Irreführende vergleichende Werbung
s. auch das Kapitel zu § 6 UWG Vergleichende Werbung
1. Europarechtlicher Hintergrund
4. Irreführung durch einseitige Auswahl
a. Unterschiedliche Leistungsmerkmale
b. Ähnlicheres Angebot des Wettbewerbers
5. Vergleich von No-Name- mit Markenprodukten
7. Vorenthalten wesentlicher Informationen
Literatur: Köhler, Helmut, Irreführende vergleichende Werbung, GRUR 2013, 761
Europarechtlicher Hintergrund
Das Verbot der Irreführung aus der Richtlinie (EU) 2006/114 über irreführende und vergleichende Werbung steht selbständig neben dem Verbot der unzulässigen vergleichenden Werbung
Beurteilungsmaßstab
EuGH, Urt. v. 19.9.2006, C‑356/04, Tz. 77 ff – Lidl/Colruyt
Es ist Sache der nationalen Gerichte, anhand der Umstände jedes Einzelfalls zu prüfen, ob eine Werbung unter Berücksichtigung der Verbraucher, an die sie sich richtet, möglicherweise irreführend ist.
Dabei müssen diese Gerichte auf die Wahrnehmung des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers abstellen.
Um die erforderliche Beurteilung vorzunehmen, müssen die nationalen Gerichte auch alle maßgeblichen Gesichtspunkte der Rechtssache berücksichtigen und dabei, wie sich aus Artikel 3 der Richtlinie ergibt, die in der Werbung enthaltenen Angaben und allgemein alle ihre Bestandteile einbeziehen.
Ebenso EuGH, Urt. v. 8.2.2017, C-562/15, Tz. 30 - Carrefour/Intermarché
BGH, Urt. v. 20.2.2013, I ZR 175/11, Tz. 16 - Kostenvergleich bei Honorarfactoring
Nach § 5 Abs. 3 UWG gilt das Irreführungsverbot des § 5 Abs. 1 UWG auch für vergleichende Werbung. Diese Regelung setzt Art. 4 Buchst. a RL 2006/114 um und steht im Einklang mit dem Unionsrecht.
BGH, Urt. v. 20.2.2013, I ZR 175/11, Tz. 16 - Kostenvergleich bei Honorarfactoring
Auch ein sachlich zutreffender Vergleich kann irreführend sein, beispielsweise wenn er aufgrund einseitiger Auswahl der verglichenen Eigenschaften bei den Adressaten einen unzutreffenden Eindruck erwecken kann (Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, § 6 Rn. 24). Durch eine grundsätzlich zulässige Werbung mit bestimmten Einzelangeboten darf daher kein irreführender Eindruck entstehen.
Neutralität des Vergleichs
BGH, Urt. v. 19.11.2009, I ZR 141/07, Tz. 15 - Paketpreisvergleich
Dem Durchschnittsverbraucher, auf dessen Verständnis abzustellen ist, ist klar, dass vergleichende Werbung regelmäßig dazu dient, die Vorteile der Erzeugnisse des Werbenden herauszustellen. Er geht deshalb nicht davon aus, dass ein von einem Wettbewerber angestellter Werbevergleich ebenso wie ein von einem unabhängigen Testveranstalter vorgenommener Waren- oder Dienstleistungsvergleich auf einer neutral durchgeführten Untersuchung beruht (vgl. dazu Köhler in Köhler/Bornkamm aaO § 6 Rdn. 198 m.w.N.).
Irreführung durch einseitige Auswahl
BGH, Urt. v. 19.11.2009, I ZR 141/07, Tz. 15 - Paketpreisvergleich
Es begegnet keinen grundsätzlichen Bedenken, wenn ein Werbevergleich sich nur auf bestimmte Gesichtspunkte bezieht, ohne andere Eigenschaften der miteinander verglichenen Produkte anzusprechen.
ABER:
a. Unterschiedliche Leistungsmerkmale
BGH, Urt. v. 19.11.2009, I ZR 141/07, Tz. 16 - Paketpreisvergleich
Es ist irreführend, wenn ein Werbevergleich den falschen Eindruck vermittelt, es seien im Wesentlichen alle relevanten Eigenschaften in den Vergleich einbezogen worden (Köhler in Köhler/Bornkamm aaO § 6 Rdn. 119). Dementsprechend ist ein im Rahmen vergleichender Werbung vorgenommener Preisvergleich als irreführend zu beurteilen, wenn sich die für den Preis maßgeblichen Konditionen der Wettbewerber nicht unwesentlich unterscheiden und der Werbende auf diese Unterschiede nicht deutlich und unmissverständlich hinweist.
Ebenso OLG Karlsruhe Urt. v. 27.2.2013, 6 U 122/11, Tz. 51
OLG Köln, Urt. v. 30.4.2010, 6 U 194/09
Ein Preisvergleich ist nur unter Anführung der angebotenen Waren bzw. Dienstleistungen möglich. Der Werbende muss daher angeben, welche Dienstleistungen der Umworbene für die gegenübergestellten Preise von den unterschiedlichen Anbietern jeweils erhält. Dabei hat der Werbende zur Vermeidung der Irreführungsgefahr die Angaben so vollständig zu machen, dass alle diejenigen Eigenschaften, zu denen der Verbraucher Angaben erwartet, auch – vollständig – gemacht werden. Der Verbraucher erwartet, dass er in der Werbung auf wesentliche, für ihn sonst nicht erkennbare (Qualitäts-) Unterschiede der gegenübergestellten Telekommunikationsdienstleistungen hingewiesen wird. Dies gilt z.B. für unterschiedliche Mindestvertragslaufzeiten. Der Verbraucher weiß, dass die Anbieter regelmäßig gewisse Mindestlaufzeiten verlangen. Er legt Wert auf eine möglichst kurze Vertragslaufzeit, weil die Unternehmen regelmäßig nach recht kurzer Zeit ihre Angebote verändern und aus Sicht des Verbrauchers "verbessern", weswegen sich eine langfristige Bindung als hinderlich erweisen kann. ... Er nimmt deswegen auch an, dass Verträge mit kürzerer Mindestlaufzeit regelmäßig mit höheren Preisen "erkauft" werden müssen. Der Irreführungsvorwurf ist danach (schon) dadurch begründet, dass in der Werbung ein Hinweis auf die unterschiedlichen Laufzeiten nicht enthalten ist.
OLG Karlsruhe Urt. v. 27.2.2013, 6 U 122/11, Tz. 52
Die Grenze zur Irreführung ist überschritten, wenn ein Werbevergleich den falschen Eindruck vermittelt, es seien im Wesentlichen alle relevanten Eigenschaften in den Vergleich einbezogen worden.
b. Ähnlicheres Angebot des Wettbewerbers
BGH, Urt. v. 7.4.2011, I ZR 34/09, Tz. 36 – Leistungspakete im Preisvergleich
Der beanstandete Werbevergleich verstößt insoweit gegen das Verbot des irreführenden Werbevergleichs nach § 5 Abs. 3 UWG, als die Beklagte ihrem Angebot ein Angebot der Klägerin zum Preis von 70,89 € gegenübergestellt hat, ohne zu erwähnen, dass zum Zeitpunkt der Werbung zum Preis von 59,95 € ein günstigeres Angebot der Klägerin verfügbar war, das dem Angebot der Beklagten in den meisten Punkten entsprach und hinsichtlich des Internetanschlusses (Übertragungsgeschwindigkeit 16Mbit statt 6 Mbit) sogar klar überlegen war.
Vergleich von No-Name- mit Markenprodukten
EuGH, Urt. v. 8.4.2001, C-44/01, Tz. 53 – Pippig Augenoptik
In den Fällen, in denen die Marke der Produkte die Entscheidung des Käufers spürbar beeinflussen kann und der Vergleich konkurrierende Produkte betrifft, deren jeweilige Marken deutliche Unterschiede hinsichtlich ihres Ansehens aufweisen, verstößt die Nichtangabe der angeseheneren Marke gegen Artikel 3a Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 84/450, der eine der Bedingungen aufstellt, unter denen vergleichende Werbung zulässig ist.
Preisvergleich
BGH, Urt. v. 19.11.2009, I ZR 141/07, Tz. 16 - Paketpreisvergleich
Es ist irreführend, wenn ein Werbevergleich den falschen Eindruck vermittelt, es seien im Wesentlichen alle relevanten Eigenschaften in den Vergleich einbezogen worden (Köhler in Köhler/Bornkamm aaO § 6 Rdn. 119). Dementsprechend ist ein im Rahmen vergleichender Werbung vorgenommener Preisvergleich als irreführend zu beurteilen, wenn sich die für den Preis maßgeblichen Konditionen der Wettbewerber nicht unwesentlich unterscheiden und der Werbende auf diese Unterschiede nicht deutlich und unmissverständlich hinweist.
OLG Köln, Urt. v. 30.4.2010, 6 U 194/09
Ein Preisvergleich ist nur unter Anführung der angebotenen Waren bzw. Dienstleistungen möglich. Der Werbende muss daher angeben, welche Dienstleistungen der Umworbene für die gegenübergestellten Preise von den unterschiedlichen Anbietern jeweils erhält. Dabei hat der Werbende zur Vermeidung der Irreführungsgefahr die Angaben so vollständig zu machen, dass alle diejenigen Eigenschaften, zu denen der Verbraucher Angaben erwartet, auch – vollständig – gemacht werden. Der Verbraucher erwartet, dass er in der Werbung auf wesentliche, für ihn sonst nicht erkennbare (Qualitäts-) Unterschiede der gegenübergestellten Telekommunikationsdienstleistungen hingewiesen wird.
OLG Frankfurt, Beschl. v. 3.3.2017, 6 W 17/17, 1.a, c
Die Einbeziehung eines Neukundenbonus in einen zum Vergleich herangezogenen eigenen Preis ist nicht grundsätzlich irreführend. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Nicht zu beanstanden ist es, wenn sich aus dem Gesamtinhalt der Werbung mit hinreichender Klarheit ergibt, dass sich der vorgenommene Vergleich nur auf die Ersparnismöglichkeiten bezieht, die sich für den Kunden nach einem Wechsel zur Antragsgegnerin im ersten Vertragsjahr ergeben können (OLG Frankfurt, Urt. v. 10.12.2009, 6 U 110/09, Rn. 6). ...
Es genügt nicht, dass an anderen Stellen des Flyers deutlich damit geworben wird, dass der Wechsel zur Antragsgegnerin mit einem Neukunden-Bonus verbunden ist. Es fehlt ein Bezug zu der Preisvergleichstabelle. Das Preisvergleichsbeispiel bezieht sich nicht explizit nur auf das erste Vertragsjahr. Die beworbenen Preise können deshalb so verstanden werden, dass es sich nicht um spezielle, nur für Neukunden geltende Preise handelt, sondern um die regulären Tarife der Antragsgegnerin. Es kann damit der Eindruck entstehen, den Bonus könne der Kunde noch zusätzlich zu den dargestellten günstigen Preisen beanspruchen.
OLG Nürnberg, Urt. v. 16.10.2018, 3 U 761/18, II.2.b – Günstigere Preise
Bei Preisvergleichen von Unternehmern gilt ein Aktualitätserfordernis. In den Vergleich darf daher nur der jeweils aktuelle Preis des Mitbewerbers einbezogen werden, weshalb die Bezugnahme auf einen Preis, den der Mitbewerber in der Vergangenheit verlangt hat, und der Werbende selbst in diesem Zeitpunkt das fragliche Produkt noch gar nicht angeboten hatte, irreführend ist. … Maßgeblich ist, ob der Werbevergleich im Zeitpunkt der Bezugnahme zutreffend ist.
Gleichermaßen ist es rechtlich ohne Belang, ob die Angabe von vornherein unrichtig war oder ob sie es im Verlauf der Zeit geworden ist. Auch eine ursprünglich richtige Angabe verstößt gegen das Irreführungsverbot, wenn sie nach einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse irreführend fortwirkt. … Gleichermaßen wird eine zunächst zutreffende Werbung mit einem bezifferten Preisvorteil gegenüber einem Mitbewerber irreführend und damit unzulässig, wenn dieser seinen Vergleichspreis herabsetzt. Grundsätzlich kann an einer objektiv irreführenden Werbeangabe kein schutzwürdiger Besitzstand bestehen, auch wenn sie früher nicht irreführend war.
Vorenthalten wesentlicher Informationen
Dazu siehe hier.
Am Beispiel einer vergleichenden Werbung der Preise zweier Supermarktketten:
EuGH, Urt. v. 8.2.2017, C-562/15, Tz. 32, 35 - Carrefour/Intermarché
Im vorliegenden Fall ist eine Werbung zur Täuschung des durchschnittlichen Verbrauchers geeignet, in der der Werbende für den Vergleich der Preise der in seinen Geschäften vertriebenen Waren mit den Preisen der in Konkurrenzgeschäften vertriebenen Waren auf der einen Seite die Preise, die in den Geschäften größeren Umfangs oder größerer Art seiner Handelsgruppe verlangt werden, und auf der anderen Seite die Preise heranzieht, die in Geschäften kleineren Umfangs oder kleinerer Art konkurrierender Handelsgruppen ermittelt wurden, obwohl jede dieser Handelsgruppen über eine Reihe von Geschäften unterschiedlicher Größe und Art verfügt. Dadurch wird nämlich beim durchschnittlichen Verbraucher der Eindruck erweckt, dass alle Geschäfte dieser Handelsgruppe bei dem Vergleich berücksichtigt wurden und die angegebenen Preisunterschiede für alle Geschäfte jeder Handelsgruppe – unabhängig von ihrer Größe oder Art – gelten, obwohl dies nicht zwangsläufig der Fall ist.
Anders ist es jedoch, wenn der Verbraucher darüber informiert wird, dass in der betreffenden Werbung die Preise, die in den Geschäften größeren Umfangs oder größerer Art der Handelsgruppe des Werbenden verlangt werden, mit den Preisen verglichen werden, die in Geschäften kleineren Umfangs oder kleinerer Art konkurrierender Handelsgruppen ermittelt wurden, da er dann weiß, dass er nur in den Genuss der in der Werbung hervorgehobenen Preisersparnis kommt, wenn er die jeweiligen Waren ausschließlich in den Geschäften größeren Umfangs oder größerer Art der Handelsgruppe des Werbenden erwirbt. Folglich benötigt der Verbraucher bei einer solchen Werbung, in der die Preise von Geschäften verglichen werden, die zu Handelsgruppen gehören, die jeweils über eine Reihe von Geschäften unterschiedlicher Größe und Art verfügen, die genannte Information, um die Entscheidung, die betreffenden Waren in den Geschäften des Werbenden statt in den Konkurrenzgeschäften zu erwerben, informiert zu treffen und sich nicht veranlasst zu sehen, eine Kaufentscheidung zu treffen, die er ansonsten nicht getroffen hätte. Somit handelt es sich unter diesen Umständen um eine wesentliche Information im Sinne von Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2005/29.