Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 

Täuschung

§ 20 KosmetikV

BGH, Urt. v. 28.1.2016, I ZR 36/14, Tz. 10f – Feuchtigkeitsspendendes Gel-Reservoir

Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 LFGB ist es verboten, kosmetische Mittel unter irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung gewerbsmäßig in den Verkehr zu bringen oder für kosmetische Mittel allgemein oder im Einzelfall mit irreführenden Darstellungen oder sonstigen Aussagen zu werben. Eine Irreführung liegt nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LFGB vor, wenn einem kosmetischen Mittel Wirkungen beigelegt werden, die ihm nach den Erkenntnissen der Wissenschaft nicht zukommen (Fall 1) oder die wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert sind (Fall 2).

Seit dem 11. Juli 2013 dürfen nach Art. 20 Abs. 1 Kosmetik-Verordnung bei der Kennzeichnung, der Bereitstellung auf dem Markt und der Werbung für kosmetische Mittel keine Texte, Bezeichnungen, Warenzeichen, Abbildungen und andere bildhafte oder nicht bildhafte Zeichen verwendet werden, die Merkmale oder Funktionen vortäuschen, die die betreffenden Erzeugnisse nicht besitzen. Diese Bestimmung stellt ebenso eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG aF und § 3a UWG nF dar wie die in § 27 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 LFGB enthaltene Regelung (vgl. dazu Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 4 Rn. 11.132 und 11.136; MünchKomm.UWG/Schaffert, 2. Aufl., § 4 Nr. 11 Rn. 226 und 276 f., jeweils mwN).

KG, Urt. v. 4.5.2021, 5 U 126/19, Tz. 123

Art. 20 Abs. 1 KosmetikVO stellt eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG dar (BGH, Urt. v. 28.01.2016 – I ZR 36/14 –, Rn. 11, juris – Feuchtigkeitsspendendes Gel-Reservoir).

Ebenso OLG Frankfurt, Urt. v. 8.10.2021, 6 W 83/21, II.4.a; OLG Koblenz, Urt. v. 20.7.2022, 9 U 490/22 (MD 2022, 947)

BGH, Urt. v. 28.1.2016, I ZR 36/14, Tz. 12 – Feuchtigkeitsspendendes Gel-Reservoir

Da es sich bei Art. 20 Abs. 1 Kosmetik-Verordnung um eine Rechtsvorschrift der Union handelt, die - jedenfalls in ihrem Zusammenwirken mit der auf der Grundlage des Art. 20 Abs. 2 Kosmetik-Verordnung ergangenen Verordnung (EU) Nr. 655/2013 zur Festlegung gemeinsamer Kriterien zur Begründung von Werbeaussagen im Zusammenhang mit kosmetischen Mitteln - einen besonderen Aspekt unlauterer Geschäftspraktiken regelt, geht sie gemäß Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken der in Art. 6 dieser Richtlinie enthaltenen und in § 5 UWG in deutsches Recht umgesetzten Regelung über irreführende Handlungen vor. Dasselbe gilt für die der Umsetzung des Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 76/768/EWG in der durch die Richtlinie 88/667/EWG geänderten Fassung in deutsches Recht dienende Vorschrift des § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LFGB, bei deren Auslegung Art. 7a Abs. 1 der Richtlinie 76/768/EWG in der durch Art. 1 Nr. 12 der Richtlinie 93/35/EWG zur sechsten Änderung der Richtlinie 76/768/EWG ergänzten Fassung zu berücksichtigen war. Seit der Ablösung der Richtlinie 76/768/EWG durch die Kosmetik- Verordnung mit Wirkung vom 11. Juli 2013 sind nunmehr Art. 20 Abs. 1 und 2 Kosmetik-Verordnung und die Verordnung (EG) Nr. 655/2013 einschlägig.

OLG Frankfurt, Urt. v. 8.10.2021, 6 W 83/21, II.4.b

Art. 20 Abs. 1 KosmetikVO verbietet die Vortäuschung von Merkmalen und Funktionen kosmetischer Mittel bei der Kennzeichnung, der Bereitstellung auf dem Markt und der Werbung. Trotz der einzelnen Tatbestandsmerkmale ist davon auszugehen, dass mit dieser Vorschrift generell jede täuschende - d.h. irreführende - Angabe für kosmetische Mittel verboten werden soll. Deshalb ist auch davon auszugehen, dass die einzelnen Tatbestandsmerkmale sich ergänzen und deshalb lediglich beispielhaft aufgeführt sind. Es entspricht einem Grundanliegen des Rechts der Union, allerdings vorgegeben durch das viel ältere Recht der meisten Mitgliedstaaten, die Irreführung auszuschließen, soweit sie für die Adressaten von Angaben relevant sind (Zipfel/Rathke LebensmittelR/Rathke, 179. EL März 2021, VO (EG) 1223/2009 Art. 20 Rn 2).

Bei der Anwendung des Begriffes „irreführend“ ist auf die angesprochenen Verkehrskreise abzustellen. Dazu gehören insbesondere die Verbraucher, einschließlich der Gewerbetreibenden, die kosmetische Mittel verbrauchen, z.B. Friseure und Kosmetikerinnen. Auch bei kosmetischen Mitteln werden die Abnehmerkreise mit den Angaben und sonstigen Aussagen über ein kosmetisches Mittel oft bestimmte Vorstellungen verbinden. Die Angaben müssen deshalb so eindeutig sein, dass unzutreffende Vorstellungen nicht erweckt werden können. Dabei müssen gegebenenfalls auch die Kreise der Adressaten berücksichtigt werden, an die sich Kennzeichnung und Werbung gegebenenfalls richten.

Beispiele:

"Dermatologisch empfohlen" für ein Haarpflegeprodukt OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.11.2011, I-20 U 110/11

"Beseitigt Plaquebakterien" OLG Frankfurt, Urt. v. 8.10.2021, 6 W 83/21, II.4.c

BGH, Urt. v. 28.1.2016, I ZR 36/14, Tz. 14 - 16 – Feuchtigkeitsspendendes Gel-Reservoir

Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass das Mittel der Beklagten die ihm in der beanstandeten Werbung zugeschriebene Wirkung aufweist, liegt bei der Beklagten.

Bei der Auslegung des § 27 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 LFGB war zu berücksichtigen, dass der Hersteller eines kosmetischen Mittels nach Art. 7a Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 76/768/EWG in der durch Art. 1 Nr. 12 der Richtlinie 93/35/EWG ergänzten Fassung sicherzustellen hatte, dass den zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats der Nachweis der für das Mittel angepriesenen Wirkung leicht zugänglich war, wenn dies aufgrund der Beschaffenheit oder der angepriesenen Wirkung gerechtfertigt war. Aus dieser Regelung folgte, dass den Werbenden die Verantwortung für die Richtigkeit seiner Wirkungsaussage traf und er diese daher im Streitfall zu beweisen hatte (BGH, Urt. v. 21.1.2010, I ZR 23/07, Tz. 17 - Vorbeugen mit Coffein!).

Nach Art. 20 Abs. 1 Kosmetik-Verordnung liegt die Darlegungslast wie auch die Beweislast dafür, dass einem kosmetischen Mittel Merkmale oder Funktionen fehlen, über die es nach seiner Aufmachung oder nach der dafür betriebenen Werbung verfügen soll, grundsätzlich bei demjenigen, der dies geltend macht, und daher vorliegend bei der Klägerin. Abweichendes gilt, wenn der mit der Werbung angesprochene Durchschnittsverbraucher die Werbung dahin versteht, dass die Wirksamkeit des Mittels wissenschaftlich abgesichert ist.

KG, Urt. v. 4.5.2021, 5 U 126/19, Tz. 125

Zu den “Merkmalen oder Funktionen“ eines Mittels zählen auch die Wirkungen. Über diese werden die angesprochenen Verbraucher auf der Grundlage der angegriffenen Werbeaussagen in die Irre geführt. Nach Art. 20 Abs. 1 Kosmetik-Verordnung liegt die Darlegungslast wie auch die Beweislast dafür, dass einem kosmetischen Mittel Merkmale oder Funktionen fehlen, über die es nach seiner Aufmachung oder nach der dafür betriebenen Werbung verfügen soll, zwar grundsätzlich bei demjenigen, der dies geltend macht. Abweichendes gilt aber, wenn der mit der Werbung angesprochene Durchschnittsverbraucher die Werbung dahin versteht, dass die Wirksamkeit des Mittels wissenschaftlich abgesichert ist (BGH, Urt. v. 28.01.2016 – I ZR 36/14 –, Rn. 16, juris – Feuchtigkeitsspendendes Gel-Reservoir).

Ebenso OLG Frankfurt, Urt. v. 8.10.2021, 6 W 83/21, II.4.c

OLG Koblenz, Urt. v. 20.7.2022, 9 U 490/22 (MD 2022, 947)

Werbeaussagen über kosmetische Mittel müssen (lediglich) durch hinreichende und überprüfbare Nachweise belegt werden, wobei neben Sachverständigengutachten auch andere Arten von Nachweisen herangezogen werden können, sofern diese Nachweise den Stand der Technik berücksichtigen (BGH, Urt. v. 28.01.2016 - I ZR 36/14, Tz. 19). Da die Beweiskraft der Nachweise bzw. Belege mit der Art der getätigten Werbeaussage in Einklang stehen muss, gelten für Aussagen, bei denen eine fehlende Wirksamkeit ein Sicherheitsproblem verursachen könnte, höhere Beweisanforderungen als für Werbeaussagen, bei denen dies nicht der Fall ist (BGH, a.a.O.). Im Interesse des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung gilt für Angaben mit fachlichen Aussagen auf dem Gebiet der gesundheitsbezogenen Werbung, dass die Werbung nur zulässig ist, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht. Danach ist es irreführend, wenn eine Werbeaussage auf Studien gestützt wird, die diese Aussage nicht tragen (BGH, Urt. v. 06.02.2013 - I ZR 62/11, GRUR 2013, 649, Rdnr. 16 f. = WRP 2013, 772 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil; BGH, Urt. v. 07.05.2015 - I ZR 29/14, juris, Rdnr. 16).

Verordnung (EU) Nr. 655/2013 zur Festlegung gemeinsamer Kriterien zur Begründung von Werbeaussagen im Zusammenhang mit kosmetischen Mitteln

 

BGH, Urt. v. 28.1.2016, I ZR 36/14, Tz. 12 – Feuchtigkeitsspendendes Gel-Reservoir

Da es sich bei Art. 20 Abs. 1 Kosmetik-Verordnung um eine Rechtsvorschrift der Union handelt, die - jedenfalls in ihrem Zusammenwirken mit der auf der Grundlage des Art. 20 Abs. 2 Kosmetik-Verordnung ergangenen Verordnung (EU) Nr. 655/2013 zur Festlegung gemeinsamer Kriterien zur Begründung von Werbeaussagen im Zusammenhang mit kosmetischen Mitteln - einen besonderen Aspekt unlauterer Geschäftspraktiken regelt, geht sie gemäß Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken der in Art. 6 dieser Richtlinie enthaltenen und in § 5 UWG in deutsches Recht umgesetzten Regelung über irreführende Handlungen vor. Dasselbe gilt für die der Umsetzung des Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 76/768/EWG in der durch die Richtlinie 88/667/EWG geänderten Fassung in deutsches Recht dienende Vorschrift des § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LFGB, bei deren Auslegung Art. 7a Abs. 1 der Richtlinie 76/768/EWG in der durch Art. 1 Nr. 12 der Richtlinie 93/35/EWG zur sechsten Änderung der Richtlinie 76/768/EWG ergänzten Fassung zu berücksichtigen war. Seit der Ablösung der Richtlinie 76/768/EWG durch die Kosmetik- Verordnung mit Wirkung vom 11. Juli 2013 sind nunmehr Art. 20 Abs. 1 und 2 Kosmetik-Verordnung und die Verordnung (EG) Nr. 655/2013 einschlägig.

KG, Urt. v. 4.5.2021, 5 U 126/19, Tz. 126

Sämtliche Aussagen sind jedoch auch deshalb unzulässig, weil die Beklagte den Anforderungen von Nummer 3 des Anhangs der Verordnung (EU) Nr. 655/2013 nicht gerecht wird. Danach müssen Werbeaussagen über kosmetische Mittel durch hinreichende und überprüfbare Nachweise belegt werden, die den Stand der Technik berücksichtigen (Nrn. 1 und 2), und müssen als Nachweis herangezogene Studien für das Produkt und den behaupteten Nutzen relevant sein, auf einwandfrei entwickelten und angewandten Methoden basieren und ethischen Erwägungen Rechnung tragen (Nr. 3); außerdem muss die Beweiskraft der Nachweise und Belege mit der Art der getätigten Werbeaussage in Einklang stehen (Nr. 4). Diese Kriterien setzen ersichtlich durchweg voraus, dass der Werbende in der Lage sein muss, die Richtigkeit seiner Behauptungen zu belegen (BGH, Urt. v. 28.01.2016 – I ZR 36/14 –, Rn. 17, juris – Feuchtigkeitsspendendes Gel-Reservoir).

Zu § 27 Abs. 1 LFGB (a.F.): 

BGH, Urt. v. 21. 1. 2010, I ZR 23/07, Tz. 9 f – Vorbeugen mit Coffein

Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 LFGB ist es verboten, kosmetische Mittel unter irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung gewerbsmäßig in den Verkehr zu bringen oder für kosmetische Mittel allgemein oder im Einzelfall mit irreführenden Darstellungen oder sonstigen Aussagen zu werben. Nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LFGB liegt eine Irreführung insbesondere dann vor, wenn einem kosmetischen Mittel Wirkungen beigelegt werden, die ihm nach den Erkenntnissen der Wissenschaft nicht zukommen oder die wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert sind. Eine Werbeaussage, die inhaltlich zutrifft, ist nicht irreführend i.S. von § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LFGB.

Die Vorschrift des § 27 Abs. 1 Satz 2 LFGB enthält keine Erweiterung, sondern lediglich eine der Konkretisierung dienende Erläuterung des Irreführungsverbots in § 27 Abs. 1 Satz 1 LFGB. Die Vorschrift des § 27 Abs. 1 Satz 2 LFGB enthält lediglich nicht abschließende Regelbeispiele des in Satz 1 geregelten Irreführungsverbots.

OLG Saarbrücken, Urt. v.4.4.2012, 1 U 338/11, II.2.a

Aus § 27 Abs. 1 Nr. 1 LFGB ergibt sich im Umkehrschluss, dass durchaus mit den Wirkungen eines Kosmetikums geworben werden darf. Dies darf jedoch nicht in einer Weise geschehen, die über die Begriffsmerkmale des § 2 Abs. 5 LFGB irreführt.