Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 

§ 5 LFGB

§ 5 Verbote zum Schutz der Gesundheit

(1) Es ist verboten, Lebensmittel für andere derart herzustellen oder zu behandeln, dass ihr Verzehr gesundheitsschädlich im Sinne des Artikels 14 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 ist. Unberührt bleiben

1. das Verbot des Artikels 14 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 über das Inverkehrbringen gesundheitsschädlicher Lebensmittel und

2. Regelungen in Rechtsverordnungen aufgrund des § 13 Absatz 1 Nummer 3 und 4, soweit sie für den privaten häuslichen Bereich gelten.

(2) Es ist ferner verboten,

1. Stoffe, die keine Lebensmittel sind und deren Verzehr gesundheitsschädlich im Sinne des Artikels 14 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 ist, als Lebensmittel in den Verkehr zu bringen,

2. mit Lebensmitteln verwechselbare Produkte für andere herzustellen, zu behandeln oder in den Verkehr zu bringen.

OVG Magdeburg, Urt. v. 23.9.2022, 3 M 64/22, Tz. 3

Mit Lebensmitteln im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 2 LFGB verwechselbare Produkte werden in § 3 Abs. 1 Nr. 5 LFGB als Produkte legaldefiniert, die zwar keine Lebensmittel sind, bei denen jedoch aufgrund ihrer Form, ihres Geruchs, ihrer Farbe, ihres Aussehens, ihrer Aufmachung, ihrer Kennzeichnung, ihres Volumens oder ihrer Größe vorhersehbar ist, dass sie von den Endverbrauchern, insbesondere von Kindern, mit Lebensmitteln verwechselt werden und deshalb zum Mund geführt, gelutscht oder geschluckt werden, wodurch insbesondere die Gefahr des Erstickens, der Vergiftung, der Perforation oder des Verschlusses des Verdauungskanals entstehen kann.

OLG Koblenz, Urt. v. 8.2.2024, 9 U 1850/22, Tz. 34 (WRP 2024, 606)

Nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 LFGB ist es verboten, mit Lebensmitteln verwechselbare Produkte für andere herzustellen, zu behandeln oder in den Verkehr zu bringen. Als solche sind nach § 3 Abs. 1 Nr. 5 LFGB Produkte zu verstehen, die zwar keine Lebensmittel sind, bei denen jedoch aufgrund ihrer Form, ihres Geruchs, ihrer Farbe, ihres Aussehens, ihrer Aufmachung, ihrer Kennzeichnung, ihres Volumens oder ihrer Größe vorhersehbar ist, dass sie von den Endverbrauchern, insbesondere von Kindern, mit Lebensmitteln verwechselt werden und deshalb zum Mund geführt, gelutscht oder geschluckt werden, wodurch insbesondere die Gefahr des Erstickens, der Vergiftung, der Perforation oder des Verschlusses des Verdauungskanals entstehen kann.

OLG Koblenz, Urt. v. 8.2.2024, 9 U 1850/22, Tz. 43 (WRP 2024, 606)

Kumulativ muss hierbei erfüllt sein, dass vorhersehbar ist, dass das Produkt auf Grund seiner äußeren Erscheinung mit Lebensmitteln verwechselt wird, dass es deshalb, also wegen dieser Verwechslung von dem Verbraucher zum Munde geführt, gelutscht oder geschluckt werden und dass infolgedessen die Gefahr des Erstickens, der Vergiftung, der Perforation oder des Verschlusses des Verdauungskanals entstehen kann (Sosnitza/Meisterernst LebensmittelR/Rathke, 185. EL Dezember 2022, LFGB § 3 Rn. 34). Maßgebend ist insoweit nicht die allgemeine Verkehrsauffassung, sondern die Verkehrsauffassung gefährdeter Verkehrskreise, nach dem Wortlaut und dem Schutzzweck insbesondere der Eindruck, der auf Grund der äußeren Erscheinung bei Kindern entsteht. Zu berücksichtigen ist deshalb auch das Erkenntnisvermögen kleiner und kleinster Kinder, wenn damit gerechnet werden muss, dass sie das Erzeugnis ergreifen können. Wie Pralinen geformte Gegenstände, die von Erwachsenen als Scherzartikel erkannt werden, sind deshalb mit Lebensmitteln verwechselbar, wenn kleine Kinder sie für echte Pralinen halten (und ergreifen) können (vgl. insgesamt Sosnitza/Meisterernst LebensmittelR/Rathke, 185. EL Dezember 2022, LFGB § 3 Rn. 36). Vorherzusehen ist im Übrigen jeder Gebrauch, der so häufig vorkommt, dass mit ihm gerechnet werden muss (RGSt. 37, 276; BayObLG LRE 4, 309; AG Saarbrücken, LRE 16, 388). Nicht vorhersehbar ist ein mutwilliger, bewusst missbräuchlicher oder ungewöhnlich leichtfertiger Gebrauch. Das Verschlucken von Spielzeug durch Kinder ist ein vorauszusehender Gebrauch (OLG Koblenz, LRE 12, 116, 117, Pitz, LMuR 2015, 42). Ebenso nicht vorhersehbar ist es, dass Kinder den Inhalt einer Spraydose mit Duftstoffen, auf der neben nicht auf Lebensmittel hinweisenden Merkmalen auch Früchte und Gemüse abgebildet sind, mit Lebensmittel verwechseln (Sosnitza/Meisterernst LebensmittelR/Rathke, 185. EL Dezember 2022, LFGB § 3 Rn. 37; OLG Zweibrücken LMRR 2002, 79). Für die Bewertung der Vorhersehbarkeit ist eine Abwägung aller Kriterien des § 5 Abs. 2 Nr. 2 LFGB erforderlich, sodass die Vorhersehbarkeit z.B. verneint werden kann, wenn ein Verzehr durch nicht lesekundige Kleinkinder unwahrscheinlich ist, weil davon ausgegangen werden kann, dass die Eltern das Erzeugnis verschlossen aufbewahren (Sosnitza/Meisterernst LebensmittelR/Rathke, 185. EL Dezember 2022, LFGB § 3 Rn. 37).

OVG Magdeburg, Urt. v. 23.9.2022, 3 M 64/22, Tz. 4

Für die Beurteilung der Verwechselungsgefahr kommt es auf die Verkehrsauffassung an, wobei maßgeblich die Perspektive der gefährdeten Verkehrskreise ist, d. h. insbesondere der Eindruck, der aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes des Produktes bei Kindern entsteht, da der Gesetzgeber ihnen eine besondere Schutzbedürftigkeit zuerkannt hat. Hierbei ist auch das Erkenntnisvermögen kleiner und kleinster Kinder zu berücksichtigen, die die in einem harmlos oder sogar verlockend wirkenden Produkt steckenden Gefahren noch nicht zutreffend einschätzen können (vgl. BayVGH, Beschl. v. 23.11.2004, 25 CS 03.717 - juris Rn. 5).

OVG Magdeburg, Urt. v. 23.9.2022, 3 M 64/22, Tz. 6

Vorherzusehen ist jeder Gebrauch, der so häufig vorkommt, dass mit ihm gerechnet werden muss, wohingegen ein mutwilliger, bewusst missbräuchlicher oder ungewöhnlich leichtfertiger Gebrauch die Vorhersehbarkeit der Verwechslung eines Produktes mit einem Lebensmittel ausschließt.

OLG München, Urt. v. 22.12.2021, 29 U 470/18, Rn. 21

Das von einem Produkt ausgehende Risiko für die menschliche Gesundheit muss im Rahmen von § 5 Abs. 2 Nr. 2 LFGB i.V.m. § 3 Nr. 10 LFGB a.F. bzw. § 3 Nr. 5 LFGB n.F. erheblich sein. Zwar beschränken sich die Risiken für die menschliche Gesundheit nicht auf die Gefahr des Erstickens, der Vergiftung, der Perforation oder des Verschlusses des Verdauungskanals, indes ergibt sich aus diesen Regelbeispielen, dass nur diese und diesen vergleichbare Gefahren erfasst werden (vgl. BT-Drs. 15/3657 S. 61, rechte Spalte, vierter Absatz).

OVG Magdeburg, Urt. v. 23.9.2022, 3 M 64/22, Tz. 10

Erheblich muss nur der gesundheitliche Zustand sein, der dadurch eintreten kann, wenn das betreffende Produkt zum Mund geführt, gelutscht oder geschluckt wird. Dies wird in § 3 Abs. 1 Nr. 5 LFGB dadurch zum Ausdruck gebracht, dass beispielhaft („insbesondere“) die Gefahren des Erstickens, der Vergiftung, der Perforation oder des Verschlusses des Verdauungstraktes als Folgen („wodurch“) eines Zum-Mund-Führens, Lutschens oder Schluckens des Gegenstandes genannt werden und es sich hierbei ersichtlich um erhebliche, lebensbedrohliche Gesundheitsgefahren handelt. Davon zu unterscheiden ist der Wahrscheinlichkeitsgrad, mit dem ein Produkt, welches insbesondere von Kindern mit einem Lebensmittel verwechselt werden kann, zum Mund geführt, gelutscht oder geschluckt wird. Insoweit genügt die Vorhersehbarkeit eines entsprechenden Verhaltens, .... Es muss also nicht etwa die konkrete Gefahr eines Verschluckens und damit einhergehend eine entsprechend hohe Schadenseintrittswahrscheinlichkeit bestehen. Denn nach § 3 Abs. 1 Nr. 5 LFGB reicht es aus, dass durch das Zum-Mund-Führen, Lutschen oder Schlucken des Gegenstandes die dort beschriebene (erhebliche) Gesundheitsgefahr entstehen „kann“. … Hiervon ausgehend ist es rechtlich nicht zu erinnern, dass das Verwaltungsgericht es als ausreichend angesehen hat, dass „die Gefahr [des Verschluckens] jedenfalls nicht sicher ausgeschlossen werden kann“.