Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 

 

 

e) Prüfungsreihenfolge

Die wettbewerbsrechtliche Prüfung eines bestimmten geschäftlichen Verhaltens sollte aufgrund der Vorgaben der UGP-Richtlinie vom Speziellen zum Allgemeinen erfolgen:

  1. Verstößt das Verhalten gegen einen Tatbestand der Schwarzen Liste (Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG), wenn nein
  2. Verstößt das Verhalten gegen einen Tatbestand der §§ 3a – 7 UWG, wenn nein
  3. Verstößt das Verhalten gegen § 3 Abs. 1, 2 S. 1 UWG.

EuGH, Urt. v. 13.9.2018, C-54/17, Tz. 45 ff – Wind Tre

Art. 5 legt in seinem Abs. 2 die Kriterien fest, anhand deren sich feststellen lässt, ob eine Geschäftspraktik unlauter ist, und bestimmt in seinem Abs. 4, dass insbesondere solche Geschäftspraktiken unlauter sind, die „irreführend“ im Sinne der Art. 6 und 7 der Richtlinie oder „aggressiv“ im Sinne der Art. 8 und 9 der Richtlinie sind. Außerdem heißt es in Abs. 5, dass Anhang I der Richtlinie eine Liste jener Geschäftspraktiken enthält, die unter allen Umständen als unlauter anzusehen sind. Hierzu stellt der 17. Erwägungsgrund der Richtlinie ausdrücklich klar, dass die in Anhang I aufgelisteten Praktiken als unlauter gelten, ohne dass sie im Einzelfall anhand der Bestimmungen der Art. 5 bis 9 der Richtlinie beurteilt werden müssen.

Wenn ein Verhalten gegen einen Verbotstatbestand der §§ 3 ff UWG verstößt, muss nicht noch ergänzend geprüft werden, ob darin auch ein Verstoß gegen die fachliche (berufliche) Sorgfalt liegt. Für die den Vorschriften zugrunde liegenden europäischen Bestimmungen hat der EuGH festgelegt:

EuGH, Urt. v. 19.9.2013, C-435/11, Tz. 45 f - CHS Tour Services/Team4 Travel GmbH

In Anbetracht sowohl des Wortlauts als auch der Struktur der Art. 5 und 6 Abs. 1 der Richtlinie sowie deren allgemeiner Systematik ist eine Geschäftspraxis als im Sinne der letztgenannten Bestimmung „irreführend“ anzusehen, wenn die dort aufgeführten Kriterien erfüllt sind, ohne dass zu prüfen wäre, ob auch die in Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie aufgestellte Voraussetzung erfüllt ist, dass diese Praxis den Erfordernissen der beruflichen Sorgfalt widerspricht.

Nur die vorstehende Auslegung ist geeignet, die praktische Wirksamkeit der spezielleren Regeln in den Art. 6 bis 9 der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken zu wahren. Stimmten nämlich die Voraussetzungen für ihre Anwendung mit den in Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie genannten überein, wären diese Artikel praktisch bedeutungslos, obwohl sie dazu dienen, den Verbraucher vor den am häufigsten anzutreffenden unlauteren Geschäftspraktiken zu schützen.

Ebenso EuGH, Urt. V. 16.4.2015, C-388/13, Tz. 63 - Nemzeti Fogyasztóvédelmi Hatóság

Die Rechtsanwendung kann im Einzelfall dadurch erheblich erschwert werden, dass für die Auslegung und Reichweite des UWG nicht nur die UGP-Richtlinie, sondern auch noch weitere europäische Normenwerke maßgeblich sind.

Dies gilt in erster Linie für die Richtlinie über irreführende und vergleichende Werbung (2006/114/EG), deren Vorgaben zur vergleichenden Werbung für die Gerichte der Mitgliedstaaten verbindlich sind, deren Vorgaben zur irreführenden Werbung allerdings nur noch im Verhältnis der Unternehmer untereinander (B2C) gelten.

Darüber hinaus gibt es vielfältige europäische Normenwerke, die insbesondere über § 4 Nr. 11 UWG und § 5 a Abs. 4 UWG in das Lauterkeitsrecht hineinwirken. Auf Einzelheiten wird im Rahmen der Darstellung der einzelnen Verbotstatbestände eingegangen.

 

Zitiervorschlag zur aktuellen Seite

Omsels, Online-Kommentar zum UWG:

http://www.webcitation.org/6JxkFSDwE