4. Selbständiges Unternehmen als Beauftragter
5. Unterauftragnehmer/Subauftragnehmer
a. Die Beauftragtenhaftung in Absatzsystemen
b. Bonität des Täters unerheblich
c. Provokatives Handeln Dritter
e. Verlagerung von Prüfpflichten auf Konzernunternehmen
Literatur: Werner, Rüdiger, Die wettbewerbsrechtliche Konzernhaftung, WRP 2018, 286
Grundsatz
BGH, Urt. v. 18.11.2010, I ZR 155/09, Tz. 54 - Sedo
Der Unterlassungsanspruch kann gegen den Betriebsinhaber geltend gemacht werden, wenn die Verletzungshandlung in einem geschäftlichen Betrieb von einem Angestellten oder Beauftragten begangen wird. Beauftragter ist, wer in die betriebliche Organisation des Betriebsinhabers in der Weise eingegliedert ist, dass der Erfolg seiner Geschäftstätigkeit dem Betriebsinhaber zugute kommt und der Betriebsinhaber einen bestimmenden durchsetzbaren Einfluss auf diejenige Tätigkeit des Beauftragen hat, in deren Bereich das beanstandete Verhalten fällt (BGH, GRUR 2005, 864, 865 - Meißner Dekor II, mwN). Dabei kommt es nicht darauf an, welchen Einfluss sich der Betriebsinhaber gesichert hat, sondern darauf, welchen Einfluss er sich sichern konnte und musste. Der Unternehmensinhaber haftet daher gegebenenfalls auch für ohne sein Wissen und gegen seinen Willen von einem Beauftragten begangene Rechtsverstöße (BGH, Urteil vom 7. Oktober 2009 - I ZR 109/06 - Partnerprogramm).
Ebenso BGH, Urt. v. 23.2.2023, I ZR 155/21, Tz. 39 - Rundfunkhaftung II; BGH, Urt. v. 26.1.2023, I ZR 27/22, Tz. 23 - Haftung für Affiliates; OLG Hamm, Urt. v. 19.8.2021, 4 U 57/21, Tz. 106; OLG Stuttgart, Urt. v. 27.11.2014, 2 U 175/13, Tz. 84; OLG Hamburg, Urt. v. 25.2.2016, 5 U 26/12, I.2.c; KG, Beschl. v. 15.9.2017, 5 U 65/17; OLG Frankfurt, Urt. v. 16.5.2019, 6 U 3/19, II.2; OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.5.2020, 6 U 127/19, Tz. 50; OLG Hamburg, Urt. v. 20.8.2020, 15 U 137/19; OLG Frankfurt, Urt. v. 20.5.2021, 6 U 18/20, B.2.c; OLG Karlsruhe, Urt. v. 9.7.2024, 14 UKl 1/23, Tz. 26
BGH, Urt. v. 26.1.2023, I ZR 27/22, Tz. 23 - Haftung für Affiliates
Dem Inhaber eines Unternehmens werden nach dieser Vorschrift Zuwiderhandlungen seiner Beauftragten wie eigene Handlungen zugerechnet, weil die arbeitsteilige Organisation des Unternehmens die Verantwortung für die geschäftliche Tätigkeit nicht beseitigen soll. Der Unternehmensinhaber, dem die Geschäftstätigkeit seiner Beauftragten zugutekommt, soll sich bei seiner Haftung nicht hinter den von ihm abhängigen Dritten verstecken können. Der innere Grund für die Zurechnung der Geschäftstätigkeit des Beauftragten liegt vor allem in einer dem Betriebsinhaber zugutekommenden Erweiterung des Geschäftsbetriebs und einer gewissen Beherrschung des Risikobereichs durch den Betriebsinhaber. Deshalb ist es unerheblich, wie die Beteiligten ihre Rechtsbeziehungen ausgestaltet haben.
Ebenso BGH, Urt. v. 23.2.2023, I ZR 155/21, Tz. 37 - Rundfunkhaftung II; KG, Beschl. v. 15.9.2017, 5 U 65/17; OLG Hamburg, Urt. v. 20.8.2020, 15 U 137/19; OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.5.2020, 6 U 127/19, Tz. 50; OLG Hamburg, Urt. v. 31.8.2023, 5 U 27/22
Die Zurechnung nach § 8 Abs. 2 UWG ist mit der UGP-Richtlinie EG/2005/29 vereinbar.
EuGH, Urt. v. 2.2.2023, C-208/21, Tz. 61 f - Towarzystwo Ubezpieczeń
Die Richtlinie 2005/29 kann … in einer Situation anwendbar sein kann, in der die Geschäftspraktiken eines Wirtschaftsteilnehmers von einem anderen Unternehmen ausgeübt werden, das im Namen und/oder Auftrag dieses Wirtschaftsteilnehmers tätig wird, so dass die Bestimmungen dieser Richtlinie in bestimmten Situationen sowohl diesem Wirtschaftsteilnehmer als auch diesem Unternehmen entgegengehalten werden können, wenn alle beide der Definition des Gewerbetreibenden entsprechen.
OLG Hamburg, Urt. v. 31.8.2023, 5 U 27/22, Tz. 51
Dass die Zuwiderhandlung „in einem Unternehmen“ begangen sein muss, ist nicht räumlich, sondern funktional zu verstehen. Es muss ein innerer Zusammenhang mit dem Unternehmen bestehen (BGH GRUR 2008, 186 Rn. 23 – Telefonaktion).
BGH, Urt. v. 29.6.2000, I ZR 29/98, I.3.a.(4)bb - Filialleiterfehler
Der Inhaber des Unternehmens kann sich nicht darauf berufen, dass er dem handelnden Angestellten in dem betreffenden Bereich Entscheidungsfreiheit zugestanden hat. Ein Wettbewerbsverstoß eines Angestellten begründet dementsprechend grundsätzlich für das Inland eine räumlich nicht beschränkte Begehungsgefahr auch für den Inhaber des Unternehmens selbst. Der Umstand, dass eine irreführende Werbung auf Fehlverhalten des Leiters eines abgrenzbaren Unternehmensteils beruht, steht danach der Begründetheit eines gegen das Gesamtunternehmen geltend gemachten Unterlassungsanspruchs nicht entgegen.
OLG Hamm, Urt. v. 5.4.2011, I-4 U 193/10, B.2.a.bb
Die Bestimmung des § 8 Abs. 2 UWG begründet eine Erfolgshaftung des Betriebsinhabers ohne Entlastungsmöglichkeit; er haftet auch für die ohne sein Wissen und gegen seinen Willen von einem Beauftragten begangenen Wettbewerbsverstöße. Der innere Grund dafür, ihm Wettbewerbshandlungen Dritter, soweit es sich um den Unterlassungsanspruch handelt, wie eigene Handlungen zuzurechnen, ist vor allem in einer dem Betriebsinhaber zu Gute kommenden Erweiterung seines Geschäftsbereichs und einer gewissen Beherrschung des Risikobereichs zu sehen. Dementsprechend knüpft die Rechtsprechung die Haftung des Betriebsinhabers nach § 8 Abs. 2 UWG an die Voraussetzung,
-
dass die Handlung, deren Unterlassung verlangt wird, innerhalb des Betriebsorganismus des Betriebsinhabers begangen worden ist, zu dem namentlich die Vertriebsorganisation gehört; weiter ist erforderlich,
-
dass der Handelnde kraft eines Rechtsverhältnisses in diesen Organismus, zumal in die Vertriebsorganisation, dergestalt eingegliedert ist,
-
dass einerseits der Erfolg seiner Handlung zumindest auch dem Betriebsinhaber zu Gute kommt und andererseits dem Betriebsinhaber ein bestimmender Einfluss jedenfalls auf diejenige Tätigkeit eingeräumt ist, in deren Bereich das beanstandete Verhalten fällt (BGH, Urt. v. 5.4.1995, I ZR 133/93, GRUR 1995, 605 - Franchise-Nehmer). Dabei kommt es nicht darauf an, welchen Einfluss sich der Betriebsinhaber gesichert hat, sondern welchen Einfluss er sich sichern konnte und musste.
Bestätigt durch
BGH, Beschl. v. 4.4.2012, I ZR 103/11, Tz. 7 ff
Es ist anerkannt, dass die Mehrstufigkeit eines Beauftragungsverhältnisses der Anwendung des § 8 Abs. 2 UWG nicht entgegensteht.
Der Unternehmensinhaber wird nicht dadurch entlastet, dass er den Beauftragten im Hinblick auf den Einsatz eines Unterbeauftragten vertraglich gebunden und sich der Beauftragte über diese vertraglichen Einschränkungen seiner Befugnisse hinweggesetzt hat. Dies gilt unabhängig davon, ob der Unternehmensinhaber mit einer solchen Verletzung vertraglicher Pflichten konkret rechnen musste.
Für die Haftung nach § 8 Abs. 2 UWG ist es unerheblich, wie die Beteiligten ihre Rechtsbeziehungen ausgestaltet haben, ob der Beauftragte gegen den Willen des Unternehmensinhabers seine vertraglichen Befugnisse überschritten hat oder ob der Beauftragte ohne Wissen oder sogar gegen den Willen des Unternehmensinhabers gehandelt hat. Die Bestimmung in § 8 Abs. 2 UWG regelt vielmehr den Unterlassungsanspruch gegen den Unternehmensinhaber bei Zuwiderhandlungen seiner Mitarbeiter und Beauftragten im Sinne einer Erfolgshaftung ohne jegliche Entlastungsmöglichkeit.
Ebenso OLG Hamburg, Hinweisbeschl. v. 19.7.2021, 5 U 56/20, Tz. 19; KG, Beschl. v. 15.9.2017, 5 U 65/17; OLG Stuttgart, Urt. v. 27.11.2014, 2 U 175/13, Tz. 82; OLG Frankfurt, Urt. v. 16.5.2019, 6 U 3/19, II.2; OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.5.2020, 6 U 127/19, Tz. 50
OLG Stuttgart, Urt. v. 27.11.2014, 2 U 175/13, Tz. 83f
Es ist eine weite Auslegung der Tatbestandsmerkmale „in einem Unternehmen“ und „Mitarbeiter“ und „Beauftragte“ geboten.
Unter den Mitarbeiterbegriff fallen auch freie Mitarbeiter.
OLG Hamburg, Urt. v. 25.2.2016, 5 U 26/12, I.2.c
Aufgrund des Normzwecks ist hierbei eine weite Auslegung geboten (Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Aufl., § 8 Rz.2.34).
Unternehmensinhaber ist im Falle einer juristischen Person die juristische Person und nicht deren Organ(e).
OLG Hamm, Urt. v. 5.6.2012, I-4 U 188/11, Tz. 39
Wenn ein Dritter gehandelt hätte und dieser Dritte wie etwa Herr F ein Vertreter oder Beauftragter des Unternehmens sein könnte, dessen Organ der Antragsgegner ist, so würde auch dann eine Haftung des Antragsgegners nach § 8 Abs. 2 UWG ausscheiden. Denn verantwortlicher Unternehmensinhaber wäre im Falle einer Kapitalgesellschaft ... die Gesellschaft, nicht deren Organ (Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Auflage, § 2 Rdn. 125, § 8 Rdn. 248, 250).
Betriebsorganisation
OLG Hamm, Urt. v. 12.6.2012, I-4 U 9/12, Tz. 30
§ 8 Abs. 2 UWG wird erst dann eröffnet, wenn feststeht, dass Mitarbeiter oder Beauftragte des Geschäftsherrn auf dessen Geschäftsfeld tätig geworden sind.
OLG Köln, Urt. v. 24.5.2006, 6 U 200/05
Der Begriff der Betriebsorganisation ist weit zu verstehen. Dazu gehören auch solche Funktionen, die aus dem Betrieb ausgegliedert und auf andere Unternehmen übertragen sind, z.B. Einkauf, Vertrieb und Werbung. Was Werbung angeht, gehören nach BGH GRUR 1990, 1039, 1040 - Anzeigenauftrag zur normalen Tätigkeit eines mit dem Vertrieb von Waren befassten Unternehmens die Auftragsvergabe für Werbemaßnahmen, nicht dagegen die Ausführungen der einzelnen für die Durchführung der Werbung erforderlichen Maßnahmen, so dass ein Dritter, der – wie etwa eine Werbeagentur oder ein ständig mit Werbeaufgaben für das Unternehmen befasster Handelsvertreter - die Auftragsvergabe für das Unternehmen übernimmt, als Beauftragter im Sinne des § 8 Abs. 2 UWG in Betracht kommt, nicht dagegen ein Unternehmen, das nur einen bestimmten Anzeigenauftrag ausführt.
s. zum gleichen Verfahren auch nach Rückkehr aus der Revision OLG Köln, Urt. v. 24.5.2006, 6 U 200/05
BGH, Urt. v. 26.1.2023, I ZR 27/22, Tz. 23 - Haftung für Affiliates
Der Betriebsinhaber haftet dagegen nicht nach § 8 Abs. 2 UWG, wenn das geschäftliche Handeln des Dritten im konkreten Fall nicht der Geschäftsorganisation des Betriebsinhabers, sondern derjenigen eines Dritten oder des Beauftragten selbst zuzurechnen ist.
Ebenso OLG Hamburg, Urt. v. 31.8.2023, 5 U 27/22, Tz. 51 ("Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Auftrag auf einen bestimmten Geschäftsbereich des Beauftragten beschränkt ist und der Auftraggeber nicht damit rechnen muss, dass der Beauftragte auch anderweitig für ihn tätig wird. Denn nur in diesem Umfang ist das Risiko für ihn beherrschbar")
OLG Stuttgart, Urt. v. 27.11.2014, 2 U 175/13, Tz. 84
Es genügt, dass der Handelnde, auch wenn er selbstständig ist, die Interessen des Geschäftsinhabers wahrnehmen soll. Die bloße Wahl der Rechtsform bleibt also dann unerheblich, wenn sich der Unternehmer durch sie der rechtlichen Zugriffsmöglichkeiten begibt, aber gleichwohl die Leistungen wirtschaftlich und faktisch für sich nutzt.
OLG Stuttgart, Urt. v. 27.11.2014, 2 U 175/13, Tz. 84
Beauftragter eines Unternehmens ist aber nicht, wer von diesem lediglich eine Leistung bezieht, die er im eigenen Namen an Endkunden anbietet, sofern er in der Gestaltung seines Vertriebskonzepts sowie seiner Verkaufskonditionen grundsätzlich frei ist. Denn in diesem Fall fehlt es an der Möglichkeit eines bestimmenden und durchsetzbaren Einflusses des Unternehmens auf den Vertragspartner,
im geschäftlichen Verkehr
OLG Köln, Urt. v. 24.5.2006, 6 U 200/05
Der Verletzung muss "in einem geschäftlichen Betrieb" begangen werden. Dieser Begriff ist ist mit Rücksicht auf den Zweck der Vorschrift, zu verhindern, dass der Betriebsinhaber sich bei Wettbewerbsverstößen hinter mehr oder weniger von ihm abhängigen Dritten verstecken kann, weit auszulegen. Der Haftung des Betriebsinhabers steht insbesondere nicht entgegen, dass der Beauftragte ohne Wissen oder gegen eine Weisung des Betriebsinhabers handelt. Ob ein Unterlassungsanspruch gegen den Betriebsinhaber gegeben ist, hängt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entscheidend davon ab, ob eine Handlung in Frage steht, die der Handelnde als Glied der Geschäftsorganisation des Betriebsinhabers begangen hat. Den Gegensatz dazu bildet eine rein private Tätigkeit, deren Ergebnis nur dem Handelnden selbst und nicht auch dem Betriebsinhaber zugute kommt (BGH GRUR 1963, 434, 435 – Reiseverkäufer; BGH GRUR 1963, 438, 439 – Fotorabatt; BGH GRUR 1995, 605, 608 – Franchise-Nehmer).
OLG Hamburg, Urt. v. 31.8.2023, 5 U 27/22, Tz. 42
Werden Zuwiderhandlungen in einem Unternehmen von einem Mitarbeiter oder Beauftragten begangen, so sind gem. § 8 Abs. 2 UWG der Unterlassungsanspruch und der Beseitigungsanspruch auch gegen den Inhaber des Unternehmens begründet. Voraussetzung einer Haftung des Unternehmens ist hiernach, dass der Mitarbeiter oder Beauftragte selbst eine Zuwiderhandlung gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften begangen hat (arg. „auch“). § 8 Abs. 2 UWG greift also nicht ein, wenn der Anspruch aus § 8 Abs. 1 UWG gegen den Mitarbeiter oder Beauftragten (z.B. wegen Fehlens einer geschäftlichen Handlung oder wegen zulässiger Abwehr) nicht entstanden ist (vgl. OLG Frankfurt a.M., GRUR-RR 2014, 270, 271; Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl. § 8 Rn. 2.38).
OLG Hamburg, Urt. v. 31.8.2023, 5 U 27/22, Tz. 51
Maßgebend ist allein, dass der Zuwiderhandelnde nicht für einen Dritten oder zu privaten Zwecken, sondern in seiner Eigenschaft als Mitarbeiter oder Beauftragter des Unternehmers tätig wurde, die Handlung also in den Geschäftskreis oder die tatsächlich ausgeübte gewerbliche Tätigkeit des Unternehmers fiel und diesem zugutekommen sollte. Keine Zurechnung findet folglich statt, wenn Mitarbeiter oder Beauftragte die geschäftlichen Einrichtungen ausschließlich für private Zwecke missbrauchen (Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 8 Rn. 2.47 m.w.N.).
Geschäftliches Handeln kann auch vorliegen, bei einem Mitarbeiter, der seine Vertriebstätigkeit im privaten Bereich fortsetzt, indem er z.B. die Waren seines Arbeitgebers auch auf seinem privaten Facebook-Account anbietet (LG Freiburg, Urt. v. 4.11.2013, 12 O 83/13, Tz. 20 ff – Facebook-Werbung des Angestellten). Zu einem anderen Ergebnis gelangte das OLG Hamburg aufgrund der Umstände des Falls bei einer Äußerung eines Mitarbeiters auf Facebook über Gesellschafter eines Wettbewerbers (OLG Hamburg, Urt. v. 31.8.2023, 5 U 27/22).
Selbständiges Unternehmen als Beauftragter
BGH, Urt. v. 28.10.2010, I ZR 174/08, Tz. 11 - Änderung der Voreinstellung III
Beauftragter kann auch ein selbständiges Unternehmen sein kann, das in die betriebliche Organisation des Betriebsinhabers in der Weise eingegliedert ist, dass der Erfolg seiner Geschäftstätigkeit dem Betriebsinhaber zugute kommt und dieser auf das Unternehmen einen bestimmenden und durchsetzbaren Einfluss hat. Ob der Betriebsinhaber von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, diesen Einfluss auszuüben, spielt dabei keine Rolle.
Ebenso BGH, Urt. v. 23.2.2023, I ZR 155/21, Tz. 39 - Rundfunkhaftung II; BGH, Urt. v. 26.1.2023, I ZR 27/22, Tz. 23 - Haftung für Affiliates
BGH, Urt. v. 28.10.2010, I ZR 174/08, Tz. 15 - Änderung der Voreinstellung III
Es kann offenbleiben, ob Vertragshändler stets als Beauftragte des Herstellers im Sinne des § 8 Abs. 2 UWG anzusehen sind. Entscheidend ist, dass der Vertragshändler derart in die Vertriebsorganisation des Herstellers eingegliedert ist, dass sein Erfolg dem Hersteller zugutekommt und dass dem Hersteller - ungeachtet der rechtlichen Selbständigkeit des Vertragshändlers - ein bestimmender und durchsetzbarer Einfluss auf die beanstandete Tätigkeit eingeräumt ist oder doch ohne weiteres hätte eingeräumt werden können. Für die danach erforderliche Beherrschung des Risikobereichs bedarf es besonderer Anhaltspunkte, wenn eine selbständige Absatzmittlertätigkeit in Rede steht, bei der der Händler eine Leistung, mit der er sich bei einem anderen eindeckt, eigenständig an Endkunden weitervertreibt.
BGH, Urt. v. 25.4.2012, I ZR 105/10, Tz. 61 - DAS GROSSE RÄTSELHEFT
Im Rahmen des § 8 Abs. 2 UWG kann Beauftragter auch ein selbständiges Unternehmen sein, sofern es in die betriebliche Organisation des Betriebsinhabers in der Weise eingegliedert ist, dass einerseits dieser einen bestimmenden, durchsetzbaren Einfluss auf das beauftragte Unternehmen hat und andererseits dessen geschäftlicher Erfolg dem Betriebsinhaber zugutekommt. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn das beauftragte Unternehmen ein Tochterunternehmen des Betriebsinhabers ist und dieser über die Funktion einer reinen Holding-Gesellschaft hinaus beherrschenden Einfluss auf die Tätigkeit des Tochterunternehmens ausübt.
Ebenso OLG Frankfurt, Urt. v. 14.2.2019, 6 U 3/18, II.B.4.c
OLG Frankfurt, Beschl. v. 22.2.2019, 6 W 9/19, II.3.c
Als Beauftragte kommen auch selbständige Unternehmer. Dies gilt auch bei einer nur gelegentlichen und vorübergehenden Tätigkeit. Voraussetzung ist jedoch, dass der selbständige Unternehmer in die betriebliche Organisation des Betriebsinhabers in einer Weise eingegliedert ist, dass der Erfolg seiner Geschäftstätigkeit dem Unternehmensinhaber zugutekommt und dieser auf das Unternehmen einen bestimmenden und durchsetzbaren Einfluss hat.
Ebenso OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.5.2020, 6 U 127/19, Tz. 50
OLG Karlsruhe, Urt. v. 9.7.2024, 14 UKl 1/23, Tz. 27
Auch selbständige Unternehmen können als Beauftragte in Betracht kommen, so beispielsweise ein Lieferant und Zwischenhändler oder ein zugleich für einen Großhändler werbender Einzelhändler (...). Erforderlich ist, dass sich - anders als bei den üblichen Lieferbeziehungen zwischen dem Großhandel und dem Einzelhandel - die Einflussmöglichkeiten des Betriebsinhabers auf alle das Vertriebssystem des Vertragspartners kennzeichnenden wesentlichen Vorgänge erstrecken und dass auch die von den Kunden zu treffenden Maßnahmen zwangsläufig vom Willen des Betriebsinhabers abhängen. Kein Beauftragter ist demgemäß, wer lediglich eine Leistung bezieht, die er in eigenem Namen an den Endkunden anbietet, sofern er in der Gestaltung seines Vertriebskonzeptes sowie seiner Verkaufskonditionen grundsätzlich frei ist. Denn in diesem Fall fehlt es an der Möglichkeit eines bestimmenden und durchsetzbaren Einflusses des Unternehmens auf den Vertragspartner (BGH, Urt. v. 28.10.2010, I ZR 174/08, Tz. 13; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler/Feddersen, UWG, § 8 UWG Rn. 2.41). Hieran fehlt es auch, wenn es an jeglicher „Beauftragung“ im Sinne einer Auslagerung von eigenen Tätigkeiten fehlt und daher von einer Erweiterung des Geschäftsbetriebs nicht gesprochen werden kann (BGH, Urt. v. 26.1.2023, I ZR 27/22, Tz. 27).
Zur Einschaltung eines Call-Centers siehe unten.
Unterauftragnehmer/Subauftragnehmer
OLG Hamm, Urt. v. 5.4.2011, I-4 U 193/10, B.2.a
Die Regelung des § 8 Abs. 2 UWG ist nicht nur auf den Fall Hauptunternehmers und Beauftragten beschränkt. Auch für den beauftragten kann wiederum § 8 Abs. 2 UWG zur Anwendung kommen, so dass eine mehrgliedrige Haftungskette entstehen kann.
Ebenso OLG Hamburg, Urt. v. 20.8.2020, 15 U 137/19
OLG Hamburg, Urt. v. 20.8.2020, 15 U 137/19
Beauftragter eines Unternehmens ist dagegen nicht, wer von diesem lediglich eine Leistung bezieht, die er im eigenen Namen an Endkunden anbietet, sofern er in der Gestaltung seines Vertriebskonzepts sowie seiner Verkaufskonditionen grundsätzlich frei ist (Köhler/Feddersen in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Aufl. 2020, § 8 Rn. 2.41).
Einschränkungen
BGH, Urt. v. 28.10.2010, I ZR 174/08, Tz. 13 - Änderung der Voreinstellung III
Die Erfolgshaftung des Betriebsinhabers für Wettbewerbshandlungen Dritter setzt voraus, dass dieser den Risikobereich in einem gewissen Umfang beherrscht und ihm ein bestimmender und durchsetzbarer Einfluss jedenfalls auf diejenige Tätigkeit eingeräumt ist, in deren Bereich das fragliche Verhalten fällt.
Ebenso OLG Hamburg, Urt. v. 20.8.2020, 15 U 137/19
BGH, Urt. v. 28.10.2010, I ZR 174/08, Tz. 13 - Änderung der Voreinstellung
Erforderlich ist daher, dass sich - anders als bei den üblichen Lieferbeziehungen zwischen dem Großhandel und dem Einzelhandel - die Einflussmöglichkeiten des Betriebsinhabers auf alle das Vertriebssystem des Vertragspartners kennzeichnenden wesentlichen Vorgänge erstrecken und dass auch die von den Kunden zu treffenden Maßnahmen zwangsläufig vom Willen des Betriebsinhabers abhängen.
BGH, Beschl. v. 4.4.2012, I ZR 103/11
Allerdings haftet der Auftraggeber nicht als Unternehmensinhaber im Sinne von § 8 Abs. 2 UWG, wenn das betreffende geschäftliche Handeln nicht der Geschäftsorganisation des Auftraggebers, sondern derjenigen eines Dritten oder des Beauftragten selbst zuzurechnen ist, etwa weil er noch für andere Personen oder Unternehmen tätig wird oder weil er neben dem Geschäftsbereich, in dem er für den Auftraggeber tätig wird, noch weitere, davon zu unter-scheidende Geschäftsbereiche unterhält. Die Haftung nach § 8 Abs. 2 UWG erstreckt sich nicht auf jegliche geschäftliche Tätigkeit des (Unter-)Beauftragten auch außerhalb des ihm zugewiesenen Geschäftsbereichs. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Auftrag auf einen bestimmten Geschäftsbereich des Beauftragten beschränkt ist und der Auftraggeber nicht damit rechnen muss, dass der Beauftragte auch anderweitig für ihn tätig wird. Nur in diesem Umfang ist es im Hinblick auf das vom Auftraggeber beherrschbare Risiko gerechtfertigt, ihn der weiten Haftung des § 8 Abs. 2 UWG zu unterwerfen.
Ebenso OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.5.2020, 6 U 127/19, Tz. 51
Die Beauftragtenhaftung in Absatzsystemen
OLG Frankfurt, Urt. v. 9.2.2012, 6 U 130/11
Soweit sich ein Unternehmen beim Absatz der von ihm vertriebenen Waren oder Dienstleistungen weiterer Personen oder Unternehmen bedient, hängt die Frage, ob diese Dritte als Beauftragte im Sinne von § 8 Abs. 2 UWG angesehen werden können, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH GRUR 2011, 543 – Änderung der Voreinstellung III, Tz. 13 ff. m.w.N.; siehe oben) entscheidend davon ab, ob dem Betriebsinhaber ein bestimmender und durchsetzbarer Einfluss jedenfalls auf diejenige Tätigkeit des Dritten eingeräumt ist, in deren Bereich das fragliche Verhalten fällt, oder ob es sich bei dem Dritten nach seiner wirtschaftlichen Funktion um einen selbstständigen Absatzmittler handelt. Maßgebliches Abgrenzungskriterium ist dabei insbesondere, ob der Absatzmittler die Leistung dem anderen Unternehmen selbst abkauft und dann im eigenen Namen und zu seinen eigenen Konditionen weiterverkauft (Eigenhändler bzw. „Reseller“), oder ob er nur als Vertreter des Betriebsinhabers in dessen Namen und auf dessen Rechnung die Leistungen vermittelt.
Während im letztgenannten Fall eine Beauftragtenstellung zu bejahen ist, ist der Eigenhändler in der Regel als selbstständiger Absatzmittler einzustufen, der die Tatbestandsvoraussetzungen des § 8 Abs. 2 UWG nicht erfüllt; etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn der Eigenhändler – etwa auf Grund eines Vertragshändlervertrages – in besonderer Weise in die Vertriebsorganisation des Unternehmens eingegliedert ist, dem das Verhalten des Händlers zugerechnet werden soll.
Von der Fallgestaltung, die der Entscheidung „Änderung der Voreinstellung III“ (siehe oben) zugrunde lag, unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt allerdings insoweit, als es hier nicht um die Einschaltung Dritter in die „Absatzkette“, sondern in die „Beschaffungskette“ geht. … Für die Frage, wann unter diesen Umständen der als „Beschaffungsmittler“ eingeschaltete Transit-Carrier als Beauftragter im Sinne von § 8 Abs. 2 UWG angesehen werden können, kann jedoch auf die gleichen Grundsätze zurückgegriffen werden, die der Bundesgerichtshof – wie ausgeführt - für den „Absatzmittler“ entwickelt hat. Es sind jedenfalls keine Gründe ersichtlich, warum für die Beurteilung der Beauftragtenhaftung in der „Beschaffungskette“ andere Maßstäbe gelten sollten als in der „Absatzkette“.
Bonität des Täters unerheblich
BGH, Urt. v. 25.4.2012, I ZR 105/10, Tz. - DAS GROSSE RÄTSELHEFT
Entgegen der Ansicht der Revision besteht kein Anlass, von diesen Grundsätzen dann abzuweichen, wenn die Bonität der Tochtergesellschaft oder die Durchsetzbarkeit gegen sie gerichteter Ansprüche nicht zweifelhaft ist. Eine solche Einrede der Vorausklage gegen den unmittelbar Handelnden ist im Gesetz weder vorgesehen noch angelegt. Sie widerspräche zudem dem Sinn und Zweck der in § 8 Abs. 2 UWG getroffenen Regelung, weil sie zur Folge hätte, dass der Gläubiger eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs in solchen Fällen nur diejenigen Personen mit hinreichender Aussicht auf Erfolg in Anspruch nehmen könnte, die die Störung des lauteren Wettbewerbs unmittelbar verursacht haben. Der Inhaber des Unternehmens, dem die geschäftlichen Handlungen zugutekommen sollen, soll sich bei einer wettbewerbsrechtlichen Haftung jedoch keinesfalls hinter von ihm abhängigen Dritten verstecken können.
Provokatives Handeln Dritter
OLG Hamm, Urt. v. 12.6.2012, I-4 U 9/12, Tz. 31
Für das (provokative) Handeln Dritter außerhalb seines Betriebsbereichs ohne sein Wissen muss der Betriebsinhaber nicht einstehen.
Privater Bereich
BGH, Urt. v. 19. 4. 2007, I ZR 92/04, Ls. – Gefälligkeit
Dem Inhaber eines Unternehmens werden Zuwiderhandlungen eines Mitarbeiters, die dieser in seinem privaten Bereich begeht, nicht zugerechnet, auch wenn die Tätigkeit ihrer Art nach zur Unternehmenstätigkeit gehört.
Darlegungs- und Beweislast
BGH, Urt. v. 19. 4. 2007, I ZR 92/04, Tz. 12 – Gefälligkeit
Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 UWG trägt der Anspruchsteller.
Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Anspruchgegner trotz der rechtswidrigen Handlung eines Beauftragten ausnahmsweise nicht haftet, trägt der Anspruchsgegner (vgl. OLG Köln, Urt. v. 18.10.2013, 6 U 36/13, Tz. 14)
Betrügerische Mitarbeiter
BGH, Urt. v. 17.8.2011, I ZR 134/10, Tz. 13 – Auftragsbestätigung
Die Täter wurden dadurch zu den begangenen Manipulationen veranlasst, dass für Zeitschriftenabonnements noch vor der Bestätigung des Vertragsschlusses durch den (vermeintlichen) neuen Kunden Provisionen bezahlt wurden. Damit stellt sich die von den beanstandeten Schreiben ausgehende Belästigung der Adressatin als Folge und Realisierung eines in der Sphäre der Beklagten begründeten Risikos dar. Ungeachtet einer Wissenszurechnung nach § 166 Abs. 1 BGB begründet dies die Haftung der Beklagten nach § 8 Abs. 2 UWG für die von ihr unmittelbar oder mittelbar eingesetzten Zeitschriftenwerber.
Beispiele
Domainparking
BGH, Urt. v. 18.11.2010, I ZR 155/09, Tz. 55 - Sedo
Beim Domainparking werben die Domaininhaber nicht im Auftrag des Domainparking-Anbieters. Dieser stellt lediglich die Plattform für die eigene Geschäftstätigkeit der Domaininhaber zur Verfügung und erhält dafür einen Anteil des an den Suchmaschinenbetreiber Google gezahlten Entgelts. Die Werbetätigkeit ist deshalb nicht der arbeitsteilig organisierten Geschäftstätigkeit der Beklagten, sondern derjenigen des Kunden selbst zuzurechnen, der die Internetseite in das System der Beklagten einstellt.
Vertriebsgesellschaft
BGH, Urt. v. 7.4.2005, I ZR 221/02, II.2.b.bb - Meißner Dekor II
Das beauftragte selbständige Unternehmen muss in die betriebliche Organisation des Betriebsinhabers in der Weise eingegliedert ist, dass einerseits der Betriebsinhaber auf das beauftragte Unternehmen einen bestimmenden, durchsetzbaren Einfluss hat und dass andererseits der Erfolg der Geschäftstätigkeit des beauftragten Unternehmens dem Betriebsinhaber zugute kommt. Hiervon ist auszugehen, wenn es sich bei dem beauftragten Unternehmen um eine Tochtergesellschaft des Betriebsinhabers handelt und dieser – über die Funktion einer reinen Holding-Gesellschaft hinaus – beherrschenden Einfluss auf die Tätigkeit des Tochterunternehmens ausübt. Bei einer in den Vertrieb der Muttergesellschaft eingebundenen Tochtergesellschaft ist dies ohne weiteres anzunehmen.
Ebenso OLG Hamm, Urt. v. 19.8.2021, 4 U 57/21, Tz. 106
Ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag ist dafür ein entscheidendes Indiz, aber nicht notwendig (ebd., II.2.b.cc). Die Beauftragtenhaftung soll unter dieser Voraussetzung andererseits aber nur in dem Rahmen eingreifen, in dem die Tochtergesellschaft für die Mutter tätig ist.
KG, Urt. v. 2.11.2012, 5 U 58/11
Auch wenn man die C. AG als eine in den Vertrieb der Antragsgegnerin eingebundene Gesellschaft ansehen wollte, was dann ohne weiteres zur Annahme eines beherrschenden Einflusses im vorstehenden Sinne führen würde (vgl. BGH GRUR 2005, 864,865 - Meißner Dekor II), dann ist hier doch dem besonderen Umstand des Einzelfalls Rechnung zu tragen, dass sich die vorgeworfene Handlung der C. AG nicht im Rahmen des Produktvertriebs abgespielt hat, sondern im Rahmen einer rechtlichen Auseinandersetzung mit einer Mitbewerberin bzw. konkret mit den deren Werbespots ausstrahlenden Fernsehsendern. Insoweit lässt sich in diesem Tätigkeitssektor (Rechtsverfolgung gegen die Konkurrenz) ein beherrschender Einfluss der Antragsgegnerin auf die C. AG aber nicht feststellen, sondern allenfalls eine allgemein-unterstützende bzw. kooperierende Tätigkeit.
Werbepartner/Affiliates
BGH, Urt. v. 26.1.2023, I ZR 27/22, Tz. 28 - Haftung für Affiliates
Entwickeln Affiliates eigene Produkte oder Dienstleistungen - hier eine Internetseite mit redaktionell gestalteten Beiträgen zu den Themen Schlaf und Matratzen -, deren Inhalt sie nach eigenem Ermessen gestalten und zum Verdienst von Provisionen bei verschiedenen Anbietern einsetzen, ist die Werbung über den Affiliate-Link ein Teil des Produkts, das inhaltlich von den Affiliates in eigener Verantwortung und im eigenen Interesse gestaltet wird. Die Links werden von ihnen nur gesetzt, um damit zu ihren Gunsten Provisionen zu generieren (vgl. OLG Hamburg, WRP 2021, 82 [juris Rn. 54]). Ein solcher eigener Geschäftsbetrieb eines Affiliates stellt keine Erweiterung des Geschäftsbetriebs der Beklagten dar.
BGH, Urt. v. 26.1.2023, I ZR 27/22, Tz. 31 - Haftung für Affiliates
Die Erfolgshaftung des Betriebsinhabers für Wettbewerbshandlungen Dritter setzt zudem voraus, dass dieser den Risikobereich in einem gewissen Umfang beherrscht und ihm ein bestimmender und durchsetzbarer Einfluss jedenfalls auf diejenigen Tätigkeiten eingeräumt ist, in deren Bereich das fragliche Verhalten fällt. Erforderlich ist daher, dass sich die Einflussmöglichkeit des Betriebsinhabers auf alle das Angebot des Affiliates kennzeichnenden wesentlichen Vorgänge erstreckt (vgl. BGH, GRUR 2011, 543 [juris Rn. 13] = WRP 2011, 749 - Änderung der Voreinstellung III).
Aber:
OLG Hamburg, Urt. v. 20.8.2020, 15 U 137/19
Zu den Beauftragten im Sinne des § 8 Abs. 2 UWG können Affiliates gehören, also Internet-Werbepartner, ebenso wie Laienwerber und Werbeagenturen (Köhler/Feddersen in: Köhler/Bornkamm/ Feddersen, UWG, 38. Aufl. 2020, § 8 Rn. 2.45 m.w.N.).
OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.5.2020, 6 U 127/19, Tz. 52
Maßgeblich für die Haftung der Beklagten nach § 8 Abs. 2 UWG ist, ob der Werbende auf der Webseite www.xyz.de so in die betriebliche Organisation der Beklagten als Betriebsinhaber eingegliedert ist, dass der Erfolg der Geschäftstätigkeit seiner Webseite als beauftragtes Unternehmen den Beklagten als Betriebsinhaber zugute kommt und darüber hinaus die Beklagten als Betriebsinhaber einen bestimmenden, durchsetzbaren Einfluss auf diejenige Tätigkeit des Inhabers der Webseite als beauftragtes Unternehmen haben, in deren Bereich das beanstandete Verhalten fällt.
OLG Köln, Urt. v. 18.10.2013, 6 U 36/13, Tz. 11
Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Unternehmensinhaber auch für rechtswidrige Inhalte anderer als der zu seinem Partnerprogramm angemeldeten Webseiten haftet, wenn die seinem Wettbewerb nützliche Betätigung eines dort platzierten Links über das Partnerprogramm abgerechnet werden konnte, er mit entsprechenden Manipulationen seines Werbepartners rechnen musste und er diese beeinflussen konnte (vgl. OLG Köln, Urt. v. 28.1.2011, 6 U 200/05, Tz. 14).
Zur Haftung eines Anbieters von Waren bei Amazon für unlauteres Verhalten eines Affiliates von Amazon, das seinem Angebot zugute kommt.
OLG Hamburg, Urt. v. 20.8.2020, 15 U 137/19
Es bestehen keine vertraglichen oder tatsächlichen Beziehungen zwischen der Beklagten und dem Amazon-Affiliate, die eine Einflussnahme ermöglichen, und zwar auch nicht in einem Mehrstufigkeitsverhältnis. ...
Insofern unterscheidet sich die vorliegende Konstellation grundlegend von einer „klassischen“ mehrstufigen Vertriebskette, so dass die dazu von der Rechtsprechung entwickelten, oben dargelegten Grundsätze hier nicht zum Tragen kommen können. … Dort wird ein Auftrag, den ein Unternehmer an einen Auftragnehmer erteilt, vollständig oder in Teilen an einen Subunternehmer weitergegeben. Letztlich tritt der Subunternehmer zumindest teilweise an die Stelle des primär beauftragten Unternehmers. Dabei geht es um Werbung gerade zugunsten des den Auftrag erteilenden Unternehmens. Der primär beauftragte Unternehmer hat gegenüber dem Subunternehmer in Bezug auf diese Werbung die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen und Weisungen zu geben, und der Subunternehmer ist zur Leistungserbringung verpflichtet. Zudem wird er nicht aus eigenem Antrieb tätig, sondern letztlich aufgrund eines entsprechenden Auftrags des werbenden Unternehmens – wenn auch vermittelt durch den primär Beauftragten. In dieser „klassischen“ Konstellation soll der beauftragende Unternehmer auch dann haften, wenn er sich keinen unmittelbaren Einfluss auf den Subunternehmer gesichert hat.
OLG Hamburg, Urt. v. 20.8.2020, 15 U 137/19
Die Affiliate-Partner handeln zudem nicht nur weisungsunabhängig, sondern auch in erster Linie im eigenen wirtschaftlichen Interesse und nicht im Interesse von Amazon oder den anderen Anbietern von auf der Plattform Amazon angebotenen Produkten, auf welche sie mittels Affiliate-Links verweisen. Sie setzen die Links, um zu ihren Gunsten Provisionen zu generieren. Die Tatsache, dass die im Umfeld solcher Affiliate-Links getätigten Äußerungen bzw. die Werbung sowohl Amazon als auch den Anbietern der beworbenen Produkte zugute kommen, ist für sie allenfalls sekundär. Es ist für den Affiliate-Partner im Prinzip völlig beliebig, für welche Produkte er wirbt (wobei er mehr Provisionen generieren können wird, wenn er auf beliebte bzw. erfolgreiche Produkte verlinkt und wenn seine Internetseite, ggf. auch aufgrund unlauterer Mittel, besonders attraktiv ist bzw. bei entsprechenden Suchanfragen prominent gelistet wird). Das Handeln des Affiliate-Partners kommt den Anbietern der verlinkten Produkte also nur reflexhaft zugute.
OLG Hamburg, Urt. v. 20.8.2020, 15 U 137/19
Aus dem Vorstehenden ergibt sich zugleich, dass die Affiliate-Partner und damit auch der Amazon-Affiliate nicht in die Geschäftsorganisation des Anbieters eines von ihnen verlinkten Produkts eingegliedert sind. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung haftet der Auftraggeber nicht als Unternehmensinhaber im Sinne von § 8 Abs. 2 UWG, wenn das betreffende geschäftliche Handeln nicht seiner Geschäftsorganisation, sondern derjenigen eines Dritten oder des Beauftragten selbst zuzurechnen ist (BGH, 07.10.2009, I ZR 109/06, GRUR 2009, 1167 Rn. 27 – Partnerprogramm; BGH, 04.04.2012, I ZR 103/11, BeckRS 2012, 15721, Rn. 10 - Beauftragtenhaftung). Das Setzen von Affiliate-Links durch die eigenständig agierenden, primär an der Generierung von Provisionen zu ihren Gunsten interessierten Affiliate-Partner ist allein deren Geschäftsorganisation zuzurechnen.
BGH, Urt. v. 26.1.2023, I ZR 27/22, Tz. 27 - Haftung für Affiliates
Unter Berücksichtigung der Ausgestaltung des Amazon-Partnerprogramms sowie der beanstandeten Internetseite s. .de fehlt es im Streitfall an einer Erweiterung des Geschäftsbetriebs von Amazon und damit am inneren Grund der Zurechnung gemäß § 8 Abs. 2 UWG. Die Beklagte zu 1 hat keine grundsätzlich ihr obliegenden Aufgaben im Wege einer arbeitsteiligen Organisation an den Affiliate delegiert. Auch wenn es für die Anwendung von § 8 Abs. 2 UWG keines Auftragsverhältnisses im Sinne des § 662 BGB bedarf, kann von einer Erweiterung des Geschäftsbetriebs nicht gesprochen werden, wenn es an jeglicher "Beauftragung" des Affiliates im Sinne einer Auslagerung von eigenen Tätigkeiten fehlt (vgl. auch OLG Hamburg, WRP 2021, 82 [juris Rn. 51 bis 53).
Bestätigung von OLG Köln, Urt. v. 11.2.2021, 6 U 84/21, Tz. 96 f, 100 f, 103
BGH, Urt. v. 26.1.2023, I ZR 27/22, Tz. 31 - Haftung für Affiliates
Der erforderlichen Beherrschung des Risikobereichs durch Amazon steht im Streitfall entgegen, dass der Affiliate bei der Verlinkung nicht in Erfüllung eines Auftrags beziehungsweise der mit der Beklagten geschlossenen Vereinbarung tätig wird, sondern im Rahmen des von ihm entwickelten Produkts und allein im eigenen Namen und im eigenen Interesse (vgl. auch OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.5.2020, 6 U 127/19, Tz. 54 ff, Rn. 63]). Wie beim selbständigen Absatzmittler bedarf es für die erforderliche Beherrschung des Risikobereichs auch bei Affiliates mit eigenem Produkt- oder Dienstleistungsangebot besonderer Anhaltspunkte (vgl. BGH, GRUR 2011, 543, Rn. 15 – Änderung der Voreinstellung III). … Der bloße Umstand, dass zwischen Amazon und dem Betreiber der Internetseite s. .de eine vertragliche Vereinbarung besteht, bei der es die Möglichkeit der Kündigung und gegebenenfalls der Verhängung einer Vertragsstrafe gibt, reicht dafür nicht aus.
Call-Center
OLG Frankfurt, Urt. v. 11.8.2011, 6 U 182/10, II - Beauftragtenhaftung für Call-Center
Das Call-Center vermittelt die Produkte der Beklagten. Es bewirbt ein fremdes, ihr nicht gehörendes Produkt. Sie wird sozusagen als ausgelagerte Marketingabteilung der Beklagten tätig. Hieraus folgt ungeachtet der rechtlichen Selbständigkeit des Call-Centers die Einflussnahmemöglichkeit der Beklagten.
… Es ist allein entscheidend, dass das rechtlich selbständige Call-Center fremde, nicht in seiner eigenen Verfügungsgewalt, sondern in der der Beklagten befindliche Produkte vermittelt und die Beklagte mithin rechtlich die Möglichkeit hat, die Vertragsbeziehungen zum Call-Center, vergleichbar denen mit einem abhängig Beschäftigten, so auszugestalten, dass unlautere Wettbewerbshandlungen unterbleiben – beispielsweise durch strafbewehrte Verpflichtungserklärungen des Call-Centers bis hin zur fristlosen Kündigung im Falle der Nichtbeachtung der Vorgaben der Beklagten.
Verlagerung von Prüfpflichten auf Konzernunternehmen
BGH, Urt. v. 23.2.2023, I ZR 155/21, Tz. 38 - Rundfunkhaftung II
Auch bei wirksamer Übertragung ihrer wettbewerbsrechtlichen Prüfungspflicht hätte die Beklagte nach der speziellen Haftungsnorm des § 8 Abs. 2 UWG für eine unzureichende Prüfung seitens der P. M. SE einzustehen, ohne dass es auf eine pflichtwidrig unterlassene Kontrolle dieses Unternehmens durch die Beklagte ankäme. Diese gegenüber der Haftung nach allgemeinen Deliktsgrundsätzen strengere Haftung des ursprünglich Verkehrssicherungspflichtigen entspricht dem Zweck der Regelung des § 8 Abs. 2 UWG, den Gläubigern wettbewerbsrechtlicher Ansprüche eine stärkere Stellung zu verschaffen (vgl. BGH, Urt. v. 25.4.2012, I ZR 105/10, Tz. 43 - DAS GROSSE RÄTSELHEFT).
BGH, Urt. v. 23.2.2023, I ZR 155/21, Tz. 40 - Rundfunkhaftung II
Gemessen daran kann ein Konzernunternehmen, das von einem anderen konzernangehörigen Unternehmen mit der Prüfung von dessen rechtlichen Angelegenheiten betraut worden ist, Beauftragter im Sinne des § 8 Abs. 2 UWG sein (für Recherchen eines beauftragten Rechtsanwalts vgl. Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 8 Rn. 2.45). Hat die Beklagte die ihr wettbewerbsrechtlich obliegende Prüfung der Fernsehspots auf grobe und offensichtliche Rechtsverstöße der P. M. SE als einem anderen konzernangehörigen Unternehmen überlassen, so hatte sie darauf zu achten, dass dieses Unternehmen der übertragenen Aufgabe ordnungsgemäß nachkommt, und sich hierzu einen bestimmenden Einfluss auf die Tätigkeit der P. M. SE zu sichern. Dann aber hätte die Beklagte für eine unzureichende Wahrnehmung der wettbewerbsrechtlichen Prüfungspflicht seitens der P. M. nach § 8 Abs. 2 UWG ohne eine Entlastungsmöglichkeit einzustehen.
OLG Köln, Urt. v. 30.10.2020, 6 U 47/20, Tz. 50
Es liegt nahe, dass eine im Konzern begangene Rechtsverletzung von einer Konzernobergesellschaft wettbewerbsrechtlich zu verantworten ist, sofern die Konzernobergesellschaft wichtige Prüflichten im Konzern übernimmt oder an sich zieht (vgl. zu einem solchen Fall OLG München WRP 2012, 579 Rn. 40: Erstellung einer Internetseite durch die Konzernmutter für eine Konzerntochter). Zur Ratio des § 8 Abs. 2 UWG gehört es nämlich auch zu verhindern, dass eine Organisation die Verantwortlichkeiten so sehr aufsplitten kann, dass zwar die Organisation insgesamt von den Handlungen ihrer Beauftragten profitiert, andererseits aber nur der beauftragte Handelnde haften muss. Um Haftungslücken zu vermeiden, wird der Anwendungsbereich der Norm weit ausgelegt (Köhler/Bornkamm/Feddersen, § 8 Rn. 2.34).
Referenten/Vortragende
OLG Hamburg, Urt. v. 23.12.2021, 3 U 143/20, Tz. 51 f
Im vorliegenden Fall ist der den streitgegenständlichen Vortrag haltende Facharzt als Beauftragter der Antragsgegnerin im Sinne von § 8 Abs. 2 UWG anzusehen. Beauftragter in diesem Sinne ist jeder, der, ohne Mitarbeiter zu sein, für das Unternehmen aufgrund eines vertraglichen oder anderes Rechtsverhältnisses tätig ist, wobei der Erfolg seiner Handlung zumindest auch dem Unternehmensinhaber zugutekommen muss und letzterem ein bestimmender und durchsetzbarer Einfluss jedenfalls auf die beanstandete Tätigkeit eingeräumt ist (vgl. Köhler/Feddersen, UWG, 39. Aufl. 2021, § 8 Rn. 2.41 m. w. Nachw.). Ob der Unternehmensinhaber von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, ist dagegen unerheblich (BGH, GRUR 2011, 543, Rn. 11 – Änderung der Voreinstellung III).
Diese Voraussetzungen für eine Beauftragtenhaftung der Antragsgegnerin liegen hier vor. Die streitgegenständlichen Aussagen, welche durchweg werbenden Charakter für das Produkt „O.“ der Antragsgegnerin aufweisen, kommen der Antragsgegnerin als Vertreiberin dieses Arzneimittels unmittelbar zugute. Als Veranstalterin des „Lunchsymposiums“ hatte die Antragsgegnerin auch die Möglichkeit, sich bestimmenden Einfluss auf den Vortrag vorzubehalten und hätte sich auch vorab über den Inhalt des Vortrags in Kenntnis setzen lassen können. Dies lässt sich vorliegend schon daran erkennen, dass die Antragsgegnerin dem Referenten fertige Slides zur Verfügung gestellt hat, welche dieser im Rahmen seines Vortrags verwendet hat. Dadurch hat die Antragsgegnerin den Referenten gezielt als Werbeträger eingesetzt. Vor diesem Hintergrund sind der Antragsgegnerin nicht nur diejenigen Aussagen unmittelbar zuzurechnen, welche sich auf denjenigen Sheets befanden, welche die Antragsgegnerin selbst erstellt und dem Referenten zur Verfügung gestellt hat, sondern auch diejenigen, welche sich auf von dem Referenten selbst erstellten Slides befanden. Da auch diese sich inhaltlich in die Zielrichtung des eine Werbewirkung für „O.“ intendierenden Beauftragtenverhältnisses einfügen und die Antragsgegnerin sich insoweit einen bestimmenden Einfluss hätte sichern können, muss die Antragsgegnerin auch für diese Aussagen nach § 8 Abs. 2 UWG einstehen. Dass die Slides nicht mit dem Unternehmenskennzeichen der Antragsgegnerin versehen waren, ist entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin nicht von Bedeutung. Anderenfalls hätten die angesprochenen Fachkreise zwar leichter erkennen können, dass der Referent im Auftrag der Antragsgegnerin und damit mutmaßlich werbend tätig war. Für den werbenden Inhalt der Slides und den Einsatz des Vortragenden als zu Werbezwecken Beauftragten ist die Verwendung eines Hinweises auf die Antragsgegnerin als das hinter dem Vortrag stehende Unternehmen dagegen nicht maßgeblich.