmen, dass ein „zertifizierter Testamentsvollstrecker“, auch wenn er Rechtsanwalt ist, entsprechend der für viele andere Berufsgruppen erforderlichen Voraussetzungen über praktische Erfahrungen auf dem Gebiet verfügt, auf das sich die Zertifizierung bezieht.
Vergütung
Zur Rechtsanwaltsvergütung finden sich Regelungen in § 49 b BRAO und §§ 4, 4 a RVG.
OLG Hamm, Urt. v. 29.3.2012, 4 U 167/11, Tz. 56 - 58
Die Gebührenregelungen des RVG und insoweit auch § 49b BRAO sind Marktverhaltensregeln im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG, denn sie regeln das Entgelt, zu dem der Rechtsanwalt am Markt tätig wird.
Zu einem 'Schutzbrief', der von einem Rechtsanwalt zu einem monatlichen Preis von 10,- € angeboten wurde und die vorprozessuale, ggfs. auch erstinstanzliche Tätigkeit im Rahmen mutmaßlich wettbewerbsrechtlicher Streitigkeiten abdecken sollte, hat das OLG Hamm ausgeführt:
OLG Hamm, Urt. v. 29.3.2012, 4 U 167/11, Tz. 56 - 58
Das Landgericht hat hierin zu Recht einen Verstoß gegen § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 49 b BRAO gesehen, weil die Werbung die Bereitschaft erkennen lasse, für die prozessuale Tätigkeit des Anwalts die gesetzlichen Gebühren zu unterschreiten, und sie daher unzulässig sei (BGH NJW 2009, 534).
Die Gebührenregelungen des RVG und insoweit auch § 49b BRAO sind Marktverhaltensregeln im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG, denn sie regeln das Entgelt, zu dem der Rechtsanwalt am Markt tätig wird. Das Gebührensystem ist gegenstandsbezogen angelegt. Die Über- oder Unterschreitung ist nur in engen Grenzen zulässig. Wer gesetzliche Gebühren unterschreitet, zieht Kundenströme über den Preis als Entscheidungsparameter auf sich. Aus Sicht des rechtssuchenden Publikums handelt es sich dabei um einen wesentlichen Umstand, anhand dessen der Verkehr unter den vorhandenen Angeboten eine Auswahlentscheidung trifft. Erfolgt die Werbung im Internet, so ist sie wegen der Breitenwirkung dieses Mediums auch spürbar (§ 3 Abs. 1 UWG).
Das Angebot verstößt gegen § 49b BRAO i.V.m. § 4 RVG. Die Werbung stellt in Aussicht, dass der Beklagte gegen Zahlung einer Honorarpauschale tätig werde. Diese Honorarpauschale liegt jedenfalls in der beworbenen Form mit 10 Euro monatlich unter den gesetzlichen Rechtsanwaltsgebühren für beinahe jeden Streitgegenstand, zumal die Monatspauschale nach der Werbung nicht einmal an eine Mindestvertragslaufzeit gekoppelt ist. Auch der Hinweis auf ein Mindesthonorar fehlt (vgl. insoweit LG München Urteil vom 10.02.2011 - 223 C 21648/10 - BeckRS 2011, 16887). Ein Rechtsanwalt darf aber nach § 49b Abs. 1 Satz 1 BRAO keine Gebühren und Auslagen verlangen, welche die gesetzlichen Gebührensätze des RVG unterschreiten. Die Ausnahmefälle des § 4 Abs. 1 RVG sind auf außergerichtliche Verfahren beschränkt, so dass die vom Beklagten verwendete Klausel davon zwar noch profitieren könnte. Doch sieht § 4 Abs. 1 Satz 2 RVG vor, dass auch bei außergerichtlichen Verfahren die Gebühr in einem angemessenen Verhältnis zu Leistung, Verantwortung und Haftungsrisiko des Rechtsanwalts stehen muss. Ob dies der Fall ist, könnte nur beurteilt werden, wenn eine Mindestlaufzeit oder ein Mindesthonorar wenigstens kalkulierbar wären.
Steuerberatung
BGH, Urt. v. 18.10.2012, I ZR 137/11, Tz. 18 - Steuerbüro
Die Vorschrift des § 43 Abs. 4 Satz 2 StBerG findet nach § 43 Abs. 4 Satz 3 StBerG auf Rechtsanwälte keine Anwendung.
Zitiervorschlag zur aktuellen Seite
Omsels, Online-Kommentar zum UWG: