Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 

 

 

f) Marktorganisation / VO (EU) 1308/2013

Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 922/72, (EWG) Nr. 234/79, (EG) Nr. 1037/2001 und (EG) Nr. 1234/2007

Kennzeichnungspflichten

OLG München, Urt. v. 18.2.2021, 29 U 853/20

Nach Art. 5 Abs. 3 VO (EU) Nr. 543/2011 erfordert die Einhaltung der Vermarktungsnormen für Obst und Gemüse, zu denen Art. 76 Abs. 1 VO (EU) Nr. 1308/2013 zählt, im Falle von Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, dass die Kennzeichnungsangaben vor Abschluss des Kaufvertrags verfügbar sind. Die VO (EU) Nr. 543/2011 ist nach wie vor auf Kennzeichnungsvorschriften der Marktordnung anwendbar, weil Anforderungen an die Qualität und Güte ebenso wie finanzielle Förderungen zwangsläufig eine Bezeichnung der Produkte voraussetzen (vgl. Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, 177. EL Juli 2020, 315. Vorbemerkung Gemüse, Rn. 90; 330. Obst und Obsterzeugnisse, Allgemeine Vorbemerkung, Rn. 85).

Art. 76 (Angabe des Ursprungslands)

Marktverhaltensregelung

OLG München, Urt. v. 18.2.2021, 29 U 853/20

Bei Art. 76 Abs. 1 VO (EU) Nr. 1308/2013 handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG.

OLG München, Urt. v. 18.2.2021, 29 U 853/20

Die VO (EU) Nr. 1308/2013 stellt die sogenannte Gemeinsame Marktorganisations-VO (GMO) dar. Bei deren Herkunftskennzeichnungsverpflichtungen handelt es sich um Formen der Marktorganisation im Sinne einer Europäischen Marktordnung nach Art. 40 Abs. 1 lit. c AEUV und damit um Elemente einer gemeinsamen Organisation der Agrarmärkte. Diese haben sich vorrangig an den Zielen des Art. 39 AEUV zu orientieren (Art. 40 Abs. 2 UAbs. 2 AEUV), wobei es vor allem um die Produktivität der Landwirtschaft, die Stabilisierung der Märkte, die Versorgungssicherheit und schließlich die Belieferung der Verbraucher zu angemessenen Preisen geht.

Dies schließt freilich nicht aus, dass daneben weitere Ziele, wie namentlich der Verbraucherschutz nach Art. 12 AEUV, verfolgt werden, wenngleich das Interesse der Verbraucherinformation nicht primäres Ziel, sondern nur ein nachgelagerter Zweck ist (Sosnitza, GRUR 2016, 347, 352).

In Erwägungsgrund 72 der VO (EU) Nr. 1308/2013 ist in Bezug auf Obst und Gemüse die Rede vom Interesse der Verbraucher an einer angemessenen und transparenten Produktinformation. Damit wird deutlich, dass die Herkunftskennzeichnung für Obst und Gemüse in Art. 76 Abs. 1 VO (EU) Nr. 1308/2013 zumindest auch dem Zweck dient, transparente Produktinformationen zu gewährleisten. Dass dies nicht der einzige oder primäre Zweck ist, spielt für eine Marktverhaltensregelung nach § 3a UWG keine Rolle.

Die Regelung dient auch objektiv der Förderung des Absatzes von Obst und Gemüse und wirkt insoweit auf Verbraucher ein, als diese ihre Nachfrage nach Obst und Gemüse aufgrund der Ursprungsangabe und der damit verbundenen Erwartungen an das Produkt steuern können. Damit schützt sie auch die Verbraucher in ihren wettbewerblichen Belangen bei der Nachfrage nach diesen Produkten. Produktkennzeichnungspflichten der VO (EU) Nr. 1308/2013 sind deshalb als Marktverhaltensregelungen nach § 3a UWG anzusehen (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, UWG, 39. Aufl., § 3a, Rn. 1.211a).

Ursprungsland

OLG München, Urt. v. 18.2.2021, 29 U 853/20

Der Begriff des Ursprungslandes in Art. 76 Abs. 1 VO (EU) Nr. 1308/2013 ist in der VO nicht definiert, sondern nach Art. 23 ff. der VO (EWG) Nr. 2913/92, dem sogenannten Zollkodex, sowie nach Art. 60 der seit dem 01.05.2016 an die Stelle des Zollkodex getretenen VO (EU) Nr. 952/2013, dem sogenannten Unionszollkodex, zu bestimmen (EuGH GRUR 2019, 1067 Rn. 51 – Wettbewerbszentrale/Prime Champ; BGH GRUR 2020, 432 Rn. 25 – Kulturchampignons II).

Nach Art. 23 Abs. 1 Zollkodex sind Ursprungswaren eines Landes Waren, die vollständig in diesem Land gewonnen oder hergestellt worden sind. Nach Art. 23 Abs. 2 lit. b Zollkodex sind vollständig in einem Land gewonnene oder hergestellte Waren pflanzliche Erzeugnisse, die in diesem Land geerntet worden sind. Nach Art. 60 Abs. 1 Unionszollkodex gelten Waren, die in einem einzigen Land oder Gebiet vollständig gewonnen oder hergestellt worden sind, als Ursprungswaren dieses Landes oder Gebiets. Nach Art. 31 lit. b der Delegierten VO (EU) Nr. 2015/2446 gelten im Sinne des Art. 60 Abs. 1 Unionszollkodex als Waren, die in einem einzigen Land oder Gebiet vollständig gewonnen oder hergestellt worden sind, dort geerntete pflanzliche Erzeugnisse.

Mehrfachangaben

OLG München, Urt. v. 18.2.2021, 29 U 853/20

Mehrfachangaben zu den Ursprungsländern verstoßen gegen die Kennzeichnungspflicht aus Art. 76 Abs. 1 VO (EU) Nr. 1308/2013, da hiernach "das" Ursprungsland des jeweils konkret verkauften Produkts im Sinne einer Einzahl anzugeben ist.