Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 

 

 

(5) Rabatte/Zugaben

Rabatte und sonstige Preisnachlässe und Erstattungen

1. Gesetzestext

2. Gesetzesbegründung

3. Geld- und Naturalrabatte

Mengenrabatt

4. Erstattungen

5. Zuwendungen gleicher Ware

6. Normadressat

7. Preisvorschriften des AMG

8. Beispiele

Verzicht auf Zuzahlung

Gewinnspiel

Gesetzestext

§ 7 Abs. 1 Nr. 2 HWG

(1) Es ist unzulässig, Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren oder als Angehöriger der Fachkreise anzunehmen, es sei denn, dass

2. die Zuwendungen oder Werbegaben in

a) einem bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrag oder

b) einer bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Menge gleicher Ware gewährt werden;

Zuwendungen oder Werbegaben nach Buchstabe a sind für Arzneimittel unzulässig, soweit sie entgegen den Preisvorschriften gewährt werden, die aufgrund des Arzneimittelgesetzes gelten; Buchstabe b gilt nicht für Arzneimittel, deren Abgabe den Apotheken vorbehalten ist

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Gesetzesbegründung

"Preisnachlässe, die die Preisregelungen der Arzneimittelpreisverordnung unterlaufen würden, sind unzulässig. Der von der Arzneimittelpreisverordnung vorgegebene Rahmen stellt das Maß erlaubter Rabatte dar. Soweit die Arzneimittelpreisverordnung keine Regelungen trifft (insbesondere für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel), bleiben Preisnachlässe zulässig, weil sie außerhalb und damit nicht entgegen der Preisvor- schriften gewährt werden." (Gesetzbegründung S. 18 der BT-Drcks. 16/691)

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Geld- und Naturalrabatte

BGH, Beschl. v. 13.7.2023, I ZR 182/22, Tz. 29 – Gutscheinwerbung

Eine in einem bestimmten Geldbetrag gewährte Werbegabe im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG ist die Zuwendung einer zahlenmäßig bestimmten Geldsumme, über deren Höhe infolge ihrer Bestimmtheit beim Publikum kein Zweifel aufkommen kann (BeckOK.HWG/ Doepner/Reese, 9. Edition [Stand 1. September 2022], § 7 Rn. 601).

BGH, Beschl. v. 13.7.2023, I ZR 182/22, Tz. 30 – Gutscheinwerbung

Mit einem "auf eine bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrag" im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG sind Preisnachlässe in prozentualer oder sonst auf einfache Weise zu ermittelnder Höhe gemeint, die auf den Normalpreis gewährt werden.

BGH, Beschl. v. 13.7.2023, I ZR 182/22, Tz. 36 f – Gutscheinwerbung

Der Ausnahmetatbestand des § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG ist dahin auszulegen, dass ihm allein unmittelbar wirkende Preisnachlässe und Zahlungen, nicht aber auf einen Geldbetrag oder einen prozentualen Rabatt lautende Gutscheine für den nachfolgenden Erwerb weiterer Produkte unterfallen.

Eine Beschränkung des Ausnahmetatbestands des § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG auf unmittelbar wirkende Preisnachlässe und Zahlungen legt schon der Wortlaut der Vorschrift nahe, der verlangt, dass die Zuwendung oder Werbegabe "in einem (…) Geldbetrag (…) gewährt" wird. Diese Formulierung kann dahingehend verstanden werden, dass ein Geldbetrag ausgezahlt oder zumindest vom Rechnungsbetrag abgezogen wird. Dies ist bei einem Rabattgutschein für zukünftige Erwerbsvorgänge nicht der Fall. Vor allem aber entspricht dieses Verständnis in besonderer Weise dem Schutzzweck des § 7 Abs. 1 HWG, im Zusammenhang mit dem Erwerb von Heilmitteln der auch nur abstrakten Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung der Werbeadressaten entgegenzuwirken.

BGH, Beschl. v. 13.7.2023, I ZR 182/22, Tz. 31 – Gutscheinwerbung

Die Werbung mit einem geldwerten Vorteil, der nicht in einem bestimmten oder bestimmbaren Geldbetrag, sondern als Sachzuwendung - etwa von Gebrauchsgegenständen oder Dienstleistungen - gewährt wird, erfüllt nicht den Ausnahmetatbestand des § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG (vgl. BGH, Urt. v. 26.3.2009, I ZR 99/07, Tz. 17 - DeguSmiles & more). Dies gilt auch, wenn der Wert des Vorteils mit einem bestimmten Geldbetrag angegeben wird. Andernfalls könnte sich der Werbende bei einer Sachzuwendung allein durch die Angabe des Werts dem Anwendungsbereich des § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 1 Halbsatz 1 Fall 2 HWG entziehen, der für die Zulässigkeit einer Sachzuwendung deren Geringwertigkeit verlangt, und in den Genuss der Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG gelangen (vgl. OLG Hamm, WRP 2022, 633 [juris Rn. 42]).

BGH, Urt. v. 1.12.2016, I ZR 143/15, Tz. 40 - Zuzahlungsverzicht bei Hilfsmitteln

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a HWG ... sind Rabatte jeder Art für nicht apothekenpflichtige Arzneimittel, Medizinprodukte und andere Heilmittel erlaubt.

OLG Köln, Urt. v. 23.2.2011, 6 W 2/11

§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HWG betrifft, wie es in der Gesetzesbegründung heißt (BT-Drucks. 14/6469, S. 9), sog. Geld- und Naturalrabatte, also Fälle der Reduzierung des für die beworbene Ware verlangten Preises, indem ein prozentualer oder betragsmäßig bestimmter Abschlag unmittelbar auf den für das Medizinprodukt verlangten Preis gewährt oder die Menge der für den unveränderten Preis zu liefernden Ware erhöht wird. Dieses Verständnis entspricht auch dem Schutzzweck des § 7 HWG, durch den sichergestellt werden soll, dass eine Kaufentscheidung nach den Kriterien Preiswürdigkeit und Qualität der Ware getroffen und nicht durch die Zielsetzung bestimmt wird, in den Genuss der Zugabe zu gelangen.

OLG Hamburg, Urt. v. 27.6.2013, 3 U 26/12, Tz. 39

§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HWG gilt nur, wenn die Zuwendung oder Werbegabe zusammen mit einem Heilmittel angeboten, angekündigt oder gewährt wird. Regelungsgegenstand dieser Ausnahme vom Zuwendungsverbot sind Geldrabatte (1.Alt.) oder Naturalrabatte (2. Alt.).

OLG Stuttgart, Urt. v. 9.7.2015, 2 U 83/14, Tz. 52

Danach sind Rabatte jeder Art für nicht apothekenpflichtige Arzneimittel, Medizinprodukte und andere Heilmittel erlaub.

Ein Preisnachlass liegt auch vor, wenn der Arzneimittelhersteller Apotheker direkt und zwar zum Großhandelspreis beliefert (KG Berlin, Urt. v. 11.9.2012, 5 U 57/11, Tz. 35). Andere Formen der Zugabe fallen nicht unter die Vorschrift,

OLG Jena, Urt. v. 9.9.2015, 2 W 204/15 (= GRUR-RR 2016, 299)

Da der Beklagte keinen Barrabatt, sondern eine Gratiszugabe ankündigt, kann er sich nicht darauf berufen, ein Barrabatt sei bei nicht preisgebundenen Heilmitteln möglich gewesen.

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Mengenrabatt

 BGH, Urt. v. 6.11.2014, I ZR 26/13, Tz. 26 - Kostenlose Zweitbrille

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b HWG ist eine Werbegabe zulässig, wenn sie in einer bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Menge gleicher Ware gewährt wird. Danach kann auch zu einem Einzelstück ein gleiches Produkt als Zuwendung dergestalt gewährt werden, dass der Empfänger insgesamt zwei gleiche Waren erhält.

Eine gleiche Ware im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b HWG liegt nur dann vor, wenn es sich um dieselbe Ware in identischer Qualität wie die entgeltlich abgegebene Ware handelt. Eine Gleichartigkeit, Ähnlichkeit oder Gebrauchsnähe genügt nicht.

A.A. OLG Stuttgart, Urt. v. 17.1.2013, 2 U 92/12

OLG Celle, Urt. v. 13.3.2014, 13 U 106/13. II.1.d

Warenrabatte i. S. der Ausnahmevorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2b HWG setzen gleiche Ware voraus; das erfordert Gattungs- und Qualitätsidentität (Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand: Ergänzungslieferung 135, § 7 HWG Rn. 28). Insoweit ist auf das Verständnis des § 1 Abs. 2 Buchst. c ZugabeVO zurückzugreifen (vgl. OLG Hamburg, Urt. v. 7.4.2005, 3 U 176/04, Tz. 76). In der Gesetzesbegründung zu § 7 HWG i. d. F. vom 27. Juni 2001 (BT-Drucksache 14/6469) heißt es dazu: „Durch die Vorschrift werden bestimmte Ausnahmetatbestände, die bislang durch Verweis auf § 1 Abs. 2 ZugabeVO im Bereich der Heilmittelwerbung zulässig waren, in das Heilmittelwerbegesetz aufgenommen“.

Der Begriff „gleiche Ware“ ist deshalb grundsätzlich dahin zu verstehen, dass die zugegebene Ware mit der Hauptware qualitativ völlig identisch sein muss; es muss sich um die Hingabe einer Menge der „verkauften“ Ware handeln (vgl. nur BGH, Urt. v. 24.4.1978, I ZR 165/76 - Automatentruhe).

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Erstattungen

OLG Hamburg, Urt. v. 20.6.2019, 3 U 137/18, Tz. 32 ff

Anerkannt ist, dass Rabatte jeder Art für nicht apothekenpflichtige Arzneimittel, Medizinprodukte und andere Heilmittel erlaubt sind (vgl. Brixius in Bülow/Ring/Artz/Brixius, HWG, 5. Aufl., § 7 Rn. 90).

Die Rückerstattung bezieht sich auf einen „bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrag“, nämlich den vollständigen Kaufpreis des Produktes. Rückvergütungen fallen dementsprechend grundsätzlich unter die Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. a HWG (Doepner/Reese, HWG, § 7 Rn. 125).

Auch dass es vorliegend um eine vollständige Rückerstattung des Kaufpreises geht, spricht nicht gegen die Anwendbarkeit der Ausnahmeregelung. Das Gesetz spricht gerade nicht von einem bloßen Rabatt oder einem Preisnachlass, sondern von einem bestimmten oder auf bestimmte Weise zu berechnenden Geldbetrag. Eine Beschränkung des Zuwendungsbetrages der Höhe nach lässt sich dem Gesetzeswortlaut daher nicht entnehmen.

OLG Hamburg, Urt. v. 20.6.2019, 3 U 137/18, Tz. 42

Die Annahme, dass ... vollständige Rückerstattung des Kaufpreises unter die Regelung des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 lit. a HWG fällt, führt nicht zu einem Wertungswiderspruch in Bezug auf die Regelung des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HWG, wonach Zuwendungen zulässig sind, bei denen es sich um Gegenstände von geringem Wert (die durch eine dauerhafte und deutlich sichtbare Bezeichnung des Werbenden oder des beworbenen Produktes oder beider gekennzeichnet sind) oder um geringwertige Kleinigkeiten handelt. Der maßgebliche Unterschied besteht darin, dass der Wert von als Werbegabe zugewendeten Gegenständen oftmals nicht zuverlässig beurteilt und daher unter Umständen überschätzt werden kann. Um eine mögliche Beeinflussung durch die Gabe von Werbegeschenken mit schwer einschätzbarem Wert zu unterbinden, dürfen derartige Werbegaben nur einen geringen Wert haben. Demgegenüber besteht bei den in § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 lit. a HWG geregelten Zuwendungen in Form bestimmter oder auf bestimmte Art zu berechnender Geldbeträge von vornherein nicht die Gefahr, dass ihr Wert überschätzt wird.

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Zuwendungen gleicher Ware

OLG Hamburg, Urt. v. 15.12.2022, 3 U 9/22, Tz. 50

Aus dem Wortlaut von § 7 Abs. 1 S.1 Hs. 2 Nr. 2b HWG, wonach eine bestimmte Menge „gleicher Ware“ abgegeben werden darf, ergibt sich, dass die Abgabe nur im Zusammenhang mit einem „Hauptgeschäft“, d.h. im Rahmen eines Erwerbsgeschäfts, zulässig ist und dass Hauptware und zusätzlich gewährte Ware identisch sein müssen (BeckOK HWG, Doepner/Reese, 8. Edition, Stand: 01.06.2022, § 7 Rn. 638f.).

Dem steht nicht entgegen, dass das abgeschlossene Abonnement über Inkontinenzeinlagen Inkontinenzeinlagen nachfolgend geändert oder sogar gänzlich gekündigt werden kann, bevor die erste kostenträchtige Lieferung erfolgt. Denn für die rechtliche Bewertung ist hier maßgeblich auf den Zeitpunkt der Bestellung des Testpakets und des gleichzeitig erfolgenden Abschlusses des Abonnementvertrags, nicht jedoch auf potentielle Änderungs- oder Kündigungsmöglichkeiten zu einem späteren Zeitpunkt abzustellen.

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Normadressat

Das Verbot des § 7 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 HWG gilt für alle Vertriebsstufen, also z.B. auch für den Verkauf des pharmazeutischen Unternehmers an die Apotheke.

OLG Köln, Urt. v. 8.12.2006, 6 U 115/06, Tz. 38

Die Arzneimittelpreisverordnung kennt keinen fest umrissenen Normadressatenkreis. Entscheidend für einen Verstoß gegen die Verordnung ist allein, dass sich das Verhalten gegen die mit der Arzneimittelpreisverordnung verfolgte Zweckbestimmung richtet, das Arzneimittelpreisniveau zu senken. Dieses Ziel wird aber unterlaufen, wenn der in der Lauer-Liste verlautbare Preis durch eine nachhaltige Rabattgewährung zu einem rein fiktiven Preis wird, den die Apotheken in Wahrheit nicht bezahlen.

Ebenso OLG Stuttgart, Urt. v. 9.7.2015, 2 U 83/14, Tz. 52

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Preisvorschriften des AMG

Siehe hier zu den Preisvorschriften des AMG, zu § 78 AMG sowie die Arzneimittelpreisverordnung

Durch § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HWG soll sichergestellt werden, dass die Vorschriften der Arzneimittelpreisverordnung eingehalten werden und die Apotheken diejenigen Handelszuschläge erhalten, die ihnen aufgrund der in dieser Verordnung festgesetzten Handelszuschläge zustehen ( BT-Drcks. 16/194, S. 11 f ).

BGH, Urt. v. 18.11.2021, I ZR 214/18, Tz. 49 ff - Gewinnspielwerbung II

§ 78 Abs. 1 S. AMG ist neben § 7 HWG anwendbar. Die beiden Regelungsbereiche weisen unterschiedliche Zielsetzungen auf. Der Zweck der in § 7 HWG enthaltenen Regelung besteht vor allem darin, dass Verbraucher bei der Entscheidung, ob und welche Heilmittel sie in Anspruch nehmen, nicht durch die Aussicht auf Zugaben und Werbegaben unsachlich beeinflusst werden sollen. Die Bestimmungen der § 78 Abs. 1 Satz 1 AMG, § 1 Abs. 1 und 4, § 3 AMPreisV sind nach ihrem Zweck dagegen dazu bestimmt, den (Preis-)Wettbewerb unter den Apotheken zu regeln.

OLG Frankfurt, Urt. v. 26.7.2018, 6 U 112/17

§ 7 HWG hat nicht die Einhaltung der arzneimittelrechtlichen Preisvorschriften zum Gegenstand, sondern das Verbot der Wertreklame, das durch die Preisvorschriften des AMG nur verschärft wird, wie sich aus § 7 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 HWG ergibt.

OLG Jena, Urt. v. 9.9.2015, 2 W 204/15 (= GRUR-RR 2016, 299)

Die Differenzierung zwischen Bar- und Naturalrabatten ist bei apothekenpflichtigen Arzneimitteln gesetzlich ausdrücklich geregelt. … Rechtfertigungsgrund für eine Differenzierung der gesetzgeberischen Bewertung von Gratiszugaben (Naturalrabatten) gegenüber Barrabatten ist die wesentlich höhere Anlockwirkung, die regelmäßig von der Werbung mit „Gratis“ ausgeht. Dies orientiert sich an dem Verständnis des relevanten Durchschnittsverbrauchers. Starke Anlockwirkungen sollen im Bereich des Konsums von apothekenpflichtigen Arzneimitteln gerade vermieden werden.

§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Halbs. 2, 3 HWG gilt als Fremdkörper, weil mit ihm ein anderer Zweck verfolgt wird als mit den sonstigen Bestimmungen des HWG. Die Vorschrift dient nicht dem Gesundheitsschutz, sondern dem Schutz der gesetzlichen Preisgestaltung bei Arzneimitteln.

Die Abgabe von Arzneimitteln zum Großhandelspreis vom Hersteller unmittelbar an den Apotheker verstößt nicht gegen Preisvorschriften des Arzneimittelrechts:

KG Berlin, Urt. v. 11.9.2012, 5 U 57/11, Tz. 37 f

Von der Ermächtigung in § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AMG zur Festsetzung von Preisspannen (für Arzneimittel, die in Apotheken abgegeben werden) hat der Verordnungsgeber mit der Arzneimittelpreisverordnung Gebrauch gemacht. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV darf bei der Abgabe von Arzneimitteln durch den Großhandel an Apotheken auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne die Umsatzsteuer höchstens ein Zuschlag von 3,15 %, höchstens jedoch 37,80 €, zuzüglich eines Festzuschlags von 0,70 € sowie die Umsatzsteuer erhoben werden. Damit wird die Preisspanne bestimmt, zu der der Großhandel die Arzneimittel an die Apotheken weitergeben darf. Diese Regelung enthält entsprechend ihrem Wortlaut ("darf ... höchstens ... erhoben werden") nicht die Festlegung eines Festpreises (der allein zulässig wäre wie bei der Festsetzung des Apothekenabgabepreises in § 3 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV: "Bei der Abgabe von Fertigarzneimitteln ... durch die Apotheken sind zur Berechnung des Apothekenabepreises ein Festzuschlag ... zu erheben"), sondern die Festsetzung einer Preisspanne mit einer Begrenzung durch einen Höchstpreis. Der Großhandel darf daher diesen Preisrahmen unausgeschöpft lassen und die Apotheken zum Herstellerabgabepreis (der die Umsatzsteuer enthält) beliefern (vgl. hierzu auch die Begründung zum Gesetzentwurf zur Änderung u.a. des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HWG vom 13.12.2005, Drucks. 16/194, Seite 11f).

Der Wortlaut des § 47 Abs. 1 Halbs. 1 AMG macht deutlich, dass pharmazeutische Unternehmer Arzneimittel auch direkt (ohne Einschaltung von Großhändlern) an Apotheken abgeben dürfen. Gemäß § 78 Abs. 1 Satz 3 AMG gelten dann die Preisvorschriften für den Großhandel (vorstehend § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AMG in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV) auch für pharmazeutische Unternehmer bei deren Abgabe der Arzneimittel an Apotheken, die die Arzneimittel zur Abgabe an den Verbraucher beziehen. Dementsprechend dürfen pharmazeutische Unternehmer ihre Arzneimittel direkt an die Apotheken zum Herstellerabgabepreis liefern (vgl. auch hierzu die Begründung zum Gesetzentwurf zur Änderung u.a. des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HWG, a.a.O.). Die in einer solchen Belieferung liegende Zuwendung eines Preisnachlasses entspricht demnach den Preisvorschriften, die aufgrund des AMG gelten (vgl. auch hierzu die vorgenannte Begründung des genannten Gesetzentwurfs, a.a.O.).

In diesem Sinne auch

OLG Bamberg, Urt. v. 9.10.2013, 3 U 48/13, II.3

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 a HWG sind bei der produktbezogenen Werbung für Heilmittel – ausgenommen preisgebundene Arzneimittel – Zuwendungen oder Werbegaben zulässig, wenn sie in einem bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrag gewährt werden. Eine Beschränkung des Barrabatts der Höhe nach sieht der Gesetzeswortlaut nicht vor.

Die Gewährung von Barrabatten für preisgebundene Arzneimittel ist unzulässig (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2. 2. Hs. HWG). Der Bundesgerichtshof überprüfte lediglich in einer wertenden Betrachtung, ob dem Verstoß gegen die arzneimittelrechtliche Preisbindung ausnahmsweise keine spürbare Beeinträchtigung der Interessen von Mitbewerbern (§ 3 Abs. 1 UWG) beizumessen wäre. Dies wäre der Fall gewesen, wenn er sich in den für eine entsprechende Heilmittelwerbung bestehenden Grenzen der geringwertigen Kleinigkeit gehalten hätte, was jedoch angesichts der Höhe des Gutscheines nicht der Fall war.

Hieraus lässt sich jedoch nach Ansicht des Senats für die Bewerbung von nicht preisgebundenen Heilmitteln keine weiteren Schlussfolgerungen ziehen.

BGH, Urt. v. 20.11.2018, I ZR 237/16, Tz. 30 - Versandapotheke

Nach der beanstandeten Werbung des Beklagten wird die Prämie in Höhe von 10 € ohne Einschränkung für jede Werbung eines neuen Kunden und damit auch dann gewährt, wenn der neue Kunde beim Beklagten ausschließlich Arzneimittel erwirbt, für die ein einheitlicher Apothekenabgabenpreis zu gewährleisten ist. In einem solchen Fall verstößt die Gewährung der Prämie gegen die arzneimittelrechtliche Preisbindung. Der Beklagte gibt das preisgebundene Arzneimittel dann zwar nicht zu einem niedrigeren Preis an den neuen Kunden ab, gewährt diesem aber gekoppelt mit dem Erwerb des Arzneimittels einen Vorteil, der den Erwerb des Mittels für den neuen Kunden wirtschaftlich günstiger erscheinen lässt. Der Vorteil besteht darin, dass der neue Kunde dem Werbenden durch den Erwerb des preisgebundenen Arzneimittels die ausgelobte Werbeprämie verschafft; dies lässt es für ihn wirtschaftlich günstiger erscheinen, das preisgebundene Arzneimittel beim Beklagten und nicht bei einer anderen Apotheke zu erwerben, die keine entsprechende Werbeprämie gewährt.

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Beispiele

Verzicht auf Zuzahlung

BGH, Urt. v. 1.12.2016, I ZR 143/15, Tz. 41 f - Zuzahlungsverzicht bei Hilfsmitteln

Bei der jeweiligen Zuzahlung nach § 33 Abs. 8, § 61 Satz 1 SGB V handelt es sich um einen auf bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrag im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a HWG. Nach § 61 Satz 1 SGB V betragen die Zuzahlungen, die Versicherte zu leisten haben, 10 vom Hundert des Abgabepreises, mindestens jedoch 5 Euro und höchstens 10 Euro; allerdings jeweils nicht mehr als die Kosten des Mittels. Für zum Verbrauch bestimmte Hilfsmittel gilt gemäß § 33 Abs. 8 SGB V abweichend eine Zuzahlung in Höhe von 10 vom Hundert des insgesamt von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrags, jedoch höchstens 10 Euro für den gesamten Monatsbedarf. Damit ist für den Versicherten der mit der Ersparnis der Zuzahlung verbundene Rabatt ohne weiteres zu errechnen, sobald ihm der Abgabepreis bekannt ist. Das genügt den Anforderungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a HWG. Weiteren Voraussetzungen unterliegen Barrabatte für Medizinprodukte nicht.

Zu Unrecht hat das Berufungsgericht der Regelung des § 33 Abs. 8 SGB V eine Pflicht des Leistungserbringers zur Einziehung der Zuzahlung entnommen, die einer Anwendung der für Barrabatte nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a HWG geltenden Ausnahme entgegenstünde. Der Anwendungsbereich dieser Ausnahme zu einer Marktverhaltensregelung kann durch Regelungen des Sozialrechts, die keine Marktverhaltensregelungen sind, von vornherein nicht beschränkt werden. Darüber hinaus ist der Leistungserbringer nach § 33 Abs. 8 SGB V aber auch nicht verpflichtet, die Zuzahlung einzuziehen.

BGH, Urt. v. 1.12.2016, I ZR 143/15, Tz. 44 ff - Zuzahlungsverzicht bei Hilfsmitteln

Die Systematik des Gesetzes steht der Annahme einer Einziehungspflicht entgegen.

Grundsätzlich ist der Zahlungsweg für Zuzahlungen der Versicherten in § 43c SGB V geregelt. Gemäß § 43c Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Leistungserbringer Zahlungen, die Versicherte zu entrichten haben, einzuziehen und mit ihrem Vergütungsanspruch gegenüber der Krankenkasse zu verrechnen. Erfolgt keine Zahlung des Versicherten, hat der Leistungserbringer nach § 43c Abs. 1 Satz 2 SGB V eine gesonderte schriftliche Zahlungsaufforderung an den Versicherten zu richten. Bleibt die Zahlung auch dann aus, zieht die Krankenkasse die Forderung ein. Danach hat der Leistungserbringer die Funktion einer Einzugs- und Inkassostelle, während Inhaberin der Zuzahlungsforderung die jeweilige Krankenkasse ist (BSG, BSGE 103, 275 Tz. 17). In diesem gesetzlichen Regelfall kann der Leistungserbringer mangels Forderungsinhaberschaft nicht über die Zuzahlungsforderung disponieren, also auch
nicht wirksam auf sie verzichten.

Für Hilfsmittel wurde indes eine abweichende Sonderregelung getroffen (BSG, SozR 4-2500 § 33 Nr. 14, Tz. 24). Nach § 33 Abs. 8 Satz 2 Halbsatz 1 SGB V findet keine Verrechnung der Zuzahlung mit dem eigenen Vergütungsanspruch des Leistungserbringers statt, sondern der Vergütungsanspruch des Leistungserbringers verringert sich automatisch um die Zuzahlung. Nach Halbsatz 2 dieser Vorschrift findet § 43c Abs. 1 Satz 2 keine Anwendung, aus dem sich ansonsten die Forderungsinhaberschaft der Krankenkasse ergibt. Hierdurch ist klargestellt worden, dass der Leistungserbringer das Inkassorisiko für die Zuzahlung trägt. Im Fall der Zuzahlung für Hilfsmittel handelt es sich um einen privatrechtlichen Anspruch des Leistungserbringers, der einen Teil seiner Gesamtvergütung ausmacht.

Aufhebung von OLG Stuttgart, Urt. v. 9.7.2015, 2 U 83/14, Tz. 52

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Gewinnspiel

BGH, Beschl. v. 20.2.2020, I ZR 214/18, Tz. 28 – Gewinnspielwerbung

Der Wert der Teilnahme an einem Gewinnspiel entspricht nicht dem Wert des ausgelobten Gewinns, selbst wenn dieser Gewinn ein bestimmter Geldbetrag ist (so allerdings Reese in Doepner/Reese, HWG, 3. Aufl., § 7 Rn. 78; vgl. auch OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2013, 309, 310 [Tz. 19]; OLG Frankfurt am Main, GRUR-RR 2015, 31 [Tz. 6]), sondern in der mit der Teilnahme an dem Gewinnspiel verbundenen Chance auf den Gewinn (vgl. BGH, GRUR 2014, 689 Rn. 14 - Testen Sie Ihr Fachwissen; Mand in Gröning/Mand/Reinhart, Heilmittelwerberecht, Stand Januar 2015, § 7 HWG Rn. 157). Diese Chance auf einen Gewinn ist auch nicht mit einem auf eine bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrag gleichzusetzen. Mit der Wendung "auf eine bestimmte Art zu berechnender Geldbetrag" sind Preisnachlässe in prozentualer oder sonst auf einfache Weise zu ermittelnder Höhe gemeint, die auf den Normalpreis gewährt werden (Mand in Prütting, Medizinrecht, 5. Aufl., § 7 HWG Rn. 68 mwN).

Ebenso BGH, Urt. v. 18.11.2021, I ZR 214/18, Tz. 48 - Gewinnspielwerbung II

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