4. Konkurrierende und alternative Anspruchsgrundlagen
e. §§ 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, § 15 Abs. 3 MarkenG
Literatur: Petersenn, Morten/Peters, Nils, Das Äußerungsrecht zwischen unlauterem Wettbewerb und einstweiliger Verfügung, NJW 2021, 725
Gesetzestext
Unlauter handelt, wer
die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft.
Die Vorschrift war bis zum 10.12.2015 § 4 Nr. 7 UWG. Durch die UWG-Reform hat sich am Sinngehalt aber nicht geändert:
BGH, Urt. v. 31.3.2016, I ZR 160/14, Tz. 35 – Im Immobiliensumpf
Durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb ist die Rechtslage hinsichtlich der Herabsetzung von Mitbewerbern inhaltlich nicht geändert worden. Vielmehr ist der zuvor geltende § 4 Nr. 7 inhaltsgleich in die Neufassung des § 4 Nr. 1 UWG übernommen worden (vgl. BT-Drucks. 18/6571, S. 15). Die bisher zur Herabsetzung von Mitbewerbern anerkannten Grundsätze gelten damit nach der Novellierung unverändert fort.
Ebenso BGH, Urt. v. 17.12.2015, I ZR 219/13, Tz. 78
Die Vorschrift entspricht § 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG.
OLG Köln, Urt. v. 4.9.2015, 6 U 7/15, Tz. 63
Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG, nach dem vergleichende Werbung unzulässig ist, wenn die geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabgesetzt oder verunglimpft werden, stimmen mit denen des § 4 Nr. 7 (alt) UWG überein.
Schutzzweck
BGH, Urt. v. 12.12.2013, I ZR 131/12, Tz. 24 – englischsprachige Pressemitteilung
Die Bestimmung des § 4 Nr. 7 (alt) UWG dient in erster Linie dem Schutz des betroffenen Mitbewerbers und daneben dem Schutz des Interesses der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb. Auch soweit die Bestimmung den betroffenen Mitbewerber schützt, soll sie nicht - jedenfalls nicht in erster Linie - seine Geschäftsehre, sondern seine wettbewerblichen Interessen wahren (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, § 4 Rn. 7.2). Ein Verstoß gegen § 4 Nr. 7 (alt) UWG setzt daher - anders als eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts - voraus, dass die Handlung geeignet ist, die wettbewerblichen Interessen des Mitbewerbers auf dem fraglichen Markt zu beeinträchtigen (vgl. auch Retzer in Harte/Henning, UWG, § 14 Rn. 64).
Wettbewerbsverhältnis
OLG Köln, Urt. v. 4.9.2015, 6 U 7/15, Tz. 64
Im Fall der Herabsetzung im Sinn des § 4 Nr. 7 UWG (alt) ist es nicht erforderlich, dass der herabgesetzte Unternehmer auf demselben relevanten Markt wie der Anspruchsgegner tätig ist (Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl. 2015, § 2 Rn. 109d). Nur ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass beim Fehlen eines Wettbewerbsverhältnisses die Ansprüche der Klägerin aus § 823 Abs. 1 BGB begründet wären, da herabsetzende Äußerungen im Sinn des § 4 Nr. 7 UWG außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellen können (BGH GRUR 1962, 310, 314 – Gründerbildnis).
Konkurrierende und alternative Anspruchsgrundlagen
§ 4 Nr. 2 UWG (vormals § 4 Nr. 8 UWG)
verbietet die Verbreitung nicht nachweislich wahrer negativer Tatsachenbehauptungen über einen Wettbewerber. Wenn darin gleichzeitig eine Herabsetzung oder Verunglimpfung des Wettbewerbers liegt, sind beide Vorschriften nebeneinander anwendbar. Die Herabsetzung oder Verunglimpfung durch die Verbreitung wahrer Tatsachenbehauptungen wird durch § 4 Nr. 1 erfasst.
Zur Abgrenzung von Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen siehe hier.
§ 4 Nr. 4 UWG
§ 4 Nr. 1 UWG ist ein Unterfall von § 4 Nr. 4 UWG.
BGH, Urt. v. 29.7.2009, I ZR 77/07, Tz. 38 a.E. - EKW-Steuerberater
Da die Herabsetzung eines Mitbewerbers nach § 4 Nr. 7 (alt) UWG letztlich ein Unterfall der gezielten Behinderung i.S. des § 4 Nr. 10 (alt) UWG ist, ist auch dieser Behinderungstatbestand erfüllt.
§ 6 Abs. 2 Nr. 4, 5 UWG
Der Tatbestand des § 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG ist mit dem Tatbestand des § 4 Nr. 1 UWG identisch.
BGH, Urt. v. 7.3.2019, I ZR 254/16, Tz. 13 - Knochenzement III
Die das Unionsrecht umsetzende Bestimmung gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG ist vorrangig vor der Vorschrift des § 4 Nr. 1 UWG (alt) anzuwenden.
Ebenso OLG Frankfurt, Urt. v. 18.2.2021, 6 U 181/20 (6 W 3/21), II.2.b
BGH, Urt. v. 24.1.2019, I ZR 200/17, Tz. 55 - Das beste Netz
Soweit - wie im Streitfall - die unionsrechtlich determinierten Spezialvorschriften des § 6 Abs. 2 Nr. 4 und 5 UWG anwendbar sind, verdrängen sie § 4 Nr. 1 UWG (alt).
OLG Köln, Urt. v. 4.9.2015, 6 U 7/15, Tz. 63
Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG, nach dem vergleichende Werbung unzulässig ist, wenn die geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabgesetzt oder verunglimpft werden, stimmen mit denen des § 4 Nr. 7 (alt) UWG überein.
§ 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG erfasst die Herabsetzung oder Verunglimpfung im Rahmen eines Vergleichs gemäß § 6 Abs. 1 UWG. § 6 Abs. 2 Nr. 4 UWG verbietet im Rahmen der vergleichenden Werbung unter anderem die Beeinträchtigung des Rufs eines Kennzeichens eines Wettbewerbers. Liegt ein Vergleich vor, wird § 4 Nr. 7 UWG (alt) in beiden Fällen verdrängt, andernfalls ist § 4 Nr. 1 UWG einschlägig. Näheres zum Vergleich siehe hier.
§ 6 Abs. 2 Nr. 4, 5 UWG gehen auf die europäische Richtlinie 2006/114/EG über irreführende und vergleichende Werbung zurück, die im Hinblick auf die vergleichende Werbung eine abschließende Regelung enthält. Die Auslegung von § 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG muss deshalb streng der europäischen Vorgaben folgen. Das ist bei § 4 Nr. 1 UWG nicht der Fall. Deshalb muss die Auslegung von § 4 Nr. 1 UWG und § 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG inhaltlich nicht identisch sein. Es wird aber allgemein die Auffassung vertreten, dass eine identische Auslegung beider Bestimmungen sinnvoll ist. Daran orientieren sich auch die Gerichte. Aus diesem Grunde ist zur Auslegung von § 4 Nr. 1 UWG (alt) ergänzend auf die Darstellung von § 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG zu verweisen. Dazu hier.
§ 823 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 185 StGB, § 186 StGB oder § 187 StGB, § 824 BGB, § 826 BGB
§ 823 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 185 StGB, § 186 StGB oder § 187 StGB, § 824 BGB enthalten die allgemeinen zivilrechtlichen und strafrechtlichen Vorschriften zum Ehrschutz. Sie sind neben § 4 Nr. 1 UWG anwendbar. In allen Fällen, in denen die Anwendung von § 4 Nr. 1 UWG ausscheidet, zum Beispiel bei keine geschäftliche Handlung vorliegt, muss auf diese allgemeinen Bestimmungen zurückgegriffen werden.
OLG Köln, Urt. v. 23.12.2022, 6 U 83/22, II.2
Der Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 4 Nr. 1 UWG enthält gegenüber dem Anspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB vorrangig zu prüfende Maßstäbe, wenn es um eine geschäftliche Handlung geht, die zudem aus einer Konkurrentenposition heraus abgegeben wurde.
OLG Köln, Urt. v. 4.9.2015, 6 U 7/15, Tz. 64
Beim Fehlen eines Wettbewerbsverhältnisses wären die Ansprüche der Klägerin aus § 823 Abs. 1 BGB begründet, da herabsetzende Äußerungen im Sinn des § 4 Nr. 7 UWG (alt) außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellen können (BGH GRUR 1962, 310, 314 – Gründerbildnis; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl. 2015, § 4 Rn. 7.8; Ohly, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 6. Aufl. 2014, § 4 Rn. 7/7).
§ 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, § 15 Abs. 3 MarkenG
§§ 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, § 15 Abs. 3 MarkenG Schützen berühmte Kennzeichen (Marken, geschäftliche Bezeichnungen) u.a. gegen eine Beeinträchtigung ihres guten Rufs. Nach der – sehr umstrittenen – Rechtsprechung des BGH wurden Ansprüche aus dem UWG im Anwendungsbereich des Markengesetzes lange Zeit verdrängt.
BGH, Urt. v. 3.2.2005, I ZR 159/02, II.2 - Lila Postkarte
Wettbewerbsrechtliche Ansprüche sind, soweit der Schutz bekannter Marken in Rede steht, schon wegen des Vorrangs des Anwendungsbereichs des Markengesetzes nicht gegeben.
Mit dem Inkrafttreten des Markengesetzes am 1. Januar 1995 ist an die Stelle der kennzeichenrechtlichen Regelungen … eine umfassende, in sich geschlossene kennzeichenrechtliche Regelung getreten, die den aus den Generalklauseln hergeleiteten Schutz im allgemeinen verdrängt.
Ein Rückgriff auf § 4 Nr. 1 UWG ist bei der Verunglimpfung von Kennzeichen war deshalb nur möglich, wo der Anwendungsbereich des Markengesetzes nicht eröffnet ist.
Im Anwendungsbereich des Verbots der irreführenden Werbung über die betriebliche Herkunft hat der BGH die Vorrangtheorie aber mittlerweile aufgegeben. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass er insgesamt nicht mehr an ihr festhält.
BGH, Urt. v. 15.8.2013, I ZR 188/11, Tz. 60 - Hard Rock Cafe
Einem auf Herkunftstäuschung nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG gestützten Anspruch der Klägerin steht kein Vorrang des Markenrechts entgegen. ... An der bisherigen Rechtsprechung, nach der die durch eine bestimmte Kennzeichnung hervorgerufene Irreführung über die betriebliche Herkunft allein nach den Grundsätzen des Markenrechts zu beurteilen war (vgl. BGH, Urt. v. 22.11.2001, I ZR 138/99 - shell.de), kann aufgrund der ins deutsche Recht umgesetzten Bestimmung des Art. 6 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2005/29/EG nicht mehr festgehalten werden. Der individualrechtliche Schutz aus dem Markenrecht und der lauterkeitsrechtliche Schutz nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb bestehen nunmehr nebeneinander (vgl. Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, § 5 Rn. 4.211 f.).
Zitiervorschlag zur aktuellen Seite
Omsels, Online-Kommentar zum UWG: