2. Richtlinientext und - konformität
5. Arzneimittel oder auch Verfahren, Behandlungen, Gegenstände oder andere Mittel
7. Beeinträchtigung oder Verbesserung der Gesundheit
8. Werbung für den Gesundheitserhalt oder die Gesundheitsoptimierung
9. Konkrete Gesundheitsgefährdung erforderlich?
10. Angstwerbung für Heilmittel
Gesetzestext
Außerhalb der Fachkreise darf für Arzneimittel, Verfahren, Behandlungen, Gegenstände oder andere Mittel nicht geworben werden
mit Werbeaussagen, die nahelegen, dass die Gesundheit durch die Nichtverwendung des Arzneimittels beeinträchtigt oder durch die Verwendung verbessert werden könnte.
Für Medizinprodukte gilt dies gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 entsprechend.
Richtlinientext und - konformität
§ 11 Abs. 1 Nr. 7 HWG fasst Art. 90 lit. c und lit. d der Richtlinie 2001/83/EG zusammen. Er unterscheidet sich von beiden europäischen Vorgaben nur dadurch, dass dort jeweils auf die normale gute Gesundheit abgestellt wird und nicht nur auf die Gesundheit.
Art. 90 lit. c), lit. d) der Richtlinie 2001/83/EG
Die Öffentlichkeitswerbung für ein Arzneimittel darf keine Elemente enthalten, die
c) nahe legen, dass die normale gute Gesundheit des Patienten durch die Verwendung des Arzneimittels verbessert werden könnte;
d) nahe legen, dass die normale gute Gesundheit des Patienten im Falle der Nichtverwendung des Arzneimittels beeinträchtigt werden könnte; dieses Verbot gilt nicht für Impfkampagnen im Sinne von Artikel 88 Absatz 4;
Historie
Bis zum 25.10.2012 lautete § 11 Abs. 1 Nr. 5 folgendermaßen:
Außerhalb der Fachkreise darf für Arzneimittel, Verfahren, Behandlungen, Gegenstände oder andere Mittel nicht geworben werden
7. mit einer Werbeaussage, die geeignet ist, Angstgefühle hervorzurufen oder auszunutzen.
Dieser Gesetzestext entsprach nicht den Vorgaben der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel.
Der neue § 11 Abs. 1 Nr. 7 HWG hat mit der früheren Fassung nichts gemein (a.A. Reese WRP 2012, 283, 287, der weiterhin von einem Verbot der Angstwerbung ausgeht). Deshalb kann auf die frühere Rechtsprechung zu § 11 Abs. 1 Nr. 7 HWG (alt), also etwa BGH, Urt. v. 22.4.1999, I ZR 159/96, II.2.c - Vital-Kost oder BGH, Urt. v. 12.6.1986, I ZR 52/84 - Angstwerbung) zur Auslegung des § 11 Abs. 1 Nr. 7 HWG (neu) nicht zurückgegriffen werden. Die Angstwerbung für Arzneimittel wird durch die Gesetzesänderung aber nicht erlaubt. Dazu siehe hier.
Schutzzweck
Die Richtlinie 2001/83/EG enthält zur Auslegung ihres Art. 90 lit. c und lit. d keine weiteren Angaben. Dem Wortlaut nach geht es darum, dass gesunden Menschen nicht suggeriert werden soll, dass es ihnen durch die Einnahme eines konkreten Arzneimittels (oder im deutschen Recht weitergehend: Heilmittels) besser gehe als ohne. Dementsprechend sind Schutzsubjekte der Norm nach dem Wortlaut der Richtlinie Personen mit einer normalen guten Gesundheit. Sie sollen als Gesunde nicht zum Arzneimittelgebrauch angeregt werden.
Arzneimittel oder auch Verfahren, Behandlungen, Gegenstände oder andere Mittel
Die Formulierung des Verbotstatbestands gibt Rätsel auf. Während es einleitend heißt dass für Arzneimittel, Verfahren, Behandlungen, Gegenstände oder andere Mittel außerhalb der Fachkreise nicht geworben werden darf, wird im zweiten Teil nur noch auf die Anwendung oder Nichtanwendung "des Arzneimittels" abgestellt. Diese Formulierung geht darauf zurück, dass der Gesetzgeber das HWG an die Richtlinie 2001/83/EG anpassen wollte, die nur für Humanarzneimittel gilt. Der Gesetzgeber lässt den Rechtsanwender damit allerdings mit der Frage zurück, ob die Verbotsnorm für Verfahren, Behandlungen, Gegenstände und andere Mittel entsprechend gelten soll, also eigentlich lauten sollte:
Außerhalb der Fachkreise darf für Arzneimittel, Verfahren, Behandlungen, Gegenstände oder andere Mittel nicht geworben werden
mit Werbeaussagen, die nahelegen, dass die Gesundheit durch die Nichtverwendung des Arzneimittels, Verfahrens, der Behandlungen, Gegenstände oder anderen Mitteln beeinträchtigt oder durch die Verwendung verbessert werden könnte.
Dafür sprechen zwei Gründe:
Zunächst wollte der Gesetzgeber am HWG sowenig wie möglich ändern und die Heilmittelwerbung nicht weiter liberalisieren, als dies vom europäischen Recht gefordert wurde. Es war nicht beabsichtigt, die Werbung für andere Heilmittel als Arzneimittel frei zu stellen.
Zum anderen verweist § 11 Abs. 1 S. 2 HWG für Medizinprodukte u.a. auch auf § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 HWG. § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 HWG soll also auch für Medizinprodukte gelten soll, für die ansonsten einige Verbote der Publikumswerbung nicht gelten. Dadurch werden Medizinprodukte gegenüber anderen Heilmitteln privilegiert. Würde § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 HWG für die anderen im einleitenden Halbsatz erwähnten Heilmittel nicht gelten, träte aber der gegenteilige Effekt ein.
Fazit: § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 HWG gilt im zweiten Halbsatz für Verfahren, Behandlungen, Gegenstände oder andere Mittel entsprechend. Wegen des strafrechtlichen Analogieverbots gilt dies aber nicht, soweit ein Verstoß gegen § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 HWG nach § 15 Abs. 1 Nr. 8 HWG als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden soll.
Gesundheit
Der Begriff der Gesundheit wird in der Richtlinie 2001/83/EG und im HWG nicht näher bestimmt. Gesundheit ist der Normalzustand beim Menschen und definiert sich als Abwesenheit von Krankheit als Störung der Funktion eines Organs, der Psyche oder des gesamten Organismus, die der Betroffene sich nicht lediglich einbildet.
BGH, Urt. v. 26.9.2002, I ZR 101/00, II.1 – Anlagebedingter Haarausfall
Eine Krankheit liegt vor, wenn eine auch nur unerhebliche oder vorübergehende Störung der normalen Beschaffenheit oder der normalen Tätigkeit des Körpers besteht, die geheilt werden kann.
Vgl. auch BGH, Urt. v. 2.10.1997, I ZR 94/95 - Lebertran I (GRUR 1998, 961, 962 = WRP 1998, 312)
Beeinträchtigung oder Verbesserung der Gesundheit
Die Beeinträchtigung der Gesundheit ist die Entwicklung eines Organs, der Psyche oder des Gesamtorganismus hin zu einem krankhaften Zustand.
Eine Verbesserung der Gesundheit ist im strengen Sinne nicht möglich, da eine Abwesenheit von Krankheit nicht durch noch weniger Krankheit optimiert werden kann. Die Formulierung 'normale gute Gesundheit' in Art. 90 lit. c und lit. d der Richtlinie 2001/83/EG mag allenfalls darauf hinweisen, dass kleine Beeinträchtigungen im Gesundheitszustand noch als normal und gesund gelten, wenn es der Person gesundheitlich auch noch besser gehen könnte.
Reese (WRP 2012, 283, 287 f) will die 1. Tabestandsalternative des § 11 Abs. 1 Nr. 7 HWG nicht wörtlich auslegen. Der Anwendungsbereich solle auf werbliche Darstellungen beschränkt werden, in denen unter Hinweis auf ansonsten drohende Beeinträchtigungen eine präventive Einnahme von Arzneimitteln nahegelegt wird, obwohl hierfür keine sachliche Veranlassung bestehe. Erfasst würden hiervon im Wesentlichen Werbeaussagen, die den Eindruck erwecken, dass es zum Erhalt der Gesundheit der Einnahme eines präventiv wirkenden Arzneimittels bedürfte, obwohl es hierfür tatsächlich an einer entsprechenden Indikation fehle. Aus dem Wortlaut der Richtlinie ergibt sich das nicht. Wegen der exklusiven Auslegungskompetenz des EuGH wird der Anwendungsbereich der Bestimmung durch den EuGH festgelegt werden müssen.
Werbung für den Gesundheitserhalt oder die Gesundheitsoptimierung
Ein gesunder Mensch ist gesund und soll nicht mit Arznei- oder sonstigen Heilmitteln behandelt werden. Die Heilmittelwerbung darf deshalb nicht nahelegen, dass es dem Gesunden schlechter gehen werde, wenn er ein bestimmten Heilmittel nicht nutzt, oder das es ihm noch besser geht, wenn er es nutzt.
Der Anwendungsbereich der Verbotsnorm ist recht weit. Er betrifft einerseits die
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Werbung für Heilmittel, die der Prophylaxe und Krankheitsprävention dienen, andererseits
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Werbung für Arzneimittel, die einen besseren körperlichen Allgemeinzustand versprechen.
Wie weit der Anwendungsbereich der Vorschrift reicht, hängt auch davon ab, wo die Grenzlinie zwischen Gesundheit und Krankheit verläuft. Soweit das Heilmittel lediglich der Behebung von Symptomen dient, die nicht als krankhaft oder einer Krankheit zugehörig aufgefasst werden, wird die Werbung dafür schwierig.
Konkrete Gesundheitsgefährdung erforderlich?
Für § 11 Abs. 1 Nr. 4 HWG (a.F.) und § 11 Abs. 1 Nr. 4 HWG (a.F.) hat der BGH in der Vergangenheit gefordert, dass ein Verstoß eine konkrete Gesundheitsgefährdung voraussetze, da die Verbotsnormen in die Berufungsfreiheit des Werbenden eingreife und das Verbot deshalb mit dem Grundrecht aus Art. 12 GG abgewogen werden müsse BGH, Urt. v. 1.3.2007, I ZR 51/04 - Krankenhauswerbung; BGH, Urt. v. 6.5.2004, I ZR 265/01 – Lebertrankapseln; s.a. BVerfG, Beschl. v. 7.8.2000, 1 BvR 254/99).
Zuletzt hat der BGH offen gelassen, ob auf deutsches Verfassungsrecht überhaupt zurückgegriffen werden könne, soweit die gesetzliche Regelung auf einer verbindlichen europäischen Vorgabe beruhe. Maßgeblich dürften tatsächlich die europäischen Grundrechte sein (BGH, Urt. v. 28.9.2011, I ZR 96/10, Tz. 38 ff – INJECTIO).
In derselben Entscheidung hat der BGH auch ausgeführt, dass es nicht bei jedem Verbotstatbestands des HWG einer Prüfung bedürfe, ob dadurch eine konkrete Gesundheitsgefährdung eintrete. Diese Frage stellt sich zwar nicht mehr im Anwendungsbereich der Richtlinie 2001/83/EG, d.h. bei Arzneimitteln, jedoch bei den übrigen Verfahren, Behandlungen, Gegenstände oder andere Mittel, für die Richtlinie nicht gilt und alleine deutsches Recht maßgeblich ist.
Es bleibt somit Aufgabe der Rechtsprechung herauszuarbeiten, in welchen Fällen eines Werbeverbots für Verfahren, Behandlungen, Gegenstände oder andere Mittel eine konkrete Gesundheitsgefährdung erforderlich ist.
Angstwerbung für Heilmittel
§ 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 HWG (alt) verbot bis zum 25.10.2012 die Heilmittelwerbung "mit einer Werbeaussage, die geeignet ist, Angstgefühle hervorzurufen oder auszunutzen". Die Streichung von § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 HWG (alt) führt aber nicht dazu, dass Angstwerbung für Heilmittel nunmehr erlaubt ist. Sie fällt nunmehr in den Anwendungsbereich des § 4a UWG. Die Vorschriften des UWG finden gemäß § 17 HWG auf die Heilmittelwerbung ergänzend Anwendung.
Impfkampagnen
Das Verbot der Werbung mit einer Angabe, derzufolge die Gesundheit durch den Konsum des Arzneimittels verbessert werden kann, gilt nicht für Impfkampagnen gem. Art. 88 Abs. 4 der Richtlinie 2001/83/EG. Es handelt sich dabei um "von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten genehmigte Impfkampagnen der Industrie". Eine Aufnahme dieser Einschränkung in das HWG war nicht erforderlich, weil es in Deutschland keine entsprechenden Impfkampagnen gibt.
Zitiervorschlag zur aktuellen Seite
Omsels, Online-Kommentar zum UWG: