4. Frei verkäufliche Arzneimittel
5. Irreführung bei anderen Produkten als Heilmitteln
Gesetzeswortlaut
"Bei einer Werbung außerhalb der Fachkreise ist der Text "Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker" gut lesbar und von den übrigen Werbeaussagen deutlich abgesetzt und abgegrenzt anzugeben. Bei einer Werbung für Heilwässer tritt an die Stelle der Angabe "die Packungsbeilage" die Angabe "das Etikett" und bei einer Werbung für Tierarzneimittel an die Stelle "Ihren Arzt" die Angabe "den Tierarzt". Die Angaben nach Absatz 1 Nr. 1, 3, 5 und 6 können entfallen. Satz 1 findet keine Anwendung auf Arzneimittel, die für den Verkehr außerhalb der Apotheken freigegeben sind, es sei denn, daß in der Packungsbeilage oder auf dem Behältnis Nebenwirkungen oder sonstige Risiken angegeben sind."
Geltungsbereich des Gebots
Die Verpflichtung zur Angabe der Pflichtangaben gemäß § 4 Abs. 1 HWG besteht uneinheschränkt in der Werbung gegenüber Fachkreisen.
In der Publikumswerbung wird die Verpflichtung weitgehend durch den Pflichthinweis
"Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage
und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker"
ersetzt. Daneben müssen nur noch angegeben werden:
- die Bezeichnung (§ 4 Abs. 1 Nr. 2)
- die Anwendungsgebiete (§ 4 Abs. 1 Nr. 4) und
- die Warnhinweise (§ 4 Abs. 1 Nr. 7).
BGH, Urt. v. 26.3.2009, I ZR 213/06 – Festbetragsfestsetzung
Das Gebot zur Angabe des Pflichthinweistextes nach § 4 Abs. 3 Satz 1 HWG gilt auch dann, wenn abweichend von § 10 Abs. 1 HWG die Werbung für ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel außerhalb der Fachkreise ausnahmsweise erlaubt ist.
Richtlinienkonformität
BGH, Urt. v. 9.10.2008, I ZR 100/04, Tz. 13 - Schoenenberger Artischockensaft
Art. 89 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG führt nicht abschließend auf, welche Angaben die Öffentlichkeitswerbung für ein Arzneimittel enthalten muss. Er lässt den Mitgliedstaaten insoweit einen Spielraum (EuGH, Urt. v. 8.11.2007, C-374/05, Tz. 22 - Gintec). Die Vereinbarkeit des in § 4 Abs. 3 HWG geregelten Pflichtangabengebots mit dem Gemeinschaftsrecht ist daher allein an den Bestimmungen des EG-Vertrags über den freien Warenverkehr und insbesondere an den Art. 28 AEUV und Art. 30 AEUV zu messen.
BGH, Urt. v. 9.10.2008, I ZR 100/04, Tz. 22 - Schoenenberger Artischockensaft
§ 4 Abs. 3 HWG enthält keine personenbezogene, sondern eine gegenstandsbezogene Regelung, die gleichermaßen auch für Apotheker gilt. Es kommt hinzu, dass die hier interessierende Bestimmung des § 4 Abs. 3 Satz 4 HWG a.E. die Hinweispflicht bei freiverkäuflichen Arzneimitteln daran knüpft, dass in der Packungsbeilage oder auf dem Behältnis Nebenwirkungen oder sonstige Risiken angegeben sind. Im Blick auf das bei solchen Mitteln gegebene Gesundheitsrisiko stellt sich die Verpflichtung zur Angabe des Hinweises auf die Packungsbeilage und die Möglichkeit einer Beratung durch sachkundige Personen als angemessen dar.
Frei verkäufliche Arzneimittel
Die Pflicht zur Angabe des Pflichthinweises entfällt bei einer Werbung für frei verkäufliche Arzneimittel. Von dieser Ausnahme besteht wiederum eine Ausnahme, wenn in der Packungsbeilage oder auf dem Behältnis des Arzneimittels Nebenwirkungen oder sonstige Risiken angegeben sind.
Irreführung bei anderen Produkten als Heilmitteln
OLG Dresden, Urt. v. 15.1.2019, 14 U 941/18, II.1 (WRP 2019, 636)
Ein gesetzliches Verbot, den Hinweis … auf Nahrungsergänzungsmittel oder medizinische Kosmetikprodukte anzubringen, liegt in § 4 Abs. 3 S. 1 HWG nicht. Allerdings kann der angesprochene Verkehr durch den Hinweis irregeführt werden im Sinne von § 5 Abs. 1 S. 1, 2 Nr. 1 UWG. ...
Die angesprochenen Interessenten, zu denen auch die Mitglieder des Senats gehören, verbinden mit dem Hinweis, wenn er ihnen nach dem Gesamteindruck der Internet-Werbung begegnet, die Vorstellung, die beworbenen Produkte bedürften aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften eines solchen Hinweises. Auf eine genaue Vorstellung des Verkehrs von solchen Eigenschaften und Merkmalen kommt es dabei nicht an; auch nicht näher konkretisierte Qualitätserwartungen oder unpräzise Vorstellungen über die Wirkungen des Erzeugnisses sind geschützt (BGH GRUR 1967, 362, 369 – Spezialsalz I; Ohly/Sosnitza, UWG, 7. Aufl. 2016, § 5 Rn. 160).
Hierzu gehört beispielsweise eine erhöhte Wirksamkeit. So nimmt der Interessent beim Produkt „x“ aufgrund des Warnhinweises an, die beworbene Wirkung, Erschöpfungszustände zu lindern, sei besonders ausgeprägt, so dass vor Risiken und Nebenwirkungen gewarnt und hierüber aufgeklärt werden müsse. Dem in der angegriffenen Werbung als medizinisches Körperpflegeprodukt bezeichneten Erzeugnis „y“ schreibt der Interessent aufgrund des Warnhinweises eine erhöhte Effizienz bei der Reduzierung von Pigmentstörungen durch die Wirkung auf die Melaninproduktion zu. Die Magnesium- und Vitamin E-Kapseln beugen nach Vorstellung des Interessenten besonders wirksam Mangelerscheinungen vor und schützen die Zellmembran besonders intensiv gegen Freie Radikale, möglicherweise auch aufgrund ihrer Dosierung.